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Ausgabe:

1973

Spalte:

369-371

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Wessel, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Kultur von Byzanz 1973

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 5

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nicht der „konstantinischen", sondern der „theodosianischen"
Periode an, u. a. die gesamte Gruppe der heidnischen Oppositionskunst
(S. 76-78). Dagegen sind die konstantinischen
Friedhofshallen unter der theodosianischen Zeit abgehandelt
(S. 94f).

Der Rahmen der Rezension erlaubt nur einige weitere
Anmerkungen: Obwohl S. 68 deutlich zum Ausdruck kommt,
daß das Querhaus der Latcranbasilika mittelalterlich ist,
erscheint S. 23 (u. 71?) der ältere Forschungsstand. Was soll
man sich unter der Formulierung vorstellen, die „konstantinischen
Repräsentationskirchen waren in der Regel fünf-
schiffig ... als Gedächtniskirchen verfügten sie ferner über
ein Querschiff" (S. 71)? Nur vier der erhaltenen Bauten sind
fünfschiffig, und davon hatte nur einer ein Querhaus.

Der Sarkophag des Junius Bassus gehört nicht dem .weichen
Stil', sondern dem .schönen Stil' an (S. 73). Das Koimc-
sisbild der Pala d'oro ist nicht justinianisch (S. 131), sondern
um die Mitte des 12. Jh.s entstanden.

Das Werk von Rcekmans über das Corneliusgrab ist S. 51
zweimal genannt, zum Ausdruck kommt aber nicht seine
besondere Bedeutung. Diese besteht einmal darin, da5 hier
Grabtingsergcbnissc von 1933/35 publiziert werden, die vieles
in Frage stellen, was in drei Jahrzehnten über den Ort
der frühesten christlichen Katakombcnmalereien in Lucina
geschrieben wurde. Zum andern haben die Grabungen Frühformen
von Hypogäen zutage gefördert, die eine neue
Geschichte der Katakomben ermöglichen.

Resümierend möchte dies festgehalten werden i Das Werk
bietet eine gute Bibliographie. Wer über ein Thema der
christlichen Archäologie genauer arbeiten will, findet hier
erst einmal die wichtigste Literatur zusammengestellt, und
die zugeordneten Texte bieten interessante Einsichten und
Erörterungen. Für wen aber kann solches Buch „Einführung"
sein? Sicher nicht für den kirchengeschichtlich Interessierten
, der einen Überblick über Wert, Wesen und Aussage der
monumentalen Quellen haben möchte. An welchen Leser ist
Sedacht, wenn es S. 110 heißt: „Bekanntlich hatte Justinian
die konstantinische Irenenkirche völlig neu aufbauen lassen
"?

Zwei Worte noch zum Gesamtwerk: Es muß gefragt werden
, ob der Verlag gut beraten war, daß er den Bänden des
Handbuches, die Denkmäler behandeln, keine Abbildungen
beigab. Eine Einführung in bildliche Quellen müßte doch
wenigstens einen Eindruck von deren Aussehen vermitteln.
Der Verweis auf Abbildungen in Werken, die ihrerseits mehr
°der weniger einführende Handbücher sind, befriedigt nicht.
Zum andern: Innerhalb des Handbuches sind zwei Hefte der
christlichen Kunst gewidmet, außer dem vorliegenden Gold-
ammers Kirchliche Kunst im Mittelalter. In anderen Heften
wird Kunst mitbehandelt, so besonders in Onaschs Russischer
Kirchengcschichtc. Vielleicht wird das auch noch in dem
einen oder anderen Heft über die Neuzeit geschehen. Doch
v«rdicnt die christliche Kunst dieser Zeit eine gesonderte
Behandlung. Sonst besteht Gefahr, daß kirchengeschichtlich
s° wichtige Themen wie der protestantische Kirchbau, das
Flugblatt der Reformationszeit, das Barock als Kunst der
Gegenreformation u. a. m. unter den Tisch fallen.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Gessel, Klaus: Die Kultur von Byzanz. Frankfurt M.: Akademische
Verlagsgesellschaft Athenaion [1970], 526 S. m.
263 Abb., 2 Farbtaf. 4° = Handbuch der Kulturgeschichte,
hrsg. v. E. Thurnher, 2. Abt.: Kulturen der Völker, Lw.
DM 174.-.

Die vorliegende große Monographie der byzantinischen
Kultur will angesichts der noch ausstehenden Forschungs-
Pfoblemc und ihrer Lösungen .nur eine erste vorläufige
Darstellung" sein. Sie unterscheidet sich von der ebenfalls
umfassenden Darstellung von Herbert Hunger, „Reich der
Neuen Mitte. Der christliche Geist der byzantinischen Kultur
", Graz/Wien Köln 1965 durch die Heranziehung auch
nichtreligiöser bzw. nichtsakraler Bereiche. Im Aufbau seines
Werkes schließt sich Vf. Hans-Wilhelm Haussig, „Kulturgeschichte
von Byzanz", Stuttgart 1966'-' an. Abgesehen von
einer Reihe kontrovers bleibender Probleme unterscheidet
sich Wessels Darstellung von beiden vor allem durch das
reiche Bildmaterial, das in ihrem Zusammenhang weniger
als Zeugnisse der byzantinischen Kunst und ihrer zahlreichen
Gattungen, vielmehr als unmittelbare Dokumentation
der byzantinischen Kulturgeschichte verstanden sein will.
Die oströmische Kunst als solche fällt überhaupt aus, wobei
Vf. auf die neueste und glänzende Darstellung von Charles
Devoye, L'Art Byzanbin, Paris 1967 hinweist. Immerhin darf
hier auf das von ihm und Marcell Restle hrsg. „Reallexikon
zur Byzantinischen Kunst" ergänzend verwiesen werden,
das in dieser Zeitschrift laufend rezensiert wird. Das Werk
ist folgendermaßen aufgebaut: „Die Grundlagen" (S. 11-61)
gehen von den Reformen Diokletians und Konstantins aus,
um danach die Christianisierung des spätrömischen Reiches
zu behandeln. Mir persönlich scheint, daß W. bereits an diesem
entscheidenden Ansatz für die Beurteilung des Verhältnisses
von Staat und Kirche in Byzanz die grundsätzliche
gesellschaftliche Unverträglichkeit beider Sozietäten zueinander
zu stark „heruntergespielt" hat, und Henri Gregoire
(u. a. in: Norman H. Baynes und Henry St. L. B. Moss, „Byzanz
", München 1964, 127-181) wohl schärfer sah. Es folgen
die Geschichte Konstantinopels, die kirchliche Organisation,
das Mönchtum und Wissenschaft und Literatur. Ein eigenes
Kap. über das letzten Endes in einer „theozentrischen Geschichtsbetrachtung
" wurzelnde byzantinische Selbstverständnis
schließt den ersten Abschnitt ab. Nach dieser großangelegten
Einleitung werden in den folgenden Abschnitten
„Von der Reichsteilung bis zur arabischen Invasion" (S. 72
bis 227), „Die Zeit der äußeren und inneren Kämpfe (Von
der arabischen Invasion bis zum Ende des Bilderstreites)"
(S. 228-272), „Die Blütezeit des Byzantinischen Reiches" (S.
273-339), „Die Herrschaft des Adels" (S. 340-414), „Die Bedeutung
der Frankokratie und das Reich von Nikaia" (S. 415
bis 426) und endlich „Die Zeit der Palaiologen" (S. 427-512)
unter ständig neuen Überschriften und Aspekten Bildungswesen
, Wirtschaft und Handel, Recht, Heer, Städtewesen
(Polis und Kastron), Literatur und Wissenschaft, Kirche,
Ketzer und Mönchtum, Familie und Alltag behandelt. Nicht
nur der flüssige Stil der Darstellung und gelungene Vergleiche
mit der Neuzeit, sondern auch das erwähnte Bildmaterial
machen das Werk zu einer stets anregenden Lektüre.
Vf. besitzt die im deutschen Sprachraum nicht gerade häufig
anzutreffende Gabe, auch komplizierte theologisch-philosophische
Sachverhalte, wie etwa des Bilderstreits oder des
Hesychasmus, klar und übersichtlich wiederzugeben und damit
auch theologisch nichtgebildete Leser für seine jeweiligen
Gegenstände zu interessieren. Bei kontroversen Fragen
wird der Leser durch keine redundanten Informationen erdrückt
und abgelenkt, sondern stets auf das Wesentliche
des Problems hingewiesen. Eine Fülle von Erscheinungen
und Ereignissen werden behandelt, die nicht ohne weiteres
aus der Inhaltsübersicht zu ersehen sind. So wird z. B. in den
einzelnen Epochen der Entwicklung der Kirchendichtung
und Kirchenmusik, dem geistlichen Schauspiel und dem Theater
ebenso nachgegangen, wie der Hagiographie, dem geistlichen
und außerkirchlichen Roman, der karitativen Tätigkeit
der Kirche, des Mönchtums und des Kaiserhauses, dem
Aufkommen und der Verarbeitung ritterlicher Ideale u. a. m.
Die einzelnen byzantinischen „Renaissancen" werden nicht
scharf voneinander abgesetzt, sondern in ihrem ständigen
Fluß und in ihrer jeweils besonderen Problematik erörtert.
Geben die Perser-, Araber- und Türkeninvasionen den dunklen
Hintergrund der jeweiligen Kulturleistungen von Byzanz
ab, so wird ein eigenes Kap. dem „Eindringen der Slaven
ins Byzantinische Reich" gewidmet (S. 111-117). In der Literatur
hierzu S. 516 wären allerdings neben der alten Ar-