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Ausgabe:

1973

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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383

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 5

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tertreibung, Eristik, distanzierte Authentität, Absurdität und
Zynismus. Die Verwendbarkeit dieser Mittel für die Verkündigung
wird geprüft. Da die Kommunikationsform durch den
Mitteilungsinhalt bedingt ist, sind Sprachformen, mit denen
Autoren destruktive Absichten verwirklichen, als Träger der
Verkündigung bis in diese Komponente hinein auszuweiten,
frage, was für Ausdrucksmittel er empfiehlt, um zu größerer
Mitteilungsbreite in einer Verkündigung zu kommen, die
„ . . . mehr geben will als Information, nämlich Wahrheit,
Zeugnis, Bekenntnis" (S. 13). Die Frage, worin dieses „mehr"
besteht, wird theologisch und ethisch, nicht aber kommunikationspsychologisch
beantwortet. Richtungweisend ist die
Predigt Jesu. In dem Herrenwort »Sehet die Vögel unter dem
Himmel" sieht der Vf. eine meditative Sprachform, erfaßt
aber nicht die mitteilungsintensive visuelle Komponente.
Möglichkeiten, die Kommunikationsbreite einer zeitgemäßen
Verkündgung bis in diese Komponente hinein auszuweiten,
bleiben außerhalb des Blickfeldes, und der Vf. entschuldigt
beobachtete Fehlleistungen in Versuchen von Fernsehverkündigung
mit einem Hinweis auf die fragwürdige Übersetzung
von Rom 10,17, die besagt, daß der Glaube aus dem
Hören komme (S. 12). Im zweiten Kapitel untersucht Herbert
Breit die Predigt im Blickfeld der Rezipientenforschung. Zutreffend
ist die Beobachtung, daß in der Homiletik die theologische
Begründung, warum man die Hörer in die homiletische
Überlegung einbeziehen müsse, gegenüber der Einbeziehung
selbst dominiert (S. 28f). B. sucht die Gründe hierfür
und findet vier Ursachen, die im theologischen Bereich
liegen. Die methodischen Schwierigkeiten einer empirischen
Rezeptionsforschung der Predigt werden jedoch nicht behandelt
. Der Leser erfährt nichts über Bemühungen, gegenstandseigene
Methoden homiletischer Resonanzforschung zu
entwickeln. Sämtliche seit 1961 in der Evangelischen Verlagsanstalt
Berlin veröffentlichten Beiträge zum Kontakt und zur
Kommunikation der Predigt bleiben unerwähnt. B. berichtet
lediglich über einige Erlebnisse aus anderen Gebieten der
Kommunikationsforschung. Etwas eingehender erörtert werden
Möglichkeiten einer Beeinflussung durch die Umwelt,
wie sie in den Bereich soziologischer Untersuchungen fallen.
Dagegen treten psychologische Aspekte von grundlegender
Bedeutung wie Persönlichkeit, Motivation und semantische
Strukturierung nur am Rande ins Blickfeld.

Der biblischen Predigt gelten zwei Beiträge. Harald Hegermann
untersucht die Stellung des Apostels Paulus zur Rhetorik
und zeigt, wie der Heidenmissionar die rhetorische
Sprachmacht in einer dem Evangelium dienenden Funktion
einsetzt. Jürgen Roloff versucht, Verkündigungsakzente herauszuarbeiten
, die dem Hebräerbrief eigen sind. Einen spezifischen
Akzent findet er z. B. in dem kleinen Gleichnis des
Hebräerbriefs (6,7f) von der Erde, die den Regen getrunken
hat, der häufig auf sie niedergefallen ist: „Es (d. h. dieses
Gleichnis) stellt nämlich nicht Saat und Ernte als Anfangsund
Endzustand einander gegenüber, sondern hat seine Spitze
in einer Aussage über das, was der Acker während der
Zeit des Wachstums vor der Ernte empfängt" (S. 85). Mehr
Material zur Kommunikation der biblischen Predigt als die
beiden Aufsätze von Hegermann und Roloff hätten Beiträge
zum Fragenkreis der prophetischen Verkündigung mit ihren
Symbolhandlungen und zur Predigt Jesu erbracht. Um eine
systematische Analyse der Kommunikation im Verkündigungsakt
bemüht sich Jörg Baur. Untersucht werden verschiedene
Modelle vorgegebener Vermittlungsprozesse sowie
Impulsarten der Mitteilung. Die Seite des Empfangs sieht B.
unter dem Aspekt der Bewältigung. Der dynamische Charakter
der Begegnung mit dem Wort wird stark herausgearbeitet
. B. sieht die psychischen Widerstände, die beim Hören
der Predigt wirksam sind, erfaßt diese Widerstände aber
mehr in der Terminologie theologischer Erbaulichkeit als
in Kategorien psychologischer Tatsachenforschung: „Die alten
Gegner widerstehen noch. Fleisch, Sünde, Welt und Satan
bestreiten der Schöpfung ihre Versöhnung" (S. 73). In einem

weiteren Beitrag bemüht sich Leonhard Goppelt um eine
Standortbestimmung der Predigt in der theologischen Situation
von heute. Ein Bericht über den Verlauf der Aussprache
während der Tagung schließt den Band ab.

Allen Beiträgen gemeinsam ist das Bemühen um die wissenschaftliche
Erforschung des Kommunikationsgeschehens
der Predigt. Die Mitarbeiter sind fachlich hochqualifizierte
Vertreter ihrer Disziplinen. Als Ergebnis werden dem Leser
historische Einsichten und auch andere Informationen vermittelt
. Das Kommunikationsgeschehen der Predigt von
heute ist jedoch in dieser Arbeit als Forschungsaufgabe nicht
bewältigt worden. Nicht einmal die Notwendigkeit der Entwicklung
gegenstandseigener Untersuchungsmethoden ist
erfaßt.

Halle/Saale Ernst Lerle

Hohlfeld, Winfried: Was ist das Herz der Kirche? Kontroversen
zwischen Diakonie und Mission (LuMo 12, 1973
S. 39-42).

Niedenthai, Morris J.: The Language of the Gospel Today
(Dialog 12, 1973 S. 38-42).

Seitz, Manfred: Kirchgänger mit Vorbehalten. Erste Auswertung
einer Repräsentativumfrage (LuMo 12,1973 S. 11-13),

Steck, Wolfgang: Das homiletische Verfahren. Probleme der
praktischen Predigttheorie in der .modernen Predigt' und
in der Homiletik der Gegenwart (Theol. Habilitation, Tübingen
1972).

Stollberg, Dietrich: Selbsterkenntnis für andere. Durch Gruppendynamik
für die Seelsorgepraxis lernen (LuMo 12,
1973 S. 17-21).

Wittenberg, Gunther: Predigt des Alten Testaments. Untersuchungen
zur Hermeneutik und Predigt alttestamentlicher
Texte in der Gegenwart (Theol. Diss., Tübingen 1972).

LITURGIEWISSENSCHAFT

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie. 16. Bd. 1971. Hrsg.

v. K. Ameln, Ch. Mahrenholz u. K. F. Müller. Kassel:

Stauda 1972. XV, 283 S. gr. 8°. Hlw. DM 72.-.

Man wird es mit besonderem Dank begrüßen, daß sich
diesmal das Jahrbuch Gegenwartsproblemen des Gottesdienstes
zuwendet. Dafür sind der Hauptbeitrag von Will Adam
„Gottesdienst zwischen Kanzel, Mikrophon und Kamera"
(1-59), wie nicht minder die Aufsätze von Yorick Spiegel
„Der Gottesdienst unter dem Aspekt der symbolischen Interaktion
" und von Herbert Goltzen „Ökumenische Gebets- und
Bekenntnistexte" bezeichnend. Auch muß auf den wieder von
K. F. Müller erstatteten Teil des Literaturberichtes „Neuzeit
und Gegenwart" nachdrücklich hingewiesen werden, da der
Rez. es versteht, in Kürze mit wesentlichen Gesichtspunkten
der hier angezeigten Literatur vertraut zu machen. Vielleicht
sollten in Zukunft auch im hymnologischen Teil die wahrhaftig
doch brennenden Probleme hinsichtlich Kirchenlied
und Kirchenmusik in einer entsprechenden Weise in Angriff
genommen werden. Das Jb. könnte so an Wirkung auf weitere
Kreise gewinnen.

Der genannte Hauptbeitrag von W. Adam mit dem Untertitel
„Aporien und Chancen kirchlicher Verkündigung in der
verwalteten Welt" geht von der bis heute unbeantworteten
Frage aus, „ob und wie der Versuch, den Rundfunk in den
Dienst der kirchlichen Verkündigung zu stellen, theologisch
zu begründen ist" (1). Bisher jedenfalls wird doch die Versammlung
einer Gemeinde, das Leibhaft- und Sichtbarwerden
der Ekklesia, als Bedingung eines legitimen Gottesdienstes
gewertet. Bedeutet demgegenüber die Situation der
Rundfunkverkündigung wirklich nur eine unwesentliche Modifikation
, so, daß es erlaubt sein kann, Gottesdienstsendungen
so selbstverständlich, wie das im Rundfunk der BRD der
Fall ist, als Originalübertragungen zu bieten? Hinzu kommt