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Ausgabe:

1973

Spalte:

345-347

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Patsch, Hermann

Titel/Untertitel:

Abendmahl und historischer Jesus 1973

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 5

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gen Quäker oder des no-church-movement in Japan erinnert.
So vor- und umsichtig Kertelge also argumentiert, so sehr
es weiß, daß „eine unmittelbare Ableitung dieses geschichtlich
gewordenen Amtsbegriffs aus dem NT nicht möglich
und . . . auch nicht nötig" ist (163), wäre nun doch zu
fragen, was denn die „mittelbare" Ableitung einschließt. Jedenfalls
wird suggeriert, daß die Entwicklung durchweg von
der freien paulinischen Gemeinde in „immer stärker werdender
funktionaler Aufteilung" (156) zur straffer geordneten
der Pastoralbriefc verlief. Angesichts der johanneischen
Zeugnisse ist selbst dies zu bestreiten. So stellt sich die Fra-
9e, ob „wechselnde Strukturicrung" (163) auch eine amtslose
Gemeinde wie die der Quäker als Möglichkeit einschließt
und ob die richtige Schlußfolgerung, „daß das kirchliche
Amt nicht mehr das Monopol eines privilegierten Kirchenstandes
" sein kann (167), so interpretiert werden darf,
daß es diesen überhaupt nicht mehr geben kann in einem
anderen Sinne als dem einer, für die Funktion der Gemeinde
eines bestimmten Ortes und Zeitpunktes hilfreichen, grundsätzlich
aber auch aufgebbaren Ordnung. Falls man dem zustimmt
, kann man die sehr schöne Unterscheidung des kirchlichen
Dienstes vom allgemeinen Amtsbegriff (153-156) nur
so verstehen, daß ein zu besonderem Dienste geordnetes Ge-
TOeindeglicd unter keinen Umständen höherer Würde oder
9ar Heiligkeit teilhaftig, zu einem anderen ordo „ordiniert"
lst, sondern nur ein Glied der Gesamtgemeinde sein kann,
von dem diese Selbstaufgabe und -hingäbe und darin die
Manifestation der „Vollmacht" Jesu Christi in besonderer
Weise erwartet und ihm dafür die Kraft von Gott erbittet
(68f. 168).

Zürich Eduard Schweizer

patsch, Hermann: Abendmahl und historischer Jesus. Stuttgart
: Calwer Verlag [1972]. 390 S. 8° = Calwer Theologische
Monographien, hrsg. von J. Baur, M. Brecht, H. Bürk-
le, L. Goppclt, G. Kretschmar, M. Seitz, C. Westermann.
Reihe A: Bibclwissenschaft, hrsg. von L. Goppelt und C.
Westermann, 1. Kart. DM 34.-.

Was hat das Abendmahl mit dem historischen Jesus zu
tun? Zur Antwort auf diese Frage kommt H. Patsch auf ei-
ncm langen Anmarschweg. Das Vorfeld der etwaigen „Analogien
zur urchristlichen Abendmahlsfeier" (I A) ist allerdings
verhältnismäßig rasch durchschritten: keines der helle-
listischen Kultmahle (18-23) kann „das Urbild für die christliche
Feier abgegeben haben" (22); im Judentum „gibt es
^ein Analogon" für die Einsetzungsworte „und die sich in
lnnen äußernden Bezüge" (33); von den Gemeinschaftsmah-
Icn in Qumran her ist „ein direkter Einfluß auf Jesus, anf
die Urgemcinde" usw. „nicht nachweisbar" (ebd.)1. Das letzte
Mahl Jesu war zwar wahrscheinlich ein Passamahl, doch ist
das ohne Einfluß auf die Worte zu Brot und Wein (I B [39f]).
In I C (40-50) wird die Interpretation des Abendmahlsge-
Schehcns als Gleichnishandlung - im Sinn des Doppelgleich-
"isses - mit negativem Ergebnis (226) geprüft. Schließlich
wird der „Versuch einer innergemeindlichen Genese" bei W.
M-arxsen2 abgelehnt (I D).

°ie nach heute geltendem Maß wohl entscheidende Vorzeit
zur Beantwortung der Ausgangsfrage leistet P. in II:
-Der Text. Literarkritik und Formgeschichte der Einsetzungs-
°erichte" (59-105). Hier setzt P. alles heute gebräuchliche
Handwerkszeug der Synoptikerforschung an und handhabt
mit Sorgfalt, im vollen Wissen darum, wieviel davon sachlich
abhängt (59). Die Untersuchung in II ist demgemäß in
besonderer Weise durch das Bemühen um behutsames Vorgehen
gekennzeichnet; mehrfach werden z. B. entgegengesetzte
Möglichkeiten der Beziehungen der Textstücke zueinander
durchgeprobt. Der Einsetzungsbericht bei Mk ist ein
anstelle eines anderen Berichtes eingefügter Kulttext (62f;
k'tui'gische Texte sind auch die anderen Berichte). Die einge-
ende Erörterung des pro et contra bezüglich des höheren

Alters des Paulus- oder des Mk-Textes vermag nicht zu einer
schematischen Antwort zu führen'1. Wohl kann für einzelne
Stücke in diesem oder jenem Überlieferungszweig das höhere
Alter ausgesagt werden4; ein Urbericht ist indessen, wie P.
betont, nicht zu erheben. Andererseits ist etwa „der sachliche
Unterschied" zwischen den Wendungen „Blut des Bundes"
und „Bund kraft meines Blutes" (so P.) „nicht groß" (83).

Im Grunde dient auch III noch der Vorbereitung der Antwort
auf die besondere Frage P.s. Hier geht es zunächst um
das Verständnis der Gottesherrschaft durch Jesus zumal hinsichtlich
ihres eschatologischen Aspektes (106; ausgeführt
107-1305). Er ist durch das Stichwort „Naherwartung" im
Sinn des Ausblicks auf ein „relativ nahes Geschehen" (110)
gekennzeichnet (die Nähe ist „in Jesu Wirken manifest"
[119]); es steht in Zusammenhang mit Jesu Person (127). Von
daher kommt P. zu dem enger auf sein Thema bezogenen
Abschn. III E: „Der Blick auf das Mahl der Gottesherr-
schaft"6. (P. liegt hier sichtlich am Verständnis von Lk 22,18.
16 im Sinn des Verzichts auf die Beteiligung an dem gegenwärtigen
Mahl [131-139].)

Ungefähr ein Drittel des Textteils ist dann dem speziellen
Thema P.s gewidmet (151-226); er überschreibt IV: „Sühne
für die Völker". Hier wird wieder in Altem Testament und
Judentum angesetzt, nunmehr im Blick auf den Gedanken
der stellvertretenden Sühne. Er ist in Jes 53,10 in völlig einmaliger
Weise vorgegeben (153-158, vgl. 178f) im Sinn der
„Sühnekraft des freiwilligen Todes" (157) „für die gesamte
Völkerwelt" (158). Eine Prüfung der „ältesten neutestament-
lichen Formeltradition" (§ 40), speziell der mit vitig gebildeten
, ergibt keinen erkennbaren Bezug auf Jes 53; auch sonst
kann nur von einem mittelbaren Einfluß der Stelle gesprochen
werden (166). Direkt aus Jes 53 herzuleiten sind nur die
Wendungen in Mk 10,457 und 14, 24parr. Von da aus kommt
P. dann zu der „Annahme, d?ß die vnen -Formel-Tradition
[sie] ihren ursprünglichen Sitz im Leben in der Abendmahlsliturgie
hat" (169), ausschließlich dort. Mk 10,45 (170-180)
ist schon vor Mk aus V. ab und V. c zusammengewachsen ;
„die Substanz" von Vers c „muß auf ein echtes Jesuslogion
zurückgehen" (180; übrigens gilt Entsprechendes auch für
V. ab [213]). Mk 10,45 und 14,24 haben sich in keiner Richtung
beeinflußt (181).

Daß die Aussage der sühnenden Bedeutung seines Sterbens
für die Menschheit durch Jesus selbst auf diese beiden
Stellen begrenzt ist, veranlaßt die Frage nach einem Sachzusammenhang
von Dienst und Sühneleiden im Wirken
Jesu (IV B-D). Den historischen Zugang (IV C) vermitteln
die Leidensansagen (185-213). Die Analyse der „direkten
Leidensankündigungen" (185-197) ergibt für P. drei Motivkreise
, bestimmt durch das (fut (Mk 8,31 parr^), das „wie
geschrieben steht", das „Erfüllen" der „Schrift"9. Die Aussage
über das Dahingegebenwerden (durch Gott) hält P. „für
in Jesu Mund denkbar" (195). „Maschalartige Todesankündigungen
" (197-205) durch Jesus sind fraglich, dagegen spricht
Jesus in Mk 10,38b von dem Todesgeschick, das Gott ihm
bestimmt hat (209). IV C abschließend, nimmt P. Erwägungen
auf, die es auch von der historischen Situation her wahrscheinlich
sein lassen, daß Jesus „mit der Möglichkeit seines
gewaltsamen Todes rechnete" (212). - Der theologische Zugang
(IV D) eröffnet sich sodann vom Umgang Jesu mit
den Sündern her. Dazu werden einige wichtige Texte besprochen
und mögliche Verbindungslinien zum Gedanken der
Selbsthingabe angedeutet (213-220). „Das Gericht Gottes
wird stellvertretend an dem Einen vollzogen, der an Gottes
Statt den Gesetzlosen seine vergebende Gnade gewährte"
(224).

Der Schluß (§ 50) macht den „Versuch einer Synthese: Der
historische Jesus - die sakramentale Gabe des letzten
Abends" (226-230), einen Versuch, wie P. betont. Das Einsetzungswort
zum Becher besagt, daß das „dahinzugehende
Leben in seiner Heilswirkung . . . durch das Trinken empfangen
werden" soll (229). „Jesus gibt sich als Person, die