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Ausgabe:

1973

Spalte:

264-266

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Räisänen, Heikki

Titel/Untertitel:

Das koranische Jesusbild 1973

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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203

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 4

bei. Unter ,,D" zur Krisis der religiösen Welt schreibt er:
„In Jesus Christus existiert Gott vor der Welt als Gott
für die Welt, indem er das Unwesen der Welt auf sich
nimmt und es von der Welt zu nehmen verheißt". „Die
Weltlichkeit Gottes in Jesus Christus ist die Krisis der
religiös existierenden Welt und so die Unterscheidung des
Wesens vom Unwesen der Welt."

Martin Stöhr beschreibt die protestantische Linke in der
Bundesrepublik der 50iger Jahre, die vor allen Dingen das
Anliegen des Darmstädter Bruderratswortes von 1947
aufgenommen hat und deren Wortführer neben Iwand
Martin Niemöller gewesen ist. Die Auseinandersetzung
spitzte sich i960 durch die kritisch ablehnenden Beurteilungen
der Obrigkeitsschrift von Otto Dibelius zu.
Stöhr führt dazu aus: „Anfang 1960 antwortete Martin
Niemöller mit einer Kritik, die in Verbindung steht mit
dem, was Ernst Käsemann und Ernst Wolf theologisch
erarbeitet hatten, in den Bruderschaften veröffentlicht
wurde und in der DDR die Diskussion um weite Schritte
hinausführte über eine retrospektive Verliebtheit der
Kirche in sich selbst, die sich aus Treue zur Kirche selber
betrog."

Daß Kirche nicht für sich sein kann, sondern sich selbst
aufgeben muß, wird auch in den ekklesiologischen Beiträgen
von Wolfgang Schweitzer und Jan Lochman deutlich
. Für ganz ausgezeichnet halte ich den Beitrag von
Jürgen Hilke zum Thema „Verkündigung und Praxis".
Ein wesentlicher Satz daraus: „Um den Text der Geschichte
Gottes mit handelnden Menschen als Text sozialer
und politischer Zusammenhänge lesen zu lernen, bedarf
die politische Ethik einer ,kritischen Theorie', die
über den Erfahrungshorizont des einzelnen und die Begrenzungen
der pragmatischen Vernunft hinaus den Aufweis
dieser Zusammenhänge leistet."

Als kritische Theorie der gesellschaftlichen Widersprüche
wird man die Marxsche Theorie wenigstens
„nachlesen müssen", schon deshalb, weil die Kirche selbst
in diese Widersprüche der Gesellschaft verwickelt ist.

Wie schon so oft in seinen Veröffentlichungen räumt
Eberhard Bethge in seinem Beitrag „Geschichtliche
Schuld der Kirche" - Anmerkungen zum Stuttgarter
Schuldbekenntnis - mit dem Kirchenkampfmythos auf.
Für ihn war die Bekennende Kirche zwar ein Politikuin
in den Auseinandersetzungen der Nazizeit, ließ aber notwendiges
politisches Handeln vermissen. Für die Zeit
nach 1945 stellte er fest: „Die Unlust, die Schuld der
Kirche als eine geschichtliche und politische in der Folgezeit
immer spezifischer zu erkennen und zu verantworten,
bedeutete so faktisch eine stille Annullierung von stutt-
^t-"

Aus der Reihe der Beiträge führt der von Erich Dinkler :
„Die Freiheit der Theologie und ihre Grenze" etwas heraus
. Er weist darauf hin, daß Niemöller als hessischer
Kirchenpräsident für die weitere Mitgliedschaft Rudolf
Bultmanns im kirchlichen Prüfungsamt eingetreten sei.
Auch aus ihm ein wichtiges Zitat: „Was darf man den
Hinweisen auf Harnack, Bultmann, Barth entnehmen?
Zweierlei ist im Blick auf die Frage nach „Freiheit der
Theologie und ihre Grenzen" zu sagen: einmal ist daran
zu erinnern, daß die Theologie einen Gegenstand hat,
nämlich die Auslegung der Offenbarung Gottes in der Geschichte
in Jesus Christus. Zwar ist dieser Gegenstand
immer derselbe, aber das Verstehen dieser Geschichte ist
nie abgeschlossen. Das einmalige Geschehen in Jesus von
Nazareth, seine Bezeugung in der Schrift und seine Auslegung
in der Tradition sind damit bleibende Aufgabe der
theologischen Bemühungen, nämlich ihre Bedeutung für
Glaube und Handeln heute neu zu aktualisieren. ... zum
anderen : die Weite der Toleranz in Fragen der Freiheit
der Theologie ist abhängig von der Bindung des Theologen
an die Sache, an das verbindliche Bekennen zu Jesus

Christus als Kyrios. Der Toleranzraum läßt sich also
nicht in mathematischen Zahlen angeben, sondern die
Beurteilung der Grenze oder auch dessen, was Häresie
ist, hängt mit ab von der theologischen Existenz' der in
Frage gestellten Person...".

Martin Niemöller hat in solcher theologischen Existenz
gelebt und Christliche Freiheit in seinen acht Lebensjahrzehnten
im Dienst an Menschen verwirklicht.

Dresden Walter Fourlcb

Herrnhut. Ursprung und Auftrag. Hrsg. von der Direktion der
Evangelischen Brüder-Unität, Distrikt Herrnhut. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt u. Hamburg: Wittig [1972]. 132 S. m.
142 Abb. a. Taf. gr. 8°.

Hübner, Eberhard: Bilanz der Theologie im 20. Jahrhundert
(WissPrKiGcs 62, 1973 S.37-46).

Ordnung, Carl: 250 Jahre Herrnhut. Größe und Grenzen eines
christlichen Experiments. Berlin: Union Verlag [1972J.
72 S., 52 Abb. a. 40 Taf. 8°. Lw. M 6,20.

Sohlink, Edmund: Über die künftige Aufgabe von „Kerygma
und Dogma" in einer veränderten theologischen und kirchlichen
Situation (KuD 19, 1973 S.2 9).

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Käisänen, Heikki: Das koranische Jesusbild. Ein Beitrag Z"r
Theologie des Korans. Helsinki: Kinnische Gesellschaft für
Missiologie undÖkumenik 1971. 107 8. gr. 8° «= Schriften
der finnischen Gesellschaft für Missiologie und Ökumcnik,
XX. Emk. 10,—.

Kein Thema koranischer Theologie ist so oft und nüt
unterschiedlichen Zielstellungen behandelt worden wie
das des Jesusbildes. In letzter Zeit ist eine erneute Aktivität
auf diesem Gebiet in der Folge interreligiöser Gespräche
festzustellen. Eine neue Behandlung des Themas
kann also auf einiges Interesse stoßen. Da neues Material
kaum zu erwarten ist, es sei denn der arabische Sana
überrascht uns mit neuen Funden, geht es dabei primär
um einen Versuch, den relevanten koranischen Aussagen
durch neue Fragestellungen mehr als bisher abzugewinnen
oder veraltete Auffassungen zu korrigieren. Nur so ließe
sich eine Beschäftigung damit heute rechtfertigen. Ich
habe den Eindruck, daß dies für die vorliegende Arbeit
zutrifft. Der Vf. stellt sich als Neutestamentier vor, dem
die arabistischen Spezialkenntnisse (nicht aber die Kenntnis
des Arabischen!) abgehen, der aber als Ausgleich dafür
die „Perspektive der historisch-kritischenBibelexegese
aufbietet, was sicherlich ein Gewinn ist. Generell zeichnet
sich die Untersuchung durch kritische Nüchternheit und
das Infragestellen herkömmlicher Deutungen aus. Einen
Beitrag zum interreligiösen Dialog sieht der Vf. nur dann
gegeben, wenn die Partner die eigene sakrale Tradition
einer „wirklich kritischen Würdigung" unterziehen
(Vorw.).

Die Einleitung (7-16) bietet einen Überblick über den
Wandel des Koranverständnisses in Europa, das sich auch
im 20, Jh., vornehmlich in den missiologischen Studien,
noch nicht restlos von veralteten apologetisch-polemischen
Unterströmungen befreit hat. „Die Untersch&t"
zung der fremden Tradition zugunsten der eigenen führt
in eine Sackgasse" (10). Auch die historisch-genetische
und motivgeschichtliche Forschung habe ihre Schwächen,
indem sie Ganzheiten zertrümmere. Et. erinnert demgegen
über an die Leistung von H.Jonas für die Gnosisfor-
sehung (12). Was die Darstellung der Christologie an belangt
, so hält er die bisherigen Versuche bis auf den von
G.F. Geroek von 1839 für unbefriedigend. Den Ansatz