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Ausgabe:

1973

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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des Corpus Catholicorum von G. Pfeilschifter. Bd. III:
1538-1548, i. Teil. Regensburg: Pustet 1968. XXIII,
546 S. gr. 8°. Lw. DM 88,-.

Neben die Nuntiaturberichte aus Deutschland, in denen
die päpstliche Politik während des 16. Jahrhunderts evident
wird, und die Deutschen Reichstapsakten, die mit Recht als
Leitfaden zur allgemeinen Reformationsgeschichte gelten
können, treten nun als weitere wichtige Quellensainmlung
die Acta reformationis catholicae. Anhand dieser Dokumente
will der Herausgeber, der Kirchenhistoriker Georg Pfeilschifter
, verdeutlichen, welche Reformbestrehungen der
deutsche Episkopal und die altgläubigen weltlichen Fürsten
un Zeitalter der Glaubensspaltung unternommen haben, um
dadurch die bis in die jüngste Zeit immer wieder aufgestellte
Behauptung zu widerlegen, daß der deutsche Episkopat
hinsichtlich der Religionsfrage versagt habe, und auch die
mannigfaltigen Ansätze einer katholischen Reform evident
machen.

Der hier zur Rezension vorliegende III. Rand der Acta
reformationis catholicae enthält Quellcnmaterial aus den
Jahren 1538 bis 1548: er umfaßt also einen Zeitraum, der
einerseits von der kaiserlichen Unionspolitik, andererseits
Von der wachsenden Opposition der katholisch gebliebenen
Reichsstände gegen die Konzcssionen Karls V. gegenüber
den Protestanten bestimmt gewesen ist. Die edierten Quellen
(Briefe. Protokolle, Instruktionen, Memoranden, Denkschriften
, Demarchen, Erklärungen, Anträge, Gesuche,
Präsidialprolokolle. Diarien, Gutachten, Rerichte usw.) gewahr
en einen Hinblick in die Bemühungen des Kaisers,
durch Religionsgespräche doch noch die Parteien wieder zu
Vereinigen. Die altgläubigen Reichsstände, denen diese Bestrebungen
jedoch immer unverständlicher wurden, bemüh-
1111 Bich darum, diese zu limitieren oder sogar zu unterHufen
, So wird die schwierige Situation Karls V. deutlich,
der trotz aller Widerstände immer wieder auf Wiederaufnahme
und Fortführung insistierte. Allerdings beschränkten
sich die katholischen Reichsstände keineswegs auf eine bloße
Opposition, sondern arbeiteten ihrerseits selbst Reform-
Vorschläge aus und verfaßten Denkschriften. Jedoch sind
die meisten nicht wirksam geworden oder sind — z. T. infolge
d es ständig größer werdenden Gegensatzes zwischen
i.weltlichem" und ,,geistlichem" — vom Mißerfolg begleitet
gewesen. Auch wird erschreckend deutlich, daß man das
eigentliche Anliegen der Reformation in seiner Tiefe nicht
erfaßt hat.

Das Material gibt einen Eindruck von den räumlich weit
ausgreifenden Bemühungen der altgläubigen Reichsständc.
Auffallend ist jedoch, daß die Quellen nahezu ausschließlich
uus österreichischen sowie süd- und westdeutschen Archiven
stammen; dagegen sind andere Archive nahezu völlig unberücksichtigt
geblieben. So hätten, um nur ein Beispiel
anzuführen, die Acta capituli Wratislaviensis gewichtiges
•Material für die damaligen Reformbestrebungen der Altgläubigen
liefern können.

Leider hat es Georg Pfeilschifter in diesem Band versäumt
, auf seine Editionsgrundsätze, die er im ersten Rand
(S. XIII) dargelegt hat, hinzuweisen. Zu bedauern ist, daß
hei einer so gewichtigen Quellensammlung dem sprachgeschichtlichen
Aspekt wiederum so geringe Aufmerksamkeit
gewidmet worden ist. Sicherlich wären die Texte gerade
auch für Germanisten von großem Interesse gewesen. Wohl
mit Recht sind die Dokumente nicht immer vollständig
wiedergegeben worden. Die Auslassungen sind vom Herausgeber
gekennzeichnet und ihr Inhalt meistens als Regest
Wiedergegeben. Jedoch wäre es in. E. wohl angebracht gewesen
, jeweils anzumerken, ob es sich hierbei um kleinere
°der umfangreichere Passagen handelt. Störend wird es aber
empfunden, daß die Texte relativ häufig durch Sach-
erklärungen und durch Verweise unterbrochen werden (z. B.
Wird auf Seite 221 vermerkt, daß es sich bei den erwähnten
christliche n Kurfürsten um katholische handelt; hier wird

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auch auf Literatur hingewiesen). Sacherklärungen und
Literaturverweise gehören nach Auffassung des Rezensenten
grundsätzlich in den Apparat. Im Gegensatz dazu isl zu
fragen, ob es nicht angebracht gewesen wäre, im Text oder
in den Anmerkungen, gew isse heute veraltete Wortbildungen
zu erklären, zumal nicht jederzeit das Grimmsche Deutsche
Wörterbuch oder ein Glossar zur Hand isl. So wird wohl,
um nur einige Beispiele aus den so bedeutenden Dokumenten
zum Wormser Gespräch (Nr. 99) anzuführen, ein
Benutzer, der nicht mit der frühneuhochdeutschen Sprache
vertraut ist, kaum wissen, daß mit ,,ehchafften" (Seite 226,
Zeile 32) triftige Gründe gemeint sind. Ob auch solche Wortbildungen
wie ,,urbuttig" = ehrerbietig (Seite 261, Zeile 42)
hätten erklärt werden sollen, ist zu fragen. Die Interpunktion
isl im allgemeinen, wenn auch nicht immer
konsequent (z. B. Seile 37. Zeile 5), an die gegenwärtig
geltende angeglichen worden, was die Benutzung des Quellen-
werkes für Nicht-Fachleute erschwert.

Sehr zu begrüßen ist es, daß der Herausgeber die Dokumente
mit einem z. T. umfangreichen Apparat, der sich vor
allem auf historische Sachfragen bezieht, versehen hat.
Allerdings sind ihm hierbei gelegentlich Ungenauigkeiten
unterlaufen. So werden auf Seite 309 Anmerkung 385 Karlstadt
, Zwingli. Oekolampad, Schwenckfeld als Feinde der
Eucharistie bezeichnet. Sie opponierten zwar gegen das
Meßopfer, aber nicht gegen das Sakrament des Altars
schlechthin.

Dankbar wird der Benutzer dieses Quellenwerkes für das
Register sein. Jedoch wäre es wünschenswert gewesen, daß
das Namens- und Ortsverzeichnis sowie das Sach- bzw.
Stichwortregister nicht zusammen, sondern getrennt ausgeworfen
worden wären. Hinsichtlich letzteren hätte es der
Rezensent sehr begrüßt, wenn mehr Stichworte aufgenommen
worden wären. Bei der Durchsicht des Personeh-
verzeichnisses ist aufgefallen, daß gelegentlich Ungenauigkeiten
unterlaufen sind. So war z. B. Andreas Oslander
nicht Doktor der Theologie, was er allerdings sehr gern
gewesen wäre; Heinrich Bullinger kann nicht ohne weiteres
als Nachfolger Zwingiis bezeichnet werden, da dieses nur
hinsichtlich der Kirchenleitung, nicht aber der Professur

zutrifft. Bei anderen Personen fehlen die Vornamen und
sind somit unzureichend verifiziert, beispielsweise der
bayerische Rat Volkhamer.

Diese kritischen Anmerkungen sollen jedoch den großen
Wert dieser Qucllcnsammlung keineswegs schmälern. Für
eine künftige Beschäftigung mit der Zeit der Glaubcns-
■paltung wird sie unentbehrlich sein. Eindrücklich zeigt sie,
welchen Widerstand die katholischen Reichsstände gegenüber
den Neugläubigen geleistet und welche Reforinvor-
schlägc sie gemacht haben. Allerdings wird auch deutlieh,
wie allmählich, jedoch unaufhaltsam, das weltliche Regimen
! über das geistliche dominierte.

Erlangen H. Wcijjelt

Beumer, Johannes: Die deutsche Messe Martin Luthers und

ihre Weiterentwicklung im Verlauf des 16. Jahrhunderts

(ThGl 62, 1972 S. 339-354).
—, Der Minorit Thomas Murner und seine Polemik gegen die

deutsche Messe Luthers (FS 54, 1972 S. 192-196).
Green, Lowell C: Justifieation in Luther's Preaching ou

Luke 18, 9-14 (Concordia Thcological Montbly 43, 1972

S. 732-747).

Kottmnn, Karl A.: Fray Luis de Leon, O. S. A.: Notebook
on the Promises of the Old Law (Augustiniana 22, 1972
S. 583-610).

Maron, Gottfried : Thomas Müntzer als Theologe des Gerichts
(ZKG 83, 1972 S. 195-225).

Midali, Mario: Rivclazione, Chiesa, Scrittura e Tradizione
alla IV Sessione del Concilio di Trento (Salesianum 34
1972 S. 607-651).

Walton, Robert C.: The Institutionalization of the Reformation
at Zürich (Zwingliana XIII, 1972 S. 497 — 515).

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 6