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Ausgabe: | 1973 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Sohn-Verhältnisses führe zu einer grundlegenden Wandlung
des auf bestimmten Projektionen aufgebauten Gotlesbildes,
die Krise der Autoritäten sei eine wesentliche Ursache für
die Krise der Kirchen.
Diese Hypothese sucht Faber aus empirischen Befunden
und literarischen Quellen zu belegen. Dabei wird zwar die
bekannte These gestützt, daß das Sohn-Vater-Verhältnis für
das Gottesverständnis bedeutsam ist, aber die viel weiterreichende
Behauptung, die Möglichkeit zu aktivem Widerstand
gegen die „väterliche" Autoritäl sei wichtigster Faktor
der Entkirchlichung (91), kann nicht als bewiesen gelten.
Auch die interessanten Ausführungen über das Verhältnis
von Unkirchlichkeit und Unglauben bei Szczesny, Sartre
u. a. überzeugen nicht. Insgesamt wird m. E. die Bedeutung
der patemalistischen Struktur gesellschaftlichen Lebens für
die Frömmigkeit überschätzt. Das gilt sicher für die Meinung,
' ist durch das Verschwinden dieser Struktur werde eine
Personabsierung des religiösen Lebens möglich.
Das umfangreichste Kapitel berichtet unter der Überschrift
. „Die neue Mentalität der Kirchen" über die „Gott-
ttt-tot-Theologie" und verwandte Tendenzen (■/.. Ii. J. A. T.
Robinson). Den deutschen Theologen wird eine überwiegend
konse n ative I Ealtung zugeschrieben, doch kommen R. Bultmann
und D. Solle ausführlich zu Wort. Die „neue Mentalität"
wird nach Fabers Meinung durch die amerikanischen „Goll-
ist-tot-Tbcologen" verkörpert, die angeblich den Weg in die
Zukunft markieren. Eine solche Einschätzung kann nicht
den Anspruch erheben, Ausdruck empirischer religionspsychologischer
Untersuchungen zu sein. Sicher trifft es zu,
daß eine weitgehende „Horizontalisierung" der Religion
(173) festzustellen ist. Daraus abzuleiten, eine atheistische
Iheologie sei die der „vaterlosen Gesellschaft" gemäße
Theologie der Zukunft, ist eine anfechtbare theologische
Stellungnahme, nicht aber eine Konsequenz aus empirischen
Befunden.
Erstaunlich ist die im Vorwort geäußerte Behauptung, die
Heligionspsychologie sei bisher als Wissenschaft noch nicht
in Erscheinung getreten und dieses Buch mache damit einen
Anfang. Es ist kaum denkbar, daß die empirischen religionspsychologischen
Untersuchungen von Starbuck, James,
Girgensohn, Gruehn u. a. dem Vf. nicht bekannt wurden.
Audi zur l nkirchlichkeit liegen empirisch fundierte Arbeiten
vor, z. B. die von G. Dehn über „Proletarische Jugend"
(1930). Sicher hat Faber bedenkenswerte Gesichtspunkte
zur Erklärung der Entkirchlichung genannt. Sie reichen
jedoch nicht aus. Sowohl die Befunde als auch die daraus
abzuleitenden Konsequenzen bedürfen weiterer Unter-
Suchung. Dazu will der Vf. anregen, und dafür ist ihm zu
danken.
Halle (Saale) Eberhard VVinkler
Bethge, Eberhard: Lob des Pfarramts. Zur Rolle des
kirclüichen Amtsträgers (PB1 113, 1973 S. 75-84).
Buße und Bußsakrament. Studientagung des Klerusverbandes
in St. Ottilien vom 17. bis 19. April 1972. St. Ottilien:
EOS Verlag der Erzabtei (1972). 98 S. 8°. Kart. DM 2,80.
Rampe, Johann Christoph: Versuch, das Heil miteinander
zu leben. Bericht von der „Integrierten Gemeinde" in
München (ZW 44, 1973 S. 15-26).
Langgärtner, Georg: Sündenvergebung — nur durch die
Kirche? Formen kirchlicher Sündenvergebung (ThGl 62,
1972 S. 416-426).
Lippert, Peter: Beligiöse Aufbrüche — Versuch einer
theologischen Deutung (TThZ 81, 1972 S. 356-370).
Nouwen, Henri J. M.: Pray to Live. Thomas Merton: A
Contemplative Crilic, übers, v. D. Schiaver. Notre Dame,
Indiana: Fides Publishers (1972). X, 157 S. 8°. $ 2,95.
Rahner, Karl: Kirchliche und außerkirchlichc Religiosität
(StZ 98, Bd. 191, 1973 S. 3-13).
Sommerauer. Adolf: Die Predigtnot und ihre Überwindung
(PB1 113, 1973 S. 139-142).
Wiedemann, Hans-Georg: „Meditation" im Beruf des
Pfarrers (DtPfrBl 72, 1972 S. 741-744).
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MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE
Günther, Wolfgang: Von Edinburgh nach Mexiko City. Die
ekklesiologischen Bemühungen der Weltmissionskonferenzen
(1910—1963). Stuttgart: Evang. Verlagswerk
[1970]. 279 S. 8 Taf. 8°. Kart. DM 14,80.
In dieser Erlanger Dissertation, die erfreulicherweise von
einem Kirchenhistoriker betreut wurde, geht es um eine
theologische Bestimmung des Verhältnisses von Mission
und Kirche.
Die lange Linie des Suchens und der Auseinandersetzung
wird verfolgt von den Anfängen der Missionsgcscllschal'lcu
innerhalb der Kirchen und oft. genug auch gegen die organisierte
Kirche bis zur Erkenntnis von der Identität von
Mission und Kirche. Eine Über- und Zusammenschau wird
möglieh, weil der Vf. das beachtliche Schrifttum zu den
großen Weltmissionskonferenzen in wohl vorbildlicher Weise
verarbeitet hat, von Edinburgh 1910 bis hin zu der Tagung
in Mexiko City 1963. Dabei wird auch die Atmosphäre und
die Zielsetzung der jeweiligen Konferenz ausführlich dargestellt
, so daß auch ein bisher mit dem Stoff nichl Vertrauter
ein gutes Bild gewinnen kann. Man müßte eine sehr
lange (und trotzdem ungenügende) Rezension schreiben,
wenn man das Auf und Ab und die ansteigende Vertiefung
der gesuchten Verhältnisbestimmung von Mission und Kirche
von Stufe zu Stufe erkennbar machen wollte. Die Leser,
und das werden neben den Missionswissenschaftlern vor
allem Syslematiker und Kirchenhistoriker sein, werden mit
Verwunderung die Nuancen im Verständnis der beiden
Größen verfolgen und sich zuweilen lächelnd auch darüber
verwundern, welcher Zeit und welcher theologischen Arbeit
und Literaturmengen es bedurfte, um zu einer Aussage zu
kommen, die ja doch von einer Kirche und ihren Theologen
sehr viel eher hätte erwartet werden sollen, und die einem
im kirchlichen Leben stehenden Laien reichlich selbstverständlich
vorkommen muß. Das gilt z. B. von der späten
Erkenntnis, die auf der Kanzel eher vorhanden war als in
der wissenschaftlichen Diskussion und in der Literatur, daß
die Mission der zentrale heilsgeschichtliche Sinn der Zeit
zwischen Himmelfahrt und der Wiederkunft des Herrn ist
(S. 89). Das gilt auch von der Späterkenntnis in der Formulierung
„Die Mission der Kirche" (S. 105), die bereits in den
Jahren 1936—1939 den Titel einer 12-Hefte-Reihe von
Missionsstunden abgegeben hat (Verlag Ungelenk in Dresden).
Es ist nun aber dankbar zu begrüßen, daß diese saubere
wissenschaftliche Bearbeitung vorliegt, welche die riesige
Stoffülle zusammenfaßt. Nach der Stofferhebung aus den
literarischen Niederschlägen der Stattgefundenen acht Welt-
missionskonferenzen bietet der Vf. ein erwünschtes, weil
das Ganze durcharbeitendes Schlußkapitel, in dem auch
Folgerungen für die Praxis gezogen werden (z. B.: Die
missionarische Dimension der Taufe und des Abendmahls,
S. 145—147). Bemerkenswert ist auch ein Eingehen auf die
Rede vom kosmischen Christus (S. 137 f), für das viele
Leser dankbar sein werden: „Mit dem Geschehen am Kreuz
gehören nicht alle Menschen eo ipso zur neuen Menschheit.
Die Annahme dieses Heilshandelns geschieht in und durch
den Glauben. Die neue Menschheit ist die Gemeinde der
Glaubenden" (S. 139). Der „Entscheidungscharakter des
Evangeliums", hei dem es „um Leben oder Tod geht",
wird klar herausgestellt (S. 142).
Ganze 117 Seiten waren nötig für ein Abkürzungsverzeichnis
(4 S.), für die riesige Zahl von Anmerkungen
(S. 159—248), ein Literatur- und ein Personenverzeichnis.
Acht Seiten bringen gute Photos, die freilich nicht der Zeit
nach geordnet sind, und von denen das Bild gegenüber
S. 33 Prof. Julius Richter falsch plaziert angibt.
Es tut dem Dank an den Vf. keinen Abbruch zu sagen,
daß man an einzelnen Stellen eine Diskussion anfangen
möchte. Das gilt von dem etwas zu allgemein gehaltenen
Urteil auf S. 4, die moderne Mission habe, fern allem Kirchen-
Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 6