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Ausgabe:

1973

Spalte:

19-21

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Liedke, Gerhard

Titel/Untertitel:

Gestalt und Bezeichnung alttestamentlicher Rechtssätze 1973

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Ii»

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 1

20

antworteten die Jünger und sagten: „Ja, (15) wahrhaftig! Das
soll getan werden."

Sie warfen sich zu Boden und hetetcn ihn an. Er ließ sie aufstehen
und schied von ihnen in Frieden. Amen.

* Federführend für diese, Schrift: Hans-Martin Schenke.

1 Tho Facsimile Edition of the Nag Hammadi Codices,
publiahed under the auspices of the Department of Antiquities
of the Arab Republic of Egypt in conjunction with the
UNESCO, Codex VT, Leiden: Brill 1972.

ALTES TESTAMENT

l.iedke, Gerhard: Gestalt und Bezeichnung altleslanieiillicher

Rechtssätze. Eine formgeschichtlich-terminologische Studie.
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins
[1971]. 234 S. gr. 8° = Wissenschaft). Monographien
zum Alten und Neuen Testament, in Verb. m. F.Hahn u.
O.H.Steok hrsg. v. G. Bornkamm u. G.v.Rad, 39. Lw.
DM 36,—.

Unter den zahlreichen in den letzten Jahren erschienenen
Monographien über das Gebiet des israelitischen
Rechts geht auch die vorliegende Arbeit von A.Alts klassischer
Unterscheidung zwischen apodiktischem und kasuistischem
Recht aus. Das kasuistische Recht als eine
verbreitete altorientalische Form scheint dabei keine besonderen
Probleme zu bieten (vgl. 20); für das „apodiktische
Recht" hat sich dagegen neuerdings die Erkenntnis
weithin durchgesetzt, daß Alt hier zwei eigentlich
weit auseinanderbiegende Formen in eins gesetzt bat:
a) die Prohibitive in der 2.pers. sg., b) die Sätze in 3.pers.
mit partizipialem Subjekt in der Fluchform Ciuk) oder
mit der Tatfolgeangabe tot nn (vgl. 101 ff.). Die Eigentümlichkeit
der Untersuchung Liedkes liegt jedoch teilweise
in einer Art von Rückgang über Alt hinaus zu den
ersten gattungskritischen Arbeiten wie den von A. Jepsen
und A. Jirku1, die für die verschiedenen Rechtsgattungen
auch entsprechende hebräische Bezeichnungen als termini
technici in den Texten finden wollten, was man seit Alt
weithin als unmöglich aufgegeben hatte. Die Gliederung
zeigt die charakteristische Doppelung von gattungskritischer
Abhandlung und Wortuntersuchung: Auf die Behandlung
der Form des kasuistischen Rechtssatzes (Teil I.
19-61) folgen Ausführungen zur Bedeutung von obo und
oorö (Teil II, 62-100), auf den anschließenden Abschnitt
über den apodiktischen Rechtssatz (Teil III, 101-153) eine
Untersuchung der Bedeutung von vm und pn/njn (Teil IV,
154-186); in owfe wird der terminus technicus für den kasuistischen
, in P" der für den apodiktischen Kechtssatz
gefunden. Anhangsweise werden schließlich noch nn">
und nun behandelt (187-20U).

Wer geglaubt hat, auf einem so oft durchgepf lügten Feld
seien keine neuen Früchte mehr zu ernten, wird in der
Arbeit eines besseren belehrt. Ihr reicher Inhalt ist schwer
in wenigen Sätzen wiederzugeben. Ein besonderes Interesse
gewinnen die Untersuchungen über den kasuistischen
und den apodiktischen Rechtssat/, durch die Auswertung
grammatisch-syntaktischer Beobachtungen, vor allem
durch die erstmalige Anwendung der sog. „lex Rößlcr"2
auf die sprachliche Gestalt der Rechtssätze. In Wiederaufnahme
alter Beobachtungen Jepsens wird zu den kasuistischen
Sätzen gezeigt, daß in den Nachsätzen überall
„heischendes Präsenz" vorliegt, wobei sich x-yiqtol und
qatal-x entsprechen (36f.), während die Tatbestandsschilderungen
der Vordersätze fast immer yiqtol-x aufweisen
(38). Die gleiche Erklärung als x-yiqtol macht nun
aber auch die berühmte Rechtsfolgeformulierung nov nw
in ihrer besonderen Form begreifbar: der inf. abs. sichert
lediglich die syntaktische Position des imperf., so daß der

erste Kindnick besonderer „Apodiktik" täuscht (53.
I17f.),

Zu den kasuistischen Bechtesätzen wird die bedenkens-
werte These vertreten, daß die Entscheidungen der Ortsgerichtsbarkeit
nur als Urtcilsvoi schlage zu verstehen
sind, die erst durch die Annahme von seilen der Parteien
Rechtskraft erlangen (39ff., vgl. bes. 52). Demgegenüber
wird das apodiktische Recht als autoritatives Recht verstanden
; im üb ist der * , das Sippenobcrhaupt, die
machthabende Autorität (120ff.). Wichtig ist, daß parti-
zipiale und Relativsätze im apodiktischen Recht zusammengehören
(116); der apodiktische Satz, von einer obersten
Autorität gesprochen, umschreibt die Grenzen, die
den Untergebenen gesetzt ist (138). Die Ablösung von der
konkreten Situation macht auch aus dem apodiktischen
Satz einen Präzedenzfall (139), so daß die spätere Zu-
sammenordnung mit kasuistischen Sätzen verständlich
ist (142f.). Sowohl die kultische Herkunft der Todes-
folgebestimmung3 wie ihr ursprünglicher Fluchcharakter
wird abgelehnt.

In den Wortuntersuchungen ist für das Vcrbum «n
die große Bedeutungsbreite charakteristisch (02 ff.). Das
Nomen owfo mit der Grundbedeutung „Bereich" (73ff.)
weist in die Richtung: heilvolle (oft») Ordnung; trotzdem
ist die forensische Seite des Begriffes nicht ausgeschlossen,
was einen Ausblick auf das Ineinander von Rechte- und
Tatsphäredenken möglich macht (98ff.). Die Parallele
zu rrx/nm erscheint hier wichtig (77). Aus der Anwendung
des Begriffes für Urteil und Urteilsvorschlag ergibt sich
die Bedeutung als Bezeichnung des kasuistischen Rcchts-
satzes überhaupt (94ff.). Bei ?n folgert aus der einen der
beiden übertragenen Bedeutungen des Vcrbum.s ppfl
„festsetzen, bestimmen" der Hauptsinn: festgesetzte
Grenze, autoritative Ordnung (154ff.). Das erlaubt, obwohl
der Vf. zugeben muß, daß sich diese These nicht
exakt beweisen läßt (177), die Behauptung Pn sei die Bezeichnung
für den apodiktischen Ilccntssatz.

Während der Nachweis, daß dkto einen Bereich bezeichnet
, vor dem Hintergrund von oiW und put/np-u: überzeugend
und von großer Bedeutung ist, spürt man in den
Versuchen, owrä und ?n als termini technici für die beiden
Hauptgattungen der Rechtssätze nachzuweisen, zu stark
die Neigung des Vf.s zu etwas hypothetischen Konstruktionen
. Kritisch wird man etwa die Abweisung der Bedeutungsmöglichkeit
von als „richterliche Entscheidung
" (Stellen: 177, A.2) durch so unsichere Deutungen
wie die von Hi.23,14 pn ~ „Lebenszeit" (167) u.a. beurteilen
. In den grammatischen Untersuchungen wirkt
sich die konstruktive Begabung des Vf.s umgekehrt als
Stärke aus. Eine Gefahr liegt jedoch in der Übcrbetonunp
der äußeren Form. Ein wichtiges Bedenken hat hier seine
Ursache: schon in der anfangs gebotenen Liste sämtliche)
kasuist ischer Sätze des AT (20ff.) werden unterschiedslos
auch die formal gleich aufgebauten, in Inhalt und Sitz im
Leben jedoch grundverschiedenen Sätze aus dem Bereich
der priesterlichen Thora mit aufgefühit (entsprechend
auch in der „apodiktischen" Liste, llOff.) und diese
Grenze auch künftig völlig verwischt. „Man wird bei der
Bestimmung einer Form aber stets inhaltliche und formale
Gleichgestaltung zum gemeinsamen Sitz im Leben
hinzunehmen müssen'(126, A.2) 1 Thora und kasuistisches
Recht sind etwas Grundverschiedenes; das Verhältnis
zwischen beiden Gattungen verdiente angesichts ihrer
formalen Verwandtschaft in der Tat eine genauere Untersuchung
, wobei die Frage nach dem Sitz im Leben beider
Gattungen entscheidend wäre. Kritisch ist der Rezensent
auch gegen die (seit Gerstenbeiger) fortgeerbte Entgegensetzung
zwischen kultischem Recht und Sippenrecht. „Da
die Familie Kultgemeinschaft ist" (139, A.2), wäre die
Beziehung der apodiktischen Sätze zum Kult schon auf
dieser Ebene neu zu prüfen und zu fragen, ob der Befund