Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1973

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

355 Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 5 356

aufgewandten Mittel hinreichend sind, das bleibt - leider -
die Frage.

Literaturverzeichnis und Register machen keinen ausgeglichenen
Eindruck. Allein 35 der im Literaturverzeichnis angegebenen Namen erscheinen
nicht im Register, kommen also im Corpus der Arbeit gar nicht
vor. Umgekehrt fehlen 15 Namen des Registers wiederum im Literaturverzeichnis
.

Erlangen Karlmann Beyschlag

Bienert, Wolfgang A.: „Allegoria" und „Anagoge" bei Didy-
mos dem Blinden von Alexandria. Berlin-New York: de
Gruyter 1972. XI, 188 S. gr. 8° = Patristische Texte und
Studien, im Auftrag d. Patristischen Kommission d. Akademien
d. Wissenschaften zu Göttingen, Heidelberg, München
u. d. Akademie d. Wissenschaften und der Literatur
zu Mainz hrsg. v. K. Aland u. W. Schneemelcher, 13. Lw.
DM 58.-.

Die Bonner Dissertation von 1969/70 aus der Schule W.
Schneemelchers ist die erste Monographie, die die neuen Di-
dymos-Texte umfassend auswertet, und zwar für ein Begriffspaar
, das im Denken des Didymos eine, ja die zentrale
Rolle spielt. B. hat die neuesten Textpublikationen benutzt
und darüber hinaus in Köln noch unveröffentlichte Teile einsehen
können. Die benutzte Sekundärliteratur geht bis 1970,
mit Nachträgen bis 1971.

Drei einführende Kapitel füllen ein reichliches Drittel des
Buches. Kap. I stellt Person und Werk des Didymos vor. Von
den verschiedenen ihm zugeschriebenen Schriften akzeptiert
B. nur De spiritu saneto, die Schrift gegen die Manichäer und
- mit Einschränkungen - die Katencnfragmente, in berechtigter
Zurückhaltung. Die eigentliche Grundlage für die Untersuchung
bilden die 1941 bei Tura in Ägypten gefundenen
atl. Kommentare: zu Genesis, Hiob, Sacharja, Psalmen und
Prediger (übliche Abkürzungen: GenT, HiT, ZachT, PsT,
EcclT). Eine wichtige Einschränkung ist zu machen: GenT,
dessen Edition P. Nautin anvertraut ist, konnte nicht benutzt
werden.

Kap. II blickt zurück auf die griechische Allcgorese vor
Didymos, von der stoischen Homerdeutung über die allegorische
Auslegung des AT durch Philo und die Anfänge der christlichen
Allegorie (undTypologie, terminologisch nicht geschieden
) bis hin zu Origcnes. Kap. III verfolgt im gleichen Ablauf
(und nicht ohne Überschneidungen) Herkunft und Bedeutung
der Begriffe Allegoria und Anagoge. Festzuhalten ist hier die
Legitimierung des Terminus AkXtjynpttv für die Patristik
durch die Verwendung im NT, Gal 4,24. (Man denkt an die
Legitimierung der Zitierung profaner Literatur durch Clemens
auf Grund der drei Anspielungen bei Paulus.) Die spezielle
Verwendung von Anagoge führt Origcnes ein.

Hier setzt die eigene Arbeit B.s ein. E. v. Dobschütz hatte
über Origcnes geschrieben: „Es ist dasselbe, was er unter
Anagoge und Allegorie versteht." Für Didymos schloß
aus ZachT dessen Editor L. Doutreleau, daß ihm Allegoria
Hilfsmittel für die Anagoge sei und daß im Grunde beide
Begriffe austauschbar seien. Auch H. de Lubac fand, daß Didymos
beide Begriffe synonym gebrauchen konnte. B. will
nun beweisen, „dafj Didymos sehr genau zwischen iXktfyofta
und dvnyo-))')) unterscheidet und dafj er konsequent an dem
Unterschied zwischen allegorischer Interpretation und geistlicher
Deutung festhält" (S. 107). Wie bei Origcnes sei Allegoria
bei Didymos ambivalent, bezeichne neutral nur die
Methode, sei daher auch auf pagane Texte anwendbar. Dagegen
sei Anagoge die spezifisch christliche, nur auf die heilige
Schrift anwendbare, geistliche und erbauliche Ausdeutung
.

In seiner Beweisführung verfährt B. so, dafj er zunächst
eingehend ZachT als den zuerst publizierten und für sein
Thema ergiebigsten Text untersucht. Seine Ergebnisse findet
er dann in HiT, PsT und EcclT bestätigt. Dieses Vorgehen
erlaubt es, die verschiedenen Kommentare in ihrer Eigenart

zu würdigen, ist aber dem systematischen Ansatz B.s eigentlich
nicht ganz angemessen. Es führt zu Wiederholungen,
was bei speziellen Themen deutlich wird wie der Zahlensymbolik
und der Naturkunde (Wiedehopf in ZachT, Ameisenlöwe
in HiT, jeweils mit Erwägungen über die Quellenfrage
). Aber die Ausführungen über einzelne Allegorien, so
interessant sie sind, dienen B. nur zur Exemplifizierung seiner
These, und so dürfen wir von ihm auch nicht die an sich
sehr erwünschte vollständige Erfassung der Allegorien des
Didymos erwarten.

„Der Unterschied zwischen aklrjynnia und Avaymyi) bei Didymos
ist an keiner anderen Stelle deutlicher zu fassen als
hier", sagt B. zu ZachT 141,7-11 (S. 90). Darin ist schon impliziert
, dafj er nicht überall gleich deutlich ist. Aber selbst
an dieser Zentralstelle ist der Unterschied zwischen den xarä
(tV.ijyoQi'av 'AonvQi'wv und den y.uxa avayfoyijv Ttvsvutttty.üK
Atyv.-irltDv nur durch subtile Interpretation herauszuholen.
Gerade die Zufügung des Adverbs zeigt doch, dafj die Begriffe
nicht so klar geschieden sind, denn sonst wäre die
.pneumatische Anagoge' in der Tat tautologisch. „Will man
nicht annehmen, dafj Didymos zweimal dasselbe sagen wollte
. . .", leitet B. seine Interpretation ein. Er geht damit von
einem Axiom aus, das gerade für Didymos in keiner Weise
postuliert werden kann. Der Haupteindruck, den die Lektüre
seiner Kommentare zurückläßt, ist, daß er wieder und wieder
dasselbe sagt. Das ist keine böswillige Unterstellung, denn
Didymos ist sich dieser seiner Eigenart durchaus bewußt
und entschuldigt sich gelegentlich dafür. B. kennzeichnet
richtig den schulmäßigen Charakter der Vorlesungen des
Didymos. Aber er scheint daraus eine scholastische Exaktheit
der Begriffsbildung abzuleiten, die dem blinden Alexandriner
fremd ist.

Die eine große Antithese bei Didymos (wie bei den anderen
Vertretern der allegorischen Methode) ist der Gegensatz
zwischen Wortsinn und übertragenem Sinn. Für beide Sinne
gibt es jeweils mehrere Termini, die z. T. feineren Nuancen
entsprechen, sich aber untereinander berühren und wohl
auch überschneiden. Die Bezeichnung .Wortfeld' entspricht
diesem etwas diffusen Sachverhalt besser als eine scharfe
Abgrenzung. Eine solche gibt es zwischen wörtlichem und
übertragenem Sinn, aber es ist gewiß kein Zufall, daß Didymos
nirgends das Begriffspaar Allegoria und Anagoge als
gegensätzlich konfrontiert. Die Nuancen, durch die sich die
Begriffe unterscheiden, bringt B.s Interpretation gut heraus.
In einigen Fällen geht es freilich nicht ohne Gewaltsamkeit
ab. bis hin zur Erwägung von Überlicfcrungsfehlern. Daß
sich die Wortfelder Allegoria und Anagoge nicht decken, ist
unbestreitbar. Daß sie sich überschneiden - und mehr behauptet
auch Doutreleau nicht -, scheint mir nicht widerlegt.
Es wäre schön, wenn B. auf die Frage zurückkäme, wenn
auch GenT ediert ist.

Der saubere Druck läßt einige Flüchtigkeiten ins Auge
fallen. Die „Griechischen christlichen Schriftsteller" (GCS)
sind so, nicht mit Bindestrich zu schreiben. Der Herausgeber
des Clemens heißt Otto, nicht W. Stählin (S. 61 Anm. 67 und
Register S. 182). F. J. Dölgers „Die Sonne der Gerechtigkeit
und der Schwarze" ist S. 112 Anm. 118 und in der Bibliographie
S. 171 entmythologisiert zu „das Schwarze". Wenn B.
das Bild von der Sonne der Gerechtigkeit in seinem eigenen
Text verwendet, sollte man das Wortregister nicht mit den
Stellenangaben belasten. S. 72 oben wäre zu übersetzen
„wenn auch ihr euch meinem Gebet anschließt"; „im Gebet
sammelt" ist ein Modernismus, den ich nicht auf Griechisch
wiedergeben könnte. Das Adjektiv „origenistisch" sollte man
für „Art, Nachfolge des Origcnes" vorbehalten und nicht auf
das Werk des Origcnes selbst beziehen (so S. 61, 67).

Berlin Kurt Treu

Hcron, Alasdair: Studies in the Trinitatian Writings of Didy-
mus the Blind: His Autorship of the Adversus Eunomium
IV-V and the De Trinitatc (Theol. Diss., Tübingen 1972).