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Ausgabe: | 1973 |
Spalte: | 267-269 |
Kategorie: | Altes Testament |
Autor/Hrsg.: | Delcor, Mathias |
Titel/Untertitel: | Le livre de Daniel 1973 |
Rezensent: | Bardtke, Hans |
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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 4
268
ALTES TESTAMENT
Delcor, Matthias: Le Hvre de Daniel. Paris: Gabalda 1971.
296 S. gr. 8° = Sources bibliques.
Den in der Qumränforschung rühmlichst bekannten
Toulouser Alttestamentier bestimmten zwei Motive, einen
Danielkommentar zu schreiben. Im französischen Sprachbereich
lag kein eigentlicher Danielkommentar vor, und
es mußten die bisherigen Ergebnisse der Qumränforschung
in die Exegese des Danielbuches eingearbeitet
werden. Delcor hatte sich durch zahlreiche Einzelarbeiten
auf dies^ exegetische Aufgabe gerüstet. Die Qumrän-
bibliographien weisen das aus.
Der Hauptakzent liegt in diesem neuen Danielkommentar
naturgemäß auf der Einzelexegese. Die Übersetzung
ist jeweils auf die linke Seite über den Text gestellt
mit soviel Versen, wie etwa auf eindreiviertel Seiten
ausgelegt werden können. Das hat den Nachteil, daß bei
verschiedener Länge der Auslegung der ausgelegte Text
um 3-4 Seiten hinter der Auslegung folgt. Da keine Randziffern
gegeben werden, hat sich der Autor sehr gemüht,
durch Verszahlen, die er an den Anfang der Abschnitte
stellt, hervorzuheben, um welche Auslegung es sich in diesem
betreffenden Abschnitt handelt. Die Übersetzung ist
sprachlich gut und klar, die Auslegungen sind durchweg
knapp gehalten und auf die notwendigen Bemerkungen
beschränkt, so daß ein wirklicher Kommentar entstanden
ist, der auf vielfältige Fragen gescheite Antworten zu
geben weiß.
Neben der gegebenen Bibliographie (S.51-56) bringt
der Vf. im Text noch zahlreiche Einzelliteratur bei, so
daß sein Werk alle moderne verstreute Einzelliteratur
zusammenfaßt und kritisch verwertet und somit einen
neuen Ausgangspunkt für die weitere Danielforschung bedeutet
.
S. 9-50 wird eine in zwölf Abschnitte gegliederte Einleitung
geboten. In den beiden ersten Abschnitten werden
der Inhalt des Buches sowie seine Stellung im Kanon kurz
dargestellt, wobei die apokryphen Stücke eine Rolle spielen
als kanonisches Gut, und die Stellung des Buches
Daniel in der griechischen Bibel besprochen wird.
Der dritte Abschnitt behandelt die literarische Einheit
des Buches und seine Entstehung. Zutreffend zieht der
Vf. einen Vergleich zu dem Aramäischen im Esrabuch, das
Archivurkunden in aramäischer Sprache enthält, während
im Danielbuch der aramäische Teil nahezu mit dem
Buch der Geschichten (2-6) zusammenfällt, also einer prä-
makkabäischen Zeit entstammt, während der hebräische
Teil in die makkabäische Zeit datiert wird. Nach Delcors
sicher richtiger Meinung hängt die Bevorzugung des
Hebräischen mit einer Wiedergeburt dieser Sprache in der
makkabäischen Epoche zusammen. Die Bewahrung der
aramäischen Sprache in den Kapiteln 2-7 würde dann den
Hintergrund einer versunkenen Epoche widerspiegeln.
Doch hat Qumrän auch aramäische Texte, z.B. das
Genesisapocryphon und 1 Qtg Job, aus etwas späterer Zeit
überliefert.
Dem Kapitel 7 schreibt Delcor geschickt und sachlich
zutreffend die Eigenart eines Scharniers, eines Gelenkkapitels
zu, das beide Teile, Kapp 1-6 und 8-12 miteinander
zu verbinden hat, wobei nicht nur die aramäische
Sprache jenes Kapitel 7 mit den Kapiteln 2-6 verbindet,
sondern auch bestimmte Formulierungen, wie z.B. die
^vier Winde, die Bücher des Gerichts, die Wahrheit, das
Ende, auf Zusammenhänge literarischer Art hinweisen,
und zwar zu den Kapiteln 8-12. Auch zu den Kapiteln
2-6 bestehen solche Verbindungen der Ausdrucksweise,
als ob der Autor der gegenwärtigen Gestalt des Buches
Daniel dem ganzen Buch eine gewisse Einheit geben wollte
. Auch Rowleys Hinweis auf das Vorkommen Belsa-
zars in Kapp 5.7.8 könnte auf eine Spur aufmerksam
machen, daß der Name aus Kap 5 eingetragen wurde in
Kapp 7 und 8, um so die künstliche Einheit zwischen beiden
Buchteilen zu verstärken. Delcor weist in diesem Zusammenhang
auf den literarischen Vorgang der Pseud-
onymie hin, der dann in der weiteren apokalyptischen
Literatur gepflegt wurde. Indem der Autor die Visionen
7-12 unter den Namen des Daniel stellte, wollte er andeuten
, daß der Daniel der ersten Kapitel 1-6 auch der
Empfänger der Visionen war.
Bezüglich dieser Visionen betont Delcor in der Vorrede,
daß einer seiner methodischen Hauptgesichtspunkte zur
Exegese des Danielbuches darin besteht, den zweiten
Teil des Danielbuches Kapp 7-12 aus einem chasidä-
ischen Milieu herzuleiten und dadurch die im Danielbuch
aufgegebenen Probleme befriedigend bewältigen zu können
. S. 15-19 äußert sich Delcor über diese Chasidäcr und
stellt alle Gesichtspunkte zusammen, die sich aus den
Quellen ergeben. Delcor denkt diese Bewegung im Jahr
174 v.Chr. entstanden, nachdem Jerusalem griechische
Stadt geworden war. Dieser genaue Zeitpunkt muß ein
wenig verblüffen, wenn wir etwa in BHH I 298 lesen, daß
diese Bewegung Anfang des 2. Jh.s v. Chr. entstanden ist
(Huppenbauer). Aber abgesehen von vielleicht ein wenig
überspitzter Genauigkeit in der Datenangabe vermag
Delcor tatsächlich eine Reihe von Gesichtspunkten beizubringen
, daß die chasidäische Bewegung wirklich die
tragende geistige Bewegung jener Äußerungen in Dan 7-12
gewesen ist. Es seien einige dieser Gesichtspunkte angeführt
. Im Danielbuch wird nichts von Waffen- und Gewaltgebrauch
gehalten (12,12). Der Bund, das Gesetz und
die Weisen bedeuten viel mehr. Die chasidäische Gruppe
bildet den heiligen Bund IMakk 1,15.63, der wohl eine
Bezeichnung der diesen Bund haltenden Gemeinde ist.
Dann weist Delcor eine Reihe von griechischen Begriffen
aus den Makkabäerbüchern auf, die genau den hebräischen
Begriffen in der Qumränliteratur entsprechen dürften
, z.B. die Begriffe ixovma^d/jei'oi = mitnadd°bim>
ovv«ytoyrf = cedäh, ferner die hebräischen Begriffe nias-
kilim und rabbim mit ihren griechischen Äquivalenten.
Dann dürfte die Ausdeutung der 70 Jahre auf Jer 25 in
Dan 9 auf die Pescharim-Äuslegung in der Qumränliteratur
verweisen. Ein weiterer Gesichtspunkt des Vf.s
besteht darin, daß das Buch Daniel wohl nur deshalb
kanonisiert wurde, alle späteren apokalyptischen Schriften
aber keine Aufnahme in den Kanon fanden, weil jenes
Danielbuch aus dem hyperorthodoxen Bereich der Chasi*
däer stammte. Auch in der Hymne auf Zion aus 11QP3
(DJD IV, 1965, 86-87) findet Delcor dem Danielbuch
verwandt anmutende Züge. Und selbstverständlich
spricht auch das Vorhandensein mehrerer Exemplare des
Danielbuches in den Höhlen von Qumrän für die chasidäische
These Delcors. Prüft man diese These Delcors auf
Grund seiner Auslegung der Kapitel 7-12, so muß man
sagen, daß man von seiner Beweisführung stark beeindruckt
ist und seiner These unbedingt zustimmen muß»
wie überhaupt die Art seiner Exegese beeindruckend Ith
wenn er im exegetischen Dreischritt den Text behandelt»
zuerst das literarische Genus und den Aufbau des betreffenden
Kapitels bespricht, dann im Abschnitt B die exegetische
Analyse bietet, während im Abschnitt C da3
Entstehungsdatum behandelt sowie die Absichten des
Autors bzw. die Historizität des Berichteten besprochen
werden.
Dem masoretischen Text des Danielbuches steht Delcor
konservativ gegenüber, ohne Korrekturen zu verschmähen
. Die griechischen Texte sind sorgfältig berücksichtigt
worden, und gegen die These von Armin Schmitt
(1966), daß die griechische, dem Theodotion zuertcilte
Version dem Symmachus zugeschrieben werden müßte
entgegen der These von Barthelemy - siehe meinen Auf*