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Ausgabe:

1973

Spalte:

380-382

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Fischer, Helmut

Titel/Untertitel:

Glaubensaussage und Sprachstruktur 1973

Rezensent:

Schenk, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 5

380

brück, ist tatsächlich ein Wegzeichen des Entwicklungsganges
moderner katholischer Theologie in einer neuen
Phase. Die vorangegangene Epoche war dadurch gekennzeichnet
, daß neben die Lehraussagen der Thomistischen
Scholastik die Fülle modernster wissenschaftlicher Erkenntnisse
möglichst in der klassischen Reinheit von Akademieberichten
gestellt wurde. Man versuchte eine Verständigung
von Naturwissenschaft und Glaubenssystem über die Klärung
von Einzelfragen zu erreichen.

Demgegenüber bemüht sich nun der Vf., die Botschaft des
Evangeliums nicht weiter zu modifizieren und zu kommentieren
. Er geht vielmehr von der Situation der von Science
und Technik geprägten Menschen in den Industrieländern
Westeuropas aus, um mit einem fundamentalen Neuansatz
der pastoralen und katechetischen Fragestellung zu bedenken
, was das Evangelium ihnen heute zu ihrem Heil und zur
Bewältigung der Herausforderung durch Wissenschaft und
Technik, und zwar in der Sprache ihrer wissenschaftlich-
technischen Denkstrukturen, zu sagen hat.

In der Darstellung der Wandlung des Verständnisses von
Science und Technik erweist sich der Vf. als ein guter Sachkenner
auf dem Gebiet der Wissenschaftstheorie (Kap. I S.
21-74), was sich überaus positiv in seiner Arbeitsmethode
niederschlägt.

Die theologische Zwischenbesinnung (Kap. II S. 75-118)
zielt auf einen katechetisch-didaktischen Grundtyp, der an
der Realität des Menschseins in der Gegenwart ansetzt und
die Wirklichkeit und Herausforderungen der Lebensfragen
im Horizont des christlichen Glaubens deutet. Lebenserfahrungen
der Hörer sind nicht mehr Illustrationsmaterial für
eine zunächst abhängig von der Lebenssituation vorgetragene
Lehre. Sie sind vielmehr thematischer Ausgangspunkt
hilfreicher theologischer Erwachsenenbildung. Hier wendet
man sich in der katholischen Unterweisung tatsächlich intensiver
als in der Vergangenheit den anthropologischen und
soziologischen Fragen zu. Es wird gefragt, wie das Ganze
des menschlichen Denkens und Verhaltens in der westlichen
Industriegesellschaft durch Science und Technik beeinflußt
wird und wie die Katechese darauf einzugehen hat. Denn es
hat »eine neue Weise des Denkens begonnen, in der der
Glaube erst dabei ist, sich zurechtzufinden. Nicht so sehr
das Resultat, sondern die Methode des wissenschaftlichen
Denkens verlangt nach Auseinandersetzung und Verarbeitung
" (14). Das zweite Kapitel endet mit dem Versuch, die
gegenwärtige Diskussion zusammmenzufassen.

In der Beschreibung der Aufgabe der Katechese heute werden
die grundsätzlichen Erwägungen der beiden vorausgehenden
Kapitel fruchtbar gemacht (Kap. III S. 119-191). Außer
der Forderung, sich zustimmend oder widersprechend
dort zu Wort zu melden, wo Science und Technik der Entfaltung
des Menschen dienen oder diese bedrohen, will der
Vf. hier vor allem deutlich machen, dafj und wie die Deutung
des Lebens im Lichte des Evangeliums von der erklär-
renden und gestaltenden Absicht in Science und Technik
abzuheben und als zentrale katechetische Aufgabe zu verstehen
ist.

Thesenartig formulierte Überschriften, von denen wir nur
auf drei hinweisen wollen, markieren den Weg: „Die Katechese
hat eine vom Glauben her qualifizierte Zustimmung
zu Science und Technik zu begründen" (119). »Die Katechese
hat darzustellen, daß die in Science und Technik unternommene
Bemühung um bessere Lebensbedingungen für den
Menschen, wenn sie im Glauben gegen alle Entmutigungen
durchgehalten wird, ein Ausdruck christlicher Hoffnung ist,
die von keinem innergeschichtlichen Scheitern enttäuscht
wird" (134). „Die Katechese soll die Geheimnishaftigkeit des
Lebens erschließen und in dem damit eröffneten Raum in
das Geheimnis des Heiles in Jesus Christus einführen" (145).

In einem vierten Kapitel wird dann an den Themenbereichen
„Liebe und Geschlecht" und „Friede" aufgezeigt, wie die
beschriebenen Intentionen in zwei Lebensbereichen des einzelnen
und zugleich der Gesellschaft exemplarisch in der
theologischen Erwachsenenunterweisung verwirklicht werden
können (Kap. IV S. 192-244).

Der Vf. versteht Liebe nicht nur als Tugend im privaten
Kreis oder als karitative Nachbarschaftshilfe, sondern mit
J. B. Metz als unbedingte Entschlossenheit zur Gerechtigkeit
, zum Frieden und zur Freiheit für die anderen. Davon ist
nicht zu trennen, daß Gerechtigkeit, Friede und Freiheit des
anderen weitgehend von dem abhängen, was der Mensch in
Science und Technik tut oder läßt. So werden die Möglichkeiten
von Wissenschaft und Technik zu Herausforderungen
christlicher Liebe, die be- und verantwortet werden wollen.
Aus den Notwendigkeiten heraus, die diese Liebe kritisch
erkennt, formuliert sie Postulate an Science und Technik.

Die Themenauswahl ist in ihrer Beschränkung überzeugend
. An wenigen Inhalten wird exemplarisch die Sicht des
Glaubens fundamental eröffnet. Das Material der überaus
eindrucksvollen Skizzen will als eine Sammlung didaktischer
Gesichtspunkte verstanden werden, die für den unterrichtlichen
Vollzug noch in eine methodische Ordnung gebracht
werden müssen. Die Modelle gehen von der Situation der
Erwachsenen aus, lassen aber auch schon Möglichkeiten für
eine Kinder- und Jugendkatechese erkennen.

Nachdenkenswert ist der Hinweis auf einen ersten, „prä-
katechetischen" Schritt, der zunächst eine gemeinsame Bezugsebene
im Bereich der Situation der Gesprächspartner -
etwa der Braut- und Eheleute - herstellen soll (201 u. 213).
In dieser Konzeption hat die Katechese nicht mehr Normen
zu vermitteln noch die Fragen nach dem Erlaubten, Gebotenen
oder Verbotenen in der Liebe in den Vordergrund zu
stellen oder gar Aufklärung zu treiben, sondern Freude zu
begründen und Hoffnung zu vermitteln.

Die exemplarischen Überlegungen im zweiten Themenkreis
zur Notwendigkeit einer Friedenspädagogik erinnern
an die Bemühungen F. W. Foersters.

Im Verlauf der Erforschung der Kriegsursachen wird es
immer unmöglicher, Gott als Ursache für Kriege in Anspruch
zu nehmen. Das Denken wird durch das Aufkommen der
Science zur Läuterung von Gottesvorstellungen gezwungen.
Durch die „Entgötterung" des Krieges wird nun die Verantwortung
des Menschen für seine Geschichte unverkürzt
deutlich (218/219).

Der Vf. verschließt nicht die Augen davor, wie sehr in
seiner Gesellschaftsordnung die Frage nach Krieg und Frieden
in die Tatsachen wirtschaftlicher, technologischer und
politischer Macht verflochten und Sachzwängen unterworfen
ist, die durch die Weckung sehnsüchtiger Friedenserwartung
im einzelnen Menschen nicht zu bannen sind (221). Der Vf.
will gerade im Rahmen dieses Beispielthemas Mut, Freude,
Hoffnung und Zuversicht durch die Katechese bei Erwachsenen
schaffen zum „Planen und Machen für den Frieden mit
allen Kräften" (224). Dieses Tun wird dann zum Schlüssel
der Botschaft vom Frieden als Geheimnis des Heils in Jesus
Christus.

Das anspruchsvolle Buch bereichert die Forschung durch
wegweisende Erkenntnisse im Bereich der Fundamentaltheologie
und stellt die katechetische Aufgabe in eine Vielfalt
bisher wenig reflektierter theologischer, soziologischer
und anthropologischer Zusammenhänge, denen man nur
wünschen möchte, daß sie auch im Bereich evangelischer Unterweisung
fruchtbar werden.

Greifswald Günther Kehnscherper

Fischer, Helmut: Glaubensaussage und Sprachstruktur. Hamburg
: Furche-Verlag [1972]. 356 S. 8°. Kart. DM 32.-.
Das vorliegende Informationsbuch entstand aus der Praxis
und für die Praxis. Seine Widmung an die französisch-refor-
mierte Gemeinde in Frankfurt a. M. markiert als den Ort
seiner Entstehung die Arbeit in den dortigen Gemeindeseminaren
(7f). Es will einen Beitrag zur Überwindung des un-