Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1973

Spalte:

367-369

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Andresen, Carl

Titel/Untertitel:

Einführung in die christliche Archäologie 1973

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

367

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 5

368

„Mitmenschen" und „Mitchristen" begleitet. Die Zahl derer,
die sich seiner Zeit getroffen und gefordert wußten, ist größer
, als die Studie das erkennen läßt. So ist es gut, daß Gerhard
Niemöller einiges aus der deutschen evangelischen
Gemeinde in London (St. George) beiträgt, und daß in Kürze
noch einige Ergänzungen aus dem Pfarrernotbund zu erwarten
sein werden. - Im ganzen darf man dankbar feststellen
, daß der vorliegende Sammelband II mit dem Beitrag
über Stuttgart einen sachgemäßen und ausgezeichneten Abschluß
findet.

Bielefeld Wilhelm Niemöller

GESCHICHTE CHRISTLICHER KUNST

Andresen, Carl: Einführung in die christliche Archäologie.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1971]. IV, 175 S.,
1 Faltkte gr. 8" = Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein
Handbuch, hrsg. v. K. D. Schmidt u. E. Wolf. Band 1, Lfg B
(1. Teil). Kart. DM 32.50.

Der Vf. versteht .Einführung' in doppeltem Sinne. Einmal
soll die wichtigste Literatur sachlich geordnet mitgeteilt,
zum andern sollen Ergebnisse und Probleme vorgeführt
werden. So enthält der 1. Teil (Die Disziplinen der christlichen
Archäologie) kurze Einleitungen zu umfangreichen
Bibliographien, der 2. Teil (Die kunstgeschichtliche Entwicklung
und ihre Themen) versucht, die einzelnen Epochen zu
charakterisieren, wobei wiederum umfangreiche Bibliographien
beigegeben sind. Ein dritter, sehr kurzer Teil stellt
den Bilderstreit als das die Gesamtepoche abschließende Ereignis
dar.

Die Lektüre verstärkt den ersten Eindruck, daß das Werk
hauptsächlich eine großangelegte Bibliographie ist. Mannigfache
Überschneidungen sind in einer solchen unvermeidbar.
Etwas verwirrend wirkt die Tatsache, daß auch die Anmerkungen
zum Text Titelgruppen zu bestimmten Komplexen
enthalten, doch werden diese durch das Register erschlossen.
Überhaupt ist die Benutzung des Registers zu empfehlen.
Wer würde sonst die Keramik unter .Toreutik' (S. 44f) suchen
? Man kann nur bewundernd vor dem Ergebnis einer
Arbeit stehen, die viele Regale voller Bücher bewältigt hat.

■Dagegen ist die Einführung in die Christliche Archäologie
selbst zu kurz gekommen. Seit dem Ende der zwanziger
Jahre ist die bis dahin als kirchengeschichtliche Disziplin
behandelte Christliche Archäologie Gegenstand kunstwissenschaftlicher
Forschung geworden. Das war eine große Bereicherung
. Die christlichen Denkmäler konnten nun auch
als Denkmäler spätantiker Kultur- und Stilgcschichte verstanden
werden. Inzwischen ist die Notwendigkeit deutlich
geworden, die so bereicherte Wissenschaft für die Kirchengeschichte
fruchtbar zu machen. Die Erwägung ist unumgänglich
, ob man Christliche Archäologie als spätantike
Kunstgeschichte oder als Teilgebiet der Kirchengeschichte
behandeln will. Nach dem Vf. bahnen die Christ!.-archäologischen
Zeugnisse den Zugang zu den altchristlichen Vorstellungen
und Frömmigkeitsformen (S. 7), der Ertrag der
Christlichen Archäologie soll für die Kirchengeschichte nutzbar
gemacht werden (S. 8). Dem kann nur zugestimmt werden
. Doch geschieht bereits die Gliederung des Werkes nach
kunsthistorischen Kategorien. „Es versteht sich von selbst,
daß eine Untergliederung der christl. Archäologie nach Teildisziplinen
nur unter dem Gesichtspunkt der Materialität
erfolgen kann" (S. 11). Uns scheint das nicht selbstverständlich
. Wäre es innerhalb eines kirchcngeschichtlichen Handbuches
nicht sinnvoller gewesen, etwa Sarkophagplastik und
Katakombenmalerei als bildliche Glaubensaussage am Grabe
zusammenzufassen und mit dem Bestattungswesen zu verbinden
, andererseits das Kirchengebäude als liturgischen
Zweckbau und Bedeutungsträger mit bestimmten Bildprogramm
zu verstehen? So aber erscheinen Katakombenmalerei
und Kirchdekoration unter der Überschrift ,Dic Malerei'
zusammengefaßt (1,1), Plastik (1,2), Architektur (1/4), Beerdigungswesen
(1/10), Ikonographie und Ikonologic (1/11)
bilden eigene Abschnitte. Mag solche Gliederung noch von
der Bibliographie her zu rechtfertigen sein, da die jüngere
Literatur stark von der kunsthistorischen Forschung bestimmt
war, so hätte doch der 2. Teil die kirchcngcschichtli-
che Synthese bieten können.

Vf. meint aber, daß der Eigenständigkeit der Christlichen
Archäologie gegenüber der Kirchengeschichte am ehesten die
kunstgeschichtliche Methode gerecht werden kann. Freilich
will er kunstgeschichtliche Stilphasen und Geschichtsperioden
der Alten Kirche aufeinander abstimmen (S. 62). Das
Ergebnis ist wenig befriedigend. Die Erörterungen bleiben
wie im 1. Teil vielfach im Technisch-Formalen stecken. Man
vergleiche, was über die (im engeren Sinne) konstantinische
Sarkophagplastik gesagt ist (S. 72), deren Themen nicht zur
Sprache kommen.

Ableitungsfragen nehmen einen breiten Raum ein, was
zwar in gewissem Maße der derzeitigen Forschungssituation
entspricht, hier jedoch dazu führt, daß Heidnisches, Jüdisches
, Heterodoxcs das Christliche überwuchert. Man wird
an den Bibel-Babel-Streit erinnert. Die Erkenntnis, daß die
Aussage wichtiger ist als ihre Herkunft, fehlt. Überdies is[
die Herkunftsbestimmung oft sehr hypothetisch. Wenn christliche
Kunst immer wieder von spätjüdischer Bibelillustration
abgeleitet wird, so ist das zwar sehr modern, aber dennoch
eine völlig in die Luft gebaute Hypothese. Es muß immer
wieder daran erinnert werden, daß hier mit Indizienbeweisen
eine ganze Denkmälergruppe rekonstruiert wird, von
der weder ein monumentales noch ein literarisches Zeugnis
erhalten ist. Ein anderes Beispiel: Vf. zählt die jüdischen
und heterodoxen Coemcterien Roms namentlich auf. Von
den wesentlich zahl- und umfangreicheren christlichen Coe-
meterien werden nur zwei genannt (S. 50f, 63f), einige andere
erscheinen in Buchtiteln. Eine gewisse Übersicht findet
sich dort, wo man sie nicht erwartet: im Register (S. 160)-
Ähnliche Disproportionen begegnen auch sonst.

Die Katakombenmalerei, die „das bevorzugte Darstellungsmittel
spätantiken Christenglaubens" (S. 7) gewesen
sein soll, erhält in der Darstellung eine halbe Seite eingeräumt
(S. llf), wobei nur Äußerlichkeiten zur Sprache kommen
. Die Themen sind an anderer Stelle in wenigen Zeile"
angedeutet (S. 64). Ausführlicher werden die Malereien von
der via Latina behandelt (S. 84f), die jedoch im Ganzen der
Katakombenmalerei eine Ausnahme bilden und nur einen
Bruchteil des Erhaltenen ausmachen. Auch die Ausführungen
über das Grabrecht (S. 50, 63) oder über die drei (!) erhaltenen
Kirchentüren (S. 41f) sind zu umfangreich, wenn mehr
als tausend Sarkophage und Sarkophagfragmente nur knapp
zwei Seiten zugeteilt erhalten (S. 20-22).

Andererseits kommt die Würdigung der Denkmäler a's
kirchengeschichtlicher Erscheinungen (ihr Sitz im Leben) *°
kurz. Über die Geschichte der Katakomben, Totcnkult, Märtyrergräber
, Heiligcnverchrung u. dgl. hätte man sich mehr
gewünscht. Die kirchengeschichtlich so bedeutsame sofT
Papstgruft in Callist wird nicht einmal erwähnt. Am auS'
führlichsten kommt der Kirchenbau zur Sprache, freilicn
kaum als Ort liturgischen Geschehens. Über die Rolle der
Hagia Sophia (S. 111) im Reichszeremoniell wird nichts gesagt
. Daß das Fehlen von Pastophorien an ostgotischen Kirchen
„der arianischen Theologie und dem rationalen Grundzug
ihrer Frömmigkeit entspricht" (S. 116), ist ein in mehrfacher
Hinsicht fragwürdiger Schluß.

Obwohl die Einheit der verschiedenen Epochen behaupte'
wird, sind die Definitionen zu allgemein, und die Beschreibungen
lassen die Einheit nicht deutlich werden. Auch ist
die Abgrenzung wenig klar durchgeführt. Die konstant!!11'
sehe Periode läßt der Vf. in gallienischer Zeit (S. 66f), die
theodosianische Epoche um 350 beginnen (S. 83). Jedoch 92'
hört der größte Teil der S. 73-80 besprochenen Denkmäler