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Ausgabe:

1973

Spalte:

312-316

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Zasche, Gregor

Titel/Untertitel:

Extra nos 1973

Rezensent:

Hübner, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 4

Gott, mein Gott, warum hast, du mich verlassen". Aufweichen
Voraussetzungen fußt M., wenn er statt des konventionellen
Leidensbildes gerade diesen Augenblick der
Gottverlassenheit wählt? Dies zu klären ist Anliegen des
Buches.

Vorangestellt wird in Teil II (9/23), um die Problematik
von Mt 27,46 zu verdeutlichen, ein kurzes Referat
über die neutestamentliche Forschung zur Bibelstelle sowie
über die besonders von A.Wilmart (in: Rev. Bened.
47, 1935, 235/278) erarbeitete Geschichte der .Sieben
Kreuzesworte' in der Literatur. Dabei ist wichtig, daß
.diese als gesondertes Thema erst in der Passionsfrömmigkeit
des hohen und späten Mittelalters auftreten, zuerst
bei dem Bernhard v. Clairvaux nahestehenden Arnold,
Abt von Bonneval (f um 1156).

Teil III (23/32) prüft die mittelalterliche Kreuzesikonographie
auf eine mögliche ikonographische Tradition
, auf die M.s Bildprägung zurückgreifen konnte. Das
Ergebnis ist negativ: der lebende, nach oben blickende
Gekreuzigte begegnet in der Kunst des Mittelalters
äußerst selten, zuerst um 1230 in der Bible moralisee
von Toledo. Die wenigen Vorkommen sind erstmals hier
vom Vf. zusammengestellt. Sie haben untereinander
keine Verbindung, ihre Kenntnis bei M. ist auszuschließen ;
sein Kruzifixus bedeutet einen „gestalterischen Neu-
ansatz" (29).

Teil IV (32/50) befragt daher die literarischen Quellen
der Frömmigkeitsgeschichte hierzu. Das hier zusammengestellte
reiche Material aus Predigt- und Erbauungsliteratur
bildet den theologischen Kern des Buches. Es
modifiziert und ergänzt - besonders im Blick auf die Reformation
- die Arbeit von L.Mahieu, L'abandon du
Christ sur la croix (in: Mel. science relig. II, 1945, 209/
242). Das durch Mt 27,46 gegebene zentrale Problem: wie
verträgt sich Gottverlassenheit am Kreuz und Gottessohnschaft
?, bei den Kirchenvätern lehrhaft-dogmatisch
abgehandelt, erfährt seit dem 12. Jh., besonders dann in
der spätmittelalterlichen Passionsfrömmigkeit, eine
grundlegende Neuakzentuierung im Sinne meditativer
Versenkung in Christi Leiden („ad conformandum se huic
articulo", Ludolf v. Sachsen, f 1377, Vita Christi) und
subjektiver Erfassung als dem Einzelnen geltende Frage
(„inquirere cur derelinquemur", Arnold v. Bonneval) und
Zuspruch („nam derelictio tua consolatio mea" Thomas
a Kempis, f 1477, Or. et med. de vita Christi). Entscheidend
ist, daß Vf. dieses besondere Verständnis von Mt
27,46 auch im Kreise der Vittoria Colonna nachweisen
kann, und zwar in den biblischen Kommentaren des Juan
Vahles und des Marcantonio Flaminio, der eine geistiger
Mittelpunkt, der andere Mitglied des Kreises (431). 15er-
nardin Ochino scheidet aus zeitlichen Gründen aus. Auszuschließen
ist auch die Einwirkung von reformatorischem
Gedankengut, das damals in Italien, speziell auch im
Kreise der Vittoria Colonna eindrang und das bisher in der
Forschung für M.s Kruzifixus-Auffassung geltend gemacht
wurde. Nicht hierin, sondern in der spätmittelalterlichen
Erbauungsliteratur und ihrem Verständnis von
Mt 27,46 liegen die zu M.s Neuprägung des Kruzifixus-
Bildes führenden Voraussetzungen. In diesem, aus den
Quellen überzeugend gewonnenen Ergebnis liegt das
Neue von H.s Arbeit und theologisch ihr wesentlicher
Ertrag.

Der Schlußteil (V, 50/54) gibt einen kurzen Ausblick
auf die Bildgeschichte des Kruzifixus bis hin zum 17. Jh.
M.s Bildkonzeption, nicht als Ganzes, aber im Motiv zum
Himmel gewendeten Hauptes, erweist sich als „bahnbrechende
Erfindung". Inhaltlich verschiebt sich der Sinngehalt
entsprechend der Auffassung der Gegenreformation
von Mt 27,46 als „ostensio" und „declaratio magni-
tudinis passionis" (vgl. Quellenmaterial 47/50).

Vf. hat sich bereits mit seiner ersten Arbeit ,Der tote

Christus am Kreuz' (Diss. Bonn 1963) und kürzlich mit
dem umfassenden Artikel .Kruzifixus' im Lexikon der
christlichen Ikonographie (II, 1970, S.677-695; z. Thema
681 u. 692) besondere Verdienste um die Erforschung der
Kruzifixusdarsteliung erworben (vgl. ThLZ 97, 1972,
527). H.s Arbeiten zeichnen sich aus durch die sorgfältige
Verarbeitung theologischer Quellen, die in diesem Maße
bei kunsthistorischen Forschungen nicht selbstverständlich
ist, wenngleich unerläßlich für Themen christlicher
Kunst. H. handhabt sie mit methodischer Umsicht, historischer
Zuverlässigkeit und unbestechlichem Urteil. Dies
führt ihn - wie in vorliegendem Buch - zu neuen Forschungsergebnissen
und gibt seinen Arbeiten, über das
Fachgebiet der Kunstgeschichte hinaus, für den Theologen
ihren besonderen Wert.

HMdribarg Erika Dfokler-von Schubert

Beinhart, Karl, Hätz, Brigitte, und Helmut Hempel: Handlungsfreiheit
im Raum (Kunst und Kirche 35, 1972 8.19*
bis 132).

MIankesteijn, Hans: Alte Kirchen - was fängt man mit ihnen
an? (Kunst und Kirche 85, 1972 S. 16-18).

Boehlke, Hans-Kurt: Die .Stellung des Friedhofes in den heutigen
europäischen Gesellschaften (Kunst und Kirehe 35,
1972 S.70-77).

Cope, Gilbert: Kirchenbau und Kreativität (Kunst und Kirche

36, 1972 S.108).
Förderer, Walter M.: KunBt für kirchliches Hauen (Kunst und

Kirche 35, 1972 S. 109-125).
Grundmann, Friedhelm: Leben in alten Kirchenräumen

(Kunst und Kirche 35, 1972 S.9-11).
Helle, Horst Jürgen: Zur Soziologie des Symbols (Kunst und

Kirche 34, 1971 S. 163-166).
Rombold, Günter: Jenes absurde Ereignis, welches wir Tod

nennen... (Kunst und Kirche 35, 1972 S.58-66).
Söhngen, Oskar: Josef Hegenbarth (Kunst und Kirche 35,

1972 S. 144-145).
Werner, Christoph M.: Zum Problem der Erneuerung alter

Kirchen (Kunst und Kirche 35, 1972 S.22-24).
Zapf, Katrin: Stadterneiiening (Kunst und Kirche 34, Iwl*

S. 109-112).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Zasche, Gregor, O.S.B.: Extra Nos. Untersuchung zu dem umstrittenen
Begriff des Ubernatürlichen bei evangelischen
Theologen der Gegenwart. Paderborn: Verlag d. Bonifacius-
Druckerei [1970]. 240 S. gr. 8° = Konfessionskundl. »•
kontroverstheol. Studien, hrsg. v. Johann-Adani-Möhlcr-
Institut, XXVI. Lw. DM 18,—.

Der philosophisch wie theologiegeschichtlich geladene,
für reformatorisches Denken zentral kontroverse, voü1
Neuprotestantismus des 19.Jh.s bis in die Gegenwart BJ
der evangelischen Theologie reflektiert und unreflektiei*
anwesende und gleichzeitig in der gegenwärtigen katholischen
Theologie umstrittene Begriff des „Übernatürlichen
" steht im Mittelpunkt dieser sorgfältigen Untei"
suchung. Ihr katholischer Verfasser, ein Rahner-Sehüle''»
versucht nach drei Richtungen hin seine Bedeutung z'f
entfalten. Zunächst weist er seine Anwesenheit ,,hel
evangelischen Theologen der Gegenwart" nach. Er g***
den ebenso einleuchtenden wie einfachen Weg, in erster
Linie am Modell der „Ur-Offenbarung" von Paul Altbau*
zu exemplifizieren, „daß das sachliche Anliegen der katholischen
Lehre von der Übernatürlichkeit im Bereich <h'r
evangelischen Theologie, wenigstens im Fall der ,Tbeol<>'
gie Althaus', vertreten wird" (131). Andere Namen sind
dieser Position zugeordnet. Solche unvermeidliche Aus-