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Ausgabe:

1973

Spalte:

448-450

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

1538 bis 1548 : 1 1973

Rezensent:

Weigelt, Horst

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zeichnis enthält manche Ungenauigkcilcn und Lücken. Bei
Wilhelm von Ockham soll wenigstens ergänzt werden, daß
die „Summa totius logicae" seit 1951 in St. Bonaventura
(Ne w York) erscheint, wo seit 1967 die „Opera philosophiea
et theologica" Ockhams herausgebracht werden (vgl. ThLZ
97, 1972 Sp. 922).

Diese Einwände sollen nicht vergessen lassen, daß die vorliegende
Arbeit eine fruchtbare Anwendung der neueren
Ockhamforschung auf Biel bringt, die im Rahmen des Behandelten
eine gute Information über diesen Spätscholastiker
bietet.

Leipzig Helmar .1 unglians

Luther, Martin: Werke. Kritische Gesamtausgabe. 30. Bd.,
III. Abt. Revisionsnachtraa. Weimar: Böhlau 1970. 156 S.
4°. M 28,-.

Nach den Revisionsnachträgen zu WA 33, 32 und 30 II
legt die Berliner Arbeitsgruppe Weimarer Lutherausgabe an
der Deutschen Akademie der Wissenschaften ihre vierte
Rcvisionslieferung vor. Sie wurde erstellt und herausgegeben
von Herrn Dr. II. U. Delhis. Seine Arbeit wurde unterstützt
von Herrn Dipl.-Thcol. S. Mühlmann, der vor allem juristische
Erläuterungen sowie das Wortregister beisteuerte,
und von Herrn Dr. J. Schildt, der wie bisher die germanistischen
Bemerkungen überprüfte. Der RN 30 ITT kommentiert
auf 156 S. 590 S. WA-Text. Gemäß den im RN 33,
VII — XI aufgestellten Grundsätzen werden wiederum die
von der WA benutzten Lutherdrucke überprüft, korrigiert
und nach Benzing registriert. Dazu wird vorhandenes oder
wiederaufgefundenes Handschriftenmatcrial z. T. neu
kollationiert oder auch anderes, bisher nur teilweise von
der WA gedrucktes Material im Wortlaut wiedergegeben.
So bietet RN 30 III; 18, 1-22, 26 zu den .Schwabachcr
Artikeln' die Heilbronner HS, die authentischer ist als die
Straßburger, Ulmer und Ansbacher Handschriften, auf denen
der jetzige WA-Text fußt. Die Heilbronner HS wird außerdem
kollationiert mit der von Dr. W. Korndörfer wiederaufgefundenen
Windsheimer HS, die wie die Heilbronner IIS
eine beglaubigte Abschrift des Originaltextes darstellt. Zum
,Marburger Religionsgespräch' bietet der RN 30 III als
Ersatz für 30 III; 153, 36 bis 154, 38 zwei deutsche (in
dieser Rezension nicht mit ihren Quellen verglichene) Brenz-
Texte, und zwar dessen Bericht über das Marburger Rc-
ligionsgespräch an ,Anton Lebküchner' (RN 30 III; 35 ff.)
und dessen Aufzeichnung ,Grundt der heiligen geschrift'
(RN 30 [II; 37 ff.).

Wie in den bisherigen RN werden auch jetzt wieder inzwischen
zu den verschiedenen Texten erzielte Forschungsergebnisse
in den Kommentar aufgenommen. Erwähnt sei
hier z. B. die Aufnahme der Forschungen von W. Köhler
zum Marburger Beligionsgespräeh (Das Marburger Religions-
gespräch 1529. Versuch einer Rekonstruktion. SVRG 148.
1929; Zwingli und Luther. Bd. I, 1924, Bd. II, 1953. QFRG
6 u. 7).

Da WA 30 III vor allem deutsche Texte .aus der Zeit um
den Augsburger Reichstag 1529—1532 enthält, liegt das
Schwergewicht des Kommentars vor allem auf den germanistischen
Worterklärungen. Diese bieten eine überaus wertvolle
Verstehenshilfe. Doch fragt sich der Leser hier und da,
ob manches nicht unter Voraussetzung bekannter Hilfsmittel
(wie z. B. DWB, Lexer, Götze, Dietz u. a.) hätte
kürzer gesagt oder übersprungen werden können. Doch wird
die Entscheidung darüber im einzelnen sehr schwierig sein.
So hätte man zu einem Wort wie ,Kandt' (133,5) oder zu
Verbreitung und Gebrauch des Wortes ,Nachnennent' (140,3),
das Zwingli als deutsches Äquivalent für ,metonymia' einführt
, gern entsprechende Hinweise. Fraglich ist, ob die auch
von W. Köhler (Religionsgespräch, S. 10 Anm. 1) gebotene
Erklärung des Wortes ,thürren' (114,5) durch ,teueren' zutrifft
. Wie RN 30 III zu 114,5 zeigt, ist diese Deutung

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sprachlich durchaus möglich, doch isi von der Beobachtung
her, daß Luther die Abendmahlsworte oft als .dürre' Worte
bezeichnet (vgl. z. B. WA 23; 167, 15 219, 12 223, 16.36
237,6 241,10 u. a.), zu vermuten, daß ,thürren' hier soviel
wie ,dürren' im Sinne von ,einfach, klar' bedeutet (zu dieser
sprachlichen Möglichkeit vgl. auch Voc. theut. 1482 Ii Ii l>3;
DWB II, 1735 u. auch Dietz, 427 f Nr. 2b). Diese Beobachtungen
berühren jedoch in keiner Weise den Nutzen und
die Brauchbarkeit der im BN 30 III dargebotenen germanistischen
Worterkläi n Ilgen, sondern sollen nur aufzeigen,
vor welchen Problemen ein RN zu Luthers deutschen
Schriften steht und wie wichtig hier ein guter Kommentar
ist. Neben juristischen Sacherklärungen, z. B. zu den Reichs-
tagsbeschlüssen, zu von Luther berührten eherechtliche'i
Fragen u. a. nehmen die theologischen Sacherklärungen
gegenüber den bisherigen RN einen breiteren Baum ein.
Dabei wahrt der RN 30 III in seiner knappen Diktion die
Grenze zwischen äußerer, kontrollierbarer Information und
der darüber hinaus gehenden, die Subjektivität, stärker
implizierenden Interpretation. Doch sollte man im Bereich
der ersteren möglicherweise doch noch etwas weitergehen.
So wünschte man sich z. B. zu 88,23ff. entsprechende
sachliche Parallelen zum Thema ,Wort und Geist' bei Luther
(vgl. ■/.. B. 30 III; 104,15ff. im direkten Zusammenhang
mit Zwingli oder 18; 137,llff. in Auseinandersetzung mit
Karlstadt und der mystischen Konzeption) und möglicherweise
einige Bemerkungen zum Problem des Spiritualismus.
Zur Frage nach dem Verhältnis von ,Wort und Element'
in Luthers Sakramentsverständnis 89,2ff. bieten sieb als
nächste Parallelen z. B. 30 I; 213,28ff u. 255.2011. Zu
119,2 wünschte man sieh im Anschluß an Bückert (zit. I 13,20 |
128,15) eine Erklärung des für die gesamte Abendmahlsdebatte
zentralen tropus-Begriffes und zu 121,2ff eine
Zitierung der im Hintergrund der Debatte stehenden Sakramentsformel
Augustins (Tract. in Joan. 80,3; CChr 36,529,
4 — 12. Vgl. 30 III; 121 Anm. 1), woraus hervorginge, wie
sehr Zwingiis Argumentation in Marburg von Augustin und
der von ihm bestimmten mittelalterlichen Signifikationshermeneutik
abhängig ist. Zum Thema .Schrift und Tradition
' sollte man in 129,3 über Altbaus hinaus auch aul
die Arbeiten von Heißer, Kbeling und Rudolf Hermann verweisen
. Bei Luther seihst bietet 7; 95,10—101,9 eine
wichtige sachliche Parallele. Zu 356,2 ff/22 ff wären ein
Hinweis auf Luthers Kritik des römischen Meßverständ-
nisses und zu 359,8ff/26ff 363,lff/19 ff einige Bemerkungen
zur Debatte um das liberum arbitrium hilfreich
gewesen. Im Anschluß an Maurer (zit. 85) hätte der Vergleich
der ,Schwabacher Artikel' mit Luthers Schrift ,Voni
Abendmahl Christi, Bekenntnis' (1528) und Melanchthons
,Unterricht der Visitaloren' (1528) noch etwas genauer ausfallen
können, um die Genesis der ,Schwabacher Artikel"
noch klarer herauszustellen.

Auch diese Hinweise vermögen den Reichtum des im RN
30 III Gebotenen lediglich ein wenig zu ergänzen. Der RN
30 III bringt im ganzen sehr gute und hinreichende Sacherklärungen
und wird jedem an WA 30 III arbeitenden
Wissenschaftler eine wertvolle und unentbehrliche Hilfe
sein. Nochmals hervorgehoben sei, daß jene in einer knappen
und klaren Diktion dargeboten werden.

Zum Schluß sei noch festgestellt, daß eine Ergänzung
des 139ff gebotenen Registers der deutschen Worterklärungen
durch ein solches der Sacherklärungen wünschenswert
gewesen wäre, um die Fülle der Informationen von
RN 30 III noch besser zu erschließen.

Tübingen K. II. zur Mühlen

Acta reformationis catholicae ecclesiam Germaniae concer-
nentia saeculi XVI. Die Reformverbandlungen des
deutschen Episkopats von 1520—1570. Hrsg. im Auftrag
und mit Unterstützung der Gesellschaft zur Herausgabe

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 6