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Ausgabe:

1973

Spalte:

511-514

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Reventlow, Henning

Titel/Untertitel:

Rechtfertigung im Horizont des Alten Testaments 1973

Rezensent:

Maass, Fritz

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(23); diese Ambivalenz findet sich ähnlich in der Beurteilung
anderer, notgedrungen aus Kanaan übernommener
Kulturerrungenschaften.

Der Traktat 'Arakin basiert auf Lev 27 (Geldwert von
Personen und Sachen, die durch ein Gelübde dem Heilig
tum geweiht werden). K.s Übersetzung ist manchmal zu
dicht und deshalb nicht immer leicht verständlich. Er verzichtet
auf die zuerst von G. Lisowsky praktizierte Methode,
für das Verständnis notwendige oder hilfreiche Ergänzungen
in eckigen Klammern hinzuzufügen. Gute Umschreibungen
des Textes finden sich in der Auslegung. Die
hebräische Sekundärliteratur ist von K. sehr eingehend
berücksichtigt. Kurzbiographien der genannten Rabbinen
werden (über Stracks Einleitung hinaus) meist nach
Margalioth (Enzyklopädie ... 1964) gegeben; das ist ein
Fortschritt, doch fragt man sich, warum nicht neuere
Spezialarbeiten zitiert sind. Wertvoll sind die redaktionsgeschichtlichen
Erwägungen (bes. S. 2 f), die rechtsgeschichtlichen
Vergleiche (Tötung des Fötus S. 30 f., Ehescheidung
S. 80 f., Eheverschreibung S, 83, Pfand S. 88), die Ausführungen
zum Kalender (S. 35 f. 122 f.) und zu den IX, 6
genannten Städten (S. 128-132); ebenso die Erklärungen zu
den erwähnten Münzen, Maßen und Musikinstrumenten;
bei den letzteren hätte man außer Greßmann, Kolari (1947)
und Behm (1954) die Berücksichtigung neuerer Arbeiten
gewünscht.

In beiden Kommentaren vermißt man bei der Besprechung
alttestamentlicher Worte und Begriffe den Hinweis
auf neue Monographien (z. B. m ,mn ,11) . Verweise auf
andere Kommentare der „Giessener Mischna" gibt es sehr
selten; so werden rabbinische Grundbegriffe und Termini
immer neu (oft verschieden) erklärt. Bei Darlegungen über
„rein und unrein" (Arakin S. 34 f.) sollte auf Jadajim (1956,
S. 2 ff.), über Tebul Jörn (Nazir S. 146) auf den so betitelten
Traktat (Kommentar von Lisowsky 1964) Bezug genommen
werden. Auch bei Übertragungen ständig wiederkehrender
Worte und Wendungen (d's:n .nova .tmo»
etc) könnten Querverweise dienlich sein. Die tabellarische
Gegenüberstellung von Mischna und Tosefta ist in beiden
Kommentaren (Nazir 9-12, 'Arakin 6-10) übersichtlich und
aufschlußreich. Doch sollte das Schema weiter durchdacht
und nach Möglichkeit einheitlich gestaltet werden. Problematisch
ist die Transkription; doch wird das bisher ange
wandte System in dieser Reihe kaum mehr aufgegeben
werden können. Inkonsequenzen sollten noch sorgfältiger
vermieden werden: Die Transkription der Vokale (Chatef
Laute) ist nicht geklärt; spirantisches n ist jetzt meist
mit t, doch oft auch mit t wiedergegeben (entsprechend 3
und 1), I mit z oder s, o mit t oder t, X mit s oder z,
p mit k oder q; i» und 0 sind entweder ohne Unterscheidung
mit s oder unterschiedlich mit s und s umschrieben
; begegnet (wahrscheinlich ganz folgerichtig nach
verabredetem usus) in drei verschiedenen Umschriften:
Arakin (in der Kommentierung), 'Arakin (in den Seiten
Überschriften) Arakin (im Register). Welche biblischen und
anderen Namen von der vereinbarten Transkriptionsweise
auszunehmen sind, ist nicht leicht festzulegen und abzugrenzen
(z. B. erscheint Jobel neben Mazzot; 'Ar S. 13:
Jiftah). Wer restlose Exaktheit der Umschrift erstrebt, muß
diese' Schwierigkeiten in Kauf nehmen; doch werden nicht
alle zugeben, daß die Schreibung «ikibäh besser ist als
Aqiba.

Mainz Fritz Maass

Reventlow, Henning Graf: Rechtfertigung im Horizont des
Alten Testaments. München: Kaiser 1971. 164 S. 8° =
Beiträge zur evang. Theologie. Theol. Abhandlgn, hrsg.
V. E. Wolf, 58. DM 24,50.

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Es gibt bereits eine ganze Reihe erfreulicher Anzeichen
dafür, daß die berechtigte Forderung nach interdisziplinärer
Aussprache in der Theologie gehört und ernstgenommen
wird; das neue Buch von Graf Reventlow hat sich ein
Sonder-Verdienst um die Überwindung fachlicher Schranken
erworben und wird forschungsgeschichtliche Wirkung haben.
Der Vf. legt eine herausfordernde, eindringlich begründete
These zum Alten Testament vor, zeigt ihre Konsequenzen
für die Interpretation eines neutestamentlichen Zentralbegriffs
auf und nimmt dabei eine selbständige, nach vielen
Seiten schlagfertig behauptete Position in der neutestamentlichen
und dogmatischen Diskussion ein.

Die These besagt, daß das gesamte Handeln Gottes im
Alten Testament als Rechtfertigungsgeschehen zu begreifen
ist. Den wichtigsten Anknüpfungspunkt in der gegenwär
tigen alttestamentlichen Forschung bietet H. H. Schmids
Definition des als jahwegewollter Ordnung und der
n!™f als dieser Ordnung gemäßes Verhalten („Gerechtigkeit
als Weltordnung", 1968). R. behandelt gesondert die Rechtfertigung
des Volkes (S. 41-66) und des einzelnen (66-102).
Der Jahwist, das deuteronomistische Geschichtswerk und
Hosea werden als Kronzeugen für den Rechtfertigungscharakter
des Handelns Gottes nach der alttestamentlichen
Geschichtsbetrachtung vorgeführt: trotz des verdienten und
auch vollzogenen Gerichts gewährt Jahwes Gnade das Fortbestehen
der Gemeinschaft. Bei aller Verschiedenheit der
Zeugen „ergibt sich doch ein in seinen Grundstrukturen
überraschend einheitliches Bild des Handelns Gottes an
seinem Volke"; es ist „von einem nicht enden wollenden
Liebeswillen Gottes getragen" (48). Das wird gegen alte
und neue Interpretation der Prophetie, bes. des Arnos, als
reiner und unbedingter Gerichtsbotschaft abzusichern ver-
sucht. Das letzte Argument ist mit S. Amsler („Arnos, pro-
phete de la onzieme heure", ThZ 1965) die Frage: Wenn
zwischen Jahwe und seinem Volk endgültig Schluß ist,
warum schickt er dann noch einen Propheten, um anzu
kündigen, daß seine Geduld erschöpft ist? (vgl. Heinrich
Heine: , ... man schreibt nicht so ausführlich, wenn man
den Abschied gibt"). Das unvermittelte Nebeneinander von
Gerichts- und Heilsbotschaft „kann nur theologisch von
der Aufeinanderfolge verschiedenartiger Verkündigungssitu
ationen her gelöst werden" (55): wenn durch das Gericht
auch die letzte Illusion der Möglichkeit einer Selbstbehaup
tung verflogen ist, besteht Hoffnung auf neue Heilssetzungen
Jahwes.

Daß auch Jahwes Handeln mit dem einzelnen rechtfertigendes
Geschehen ist, wird mit Psalmen-Zeugnissen
belegt. Der Lebenshintergrund des Beters ist die „Recht
fertigungs"-Ordnung. „Gerecht" ist der einzelne nicht allein
durch Teilnahme am Kult, sondern durch die Gemeinschaft
mit Gott, „der als der Schöpfer die Ordnung der Welt trägt
und erhält" (76). Ein Gerechtfertigter „im Vollsinne" (92)
wird der einzelne erst dadurch, daß er von Gott Anteil an
der göttlichen Gerechtigkeit bekommt. (In diesem Kap.
geht der Vf. auf die neueste Psalmen-Forschung ein und
gibt ein Urteil über den Belang des Kults für die Psalmen-
Exegese ab: „als Schnittpunkt, an dem sich Gott und Welt
begegnen", nimmt er in den Psalmen eine hervorragende
Stelle ein; aber er wird nicht „absolut gesetzt", und des
halb verbietet sich sowohl eine ausschließlich an der Kultideologie
wie auch eine nur an der kultfernen, privaten
Frömmigkeit orientierte Psalmen-Auslegung, S. 72).

Im 3. Kap. (C, S. 103-151) soll die Bedeutung des alttestamentlichen
Rechtfertigungsdenkens für die christliche
Theologie aufgewiesen werden. Das ist insofern ein bescheidener
Anspruch, als der Vf. nicht ausschließlich von
alttestamentlichen Voraussetzungen her Stellung bezieht;
vielmehr greift er auch mit neutestamentlichen und dogmatischen
Argumenten in die Diskussion ein. Er stellt sich in
diesem Kap. die beiden Themen: Verständnis der Wirklichkeit
und Bedeutung des Kreuzes. Unter dem ersten behan-

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 7