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Ausgabe:

1973

Spalte:

464-466

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Taylor, Donald L.

Titel/Untertitel:

Die Ehe lernen 1973

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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463

sichten, die weit von einander abweichenden Praktiken, die
quer durch die einzelnen Denominationen Linien, werden
nur wie zufällig gestreift (etwa S. !(!) u.), ohne daß sieh
daraus für die Untersuchung irgendwelche Konsequenzen
ergeben. Daß im Kontext der weltweiten Klassenauseinandersetzung
die einzelnen Gruppen und Schichten innerhalb
der Kirchen sein' unterschiedlich reagieren, daß die
einen — mehr oder weniger bewußt — antiimperialistisch
bzw. prosozialistisch, die anderen dagegen — in allen nur
möglichen Abstufungen — antikommunistisch Partei ergreifen
, kommt bei Tilmann überhaupt nicht vor.

Während in Kambodscha systematisch ganze Landstriche
vernichtet werden, Bomben auf syrische und libanesische
Dörfer fallen, die Regierung der Unidad Populär in Chile
einen harten Abwehrkampf gegen die USA-ferngesteuerte
Reaktion zu führen hat, lesen wir bei T. vom Zerbrechen
der „weltanschaulichen .Säulen " „unter dem immer stärker
herausgestellten Werl der Einheil des Menschengeschlechts"
(S. 114).

Auf diesem Hintergrund wird die Fatalität des Tiluiann-
schen Unternehmens besonders deutlich: Damit auch anter
dem sieh ständig zugunsten des Sozialismus verändernden
Kräfteverhältnis in der Welt im Mick auf die Kirche das
Postulal der Achse, um die sieh letztlich alles dreht, aufrechl -
erhalten bleiben kann, müssen die entscheidenden gesellschaftliehen
Prozesse von einem geheimnisvollen religiösen
Schimmer umgeben werden, wird von dem ,,in seiner Bedeutung
wachsenden Phänomen der außerkirchlichen Religiosität
" gesprochen (S. 54; vgl. S. 89f u. S. 117!), von
einer „Gegenbewegung gegen di.....ttfremdete technokratische
Vernunft, die den Menschen Sachgesetzen unterwirft
" (S. 19). .,Menschliche Selbsterkenntnis und göttliche
Manifestation nähern sich" nach Meinung des Autors ,,in
der Art östlicher Religionen an, und die Aufklärung beginnt
religiöse Themen anzuschlagen" (eh.).

Mit 1 lilfe einer derartigen Sicht erhallen die verschiedenen
Denominationen die große Chance, ihren ..Marktwert aufzubessern
und im harten Konkurrenzkampf mit ähnlich
gelagerten Institutionen ihr Existenzrecht erneut zu behaupten
: denn sie allein wissen um das „in seiner Bedeutung
wachsende Phänomen der außerkirchlichen Religiosität
" (vgl. S. 73, wo T. von „einer Art Marktsituation"

zwischen der Kirche und der neuen, von ihm postulierten.
Privatreligion sprechen kann. ..in der alle Hegeln der Werbung
und Konkurrenz gelten"!).

Theologie tritt hier in soziologischer Verkleidung auf, um
nach allen Seiten gesichert zu sein. Befragt auf die Parteinahme
in der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und
Imperialismus, kann man darauf verweisen, daß man Theologe
sei und als solcher Antizipator der einen Menschheit
(vgl. bes. S. 117f!). Angesprochen auf die theologische
Konzeption, die in dieser Untersuchung zum Ausdruck
kommt, kann man geltend machen, daß es sich hier um
eine ausschließlich beschreibende, soziologische Studie
handele, die als solche ..nicht lein theologisch" sein könne.
Wobei wir gesteben müssen, daß wir mit der Etiketlierung:
,,nicht rein theologisch" rein gar nichts anzufangen wissen!
Sehr viel weiter bringt, uns dagegen die Bemerkung des
Autors gegen Ende seines Buches, mit der er seine eigenen
Ergebnisse relativiert, daß es „vorwiegend eine Angelegenheit
der methodischen Vorentscheidung" sei, „mit welchen
Kurzformeln man den SOzio-religiÖSen Wandel unserer Tage
belegt" (S. 130).

In der Tat, auch diese Untersuchung ist in ihrem Gesamtgefälle
von einer Vorentscheidung bestimmt, wenn auch
nicht von einer solchen bloß methodischer Art. Hier bandelt
es sich um inhaltliche, theologische Vorentscheidungen, die
das Gesicht der Arbeit prägen. Für Tilmann konzentriert
sich alles auf den Nachweis des Existenzrechtes und des
Stellenwertes der Kirche im Koordinatensystem der Welt.

Und «eil dieser .Nachweis nur auf die Weise erbracht
«erden kann, daß man die Gesellschaft mitsamt der Kirc he

46'.

unter den Oberbegriff der Religion subsumiert, muß nun
die Soziologie dazu herhalten, die gegenwärtige politische
Landschaft religiös umzuinterpretieren, Das führt theologisch
dazu, daß in diesem Rahmen nicht von der Kirche
dessen die Rede sein kann, für den sich ..kein Raum in der
Herberge" findet. Das hat politisch zum Ergebnis: eine
weitere Spielart der sattsam bekannten Konvergenztheorie
.

Berlin Carl-.liirgeu Kaltenborn

liossc. Hans: Marx—Weber—Troeltsch. Religionssoziologie
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ETHIK

Taylor. Donald I..: Die Ehe lernen. Aspekte und Dimensionen
der Ehe und Eheberatung. Aus dem Amerikanischen
übersetzt von M. Florcs d'Arcais und bearb. von W. Wydler.
Mit einem Vorwort von L. Loeffler. Freiburg i. Hr.: Lamberti
«-Verlag [1971]. 220 S. 8°.

„Marriage Counseling. New Dimensions in the Art of
Helping People" ist der Originaltitel des 1965 in den I S l
erschienenen Hucbes aus der Hand eines Eheberaters und
Soziologie-Professors.

Dreierlei zeichnet dieses Buch aus: erstens die geglückte
Verknüpfung von Erfahrungsberichten und (knappen) Falldarstellungen
mit grundlegenden Erörterungen; zweitens
die Voraussetzung, Ehe als eine Beziehungsgeschiehte zu
verstehen, in der die Partner voneinander und füreinander
lernen und also sieh entwickeln und ändern können: drittens

die Darstellung der Beratungsmethode beider Ehepartner
durch einen Berater.

Das in neun Kapitel eingeteilte Buch gehl zuerst den
Problemen heutiger Eheberatung nach (I —IV). Zweierlei

Theologische Literalurzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. Ii