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Ausgabe: | 1973 |
Spalte: | 200-202 |
Kategorie: | Philosophie, Religionsphilosophie |
Titel/Untertitel: | Philosophische Theologie im Schatten des Nihilismus 1973 |
Rezensent: | Fritzsche, Hans-Georg |
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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 3
200
besonders mit Schäzler, um die Zuordnung von Glaube und
Philosophie (228ff) besagt: „Glaube schließt Vernünftigkeit
ein und bedarf der Vorausetzung der Philosophie, ohne
doch in ihnen aufzugehen" (245 bzw. 304ff). Der christliche,
objektive Glaube, der als Autoritätsglauben aufgrund der
Verkündigung auf dem natürlichen Glauben (philosophische
Gotteserkenntnis) aufruht, erfaßt den ganzen Menschen,
seine theoretische (Gotteserkenntnis, Theologie), seine sittlich
-praktische (Lebensform), seine soziale (Gemeinschafts-,
Autoritätsglaube) und seine geschichtliche Natur (Glaubensdialektik
). Seiner theoretischen Seite nach impliziert er als
Akt die Vernunft; er ist aber nicht Wissen, sondern bewußte
Gewißheit vom Glaubensinhalt. Dieser Glaube braucht als
Akt des Anschlusses an Jesus Christus Gemeinschaft, Überlieferung
(Geschichte) und Angepaßtheit an die je gegenwärtige
Situation.
Wenn also Glaube ein persönlicher Vertrauensakt, eine
Lebenserfahrung ist, in der die Abhängigkeit von Gott und
dessen Anforderung als das Konstitutive der menschlichen
Existenz anerkannt und realisiert wird, dann ist von Kuhn
zu lernen, daß Glaube weder in Wissen noch in humanitäres
Tun auflösbar ist, daß die heutige Glaubenstheologie angesichts
der Gott-ist-tot-Vorstellungen und des Atheismus den
welttranszendenten Gott wieder klarer denken sollte. Und
wenn Theologie nach Kühn Explikation von Sinn und Wesen
des rechten (überlieferungsgeschichtlich gebundenen) Glaubens
ist, also dem Glauben auf seinem Weg zu helfen hat,
dann stellt sich heute etwa die politische Theologie als notwendige
Ergänzung von Wesen und Aufgabe der Theologie
dar. Und wenn Glaube ein lebendiges partnerschaftliches
Verhältnis zu Gott und Mitmensch ist, dann wird das Lehramt
mehr als einladendes Transparent denn als absolute Kontrolle
zu verstehen sein, dann werden die Funktion und der
Vollzug der Glaubensverkündigung nicht mehr exklusiv an
die Priesterweihe zu binden sein.
Betrachtet man nochmals die drei Hauptpunkte: Wesen
des übernatürlichen Glaubens als eines vertrauenden Personaktes
, als eines bewußt-gewissen ganzmenschlichen Aktes
und als eines geschichtlichen, kommunikativen Aktes
(Gott und Mitmensch in der Kirche), dann erweist sich Kuhns
Glaubensanalyse „als Vorstufe der gegenwärtigen, als Anfang
einer Entwicklung, die die anthropologische Seite des
Gott-Mensch-Verhältnisses gleichberechtigt neben die Frage
nach dem Wesen Gottes stellt. Insofern enthält Kuhns Glau-
bensbegriff viele Aussagen, die die Gegenwart ausführlicher
anspricht" (342). Freilich hätte man sich im abschließenden
III. Teil weniger Zusammenfassung der im II. Teil klar detailliert
dargestellten Gedanken Kuhns als vielmehr das
über Andeutungen hinausgehende Ausziehen der drei pisteo-
logischen Perspektiven in die heutige Diskussion hinein gewünscht
. Dann wären auch kontroverstheologische Aspekte
zu berücksichtigen gewesen. Für die Beschäftigung mit der
Tübinger Schule, speziell mit Kuhns Theologie, wird dieses
Werk unentbehrlich sein.
Loc,:um Uwe Gerber
Assmann, H.: Libcraciön. Notas sobre las implicationes du
un nuevo lenguaje theolögico (Stromata 29, 1972 S 161
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PHILOSOPHIE
RELIGIONSPHILOSOPHIE
Salaquarda, J. (Hrsg.] i Philosophische Theologie im Schatten
des Nihilismus. Mit Beiträgen von W. Weischedel, G.
Noller, H.-G. Geyer, W. Müller-Lauter, W. Pannenberg.
R. W. Jenson. Berlin: de Gruyter 1971. VII, 205 S. 8°. Kart.
DM 19,80.
Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit Wilhelm Wei-
schedels 1961 an der Kirchlichen Hochschule Berlin-Zehlefl-
dorf gehaltenem ebenso überschriebenen Vortrag. Die Thematik
berührt sich eng mit der des „Streitgespräches" zwischen
Weischedel und Gollwitzer „Denken und Glauben
von 1963/64 (vgl. hierzu meine Rezension in ThLZ 91, 1966,
Sp. 538-540); eine zusammenfassende Stellungnahme Wei-
schedels zu seinen Kritiken! im hier zu besprechenden Buch
bezeichnet den inzwischen neuesten Stand der Debatte; ein
für „demnächst" angekündigter 1. Band eines Werkes ,Dcr
Gott der Philosophen' läßt darauf schließen, daß Weischedel
von seinem Anliegen, Philosophie und Theologie im nachmetaphysischen
Zeitalter erneut aufeinander zu beziehen,
zutiefst durchdrungen ist.
Der Beobachter wird indes dieser Wendung des Dcnkcn-
Glaubcn-Dialogs zu einer Empfehlung an den Glaubenden/
sich ernsthaft auf den Nihilismus einzulassen (im Namen
von Ehrlichkeit und vom Theologen immer begehrter ,R3'
dikalität' - oder auch in der Predigtsprache mystisch en'"
sagender theologia negativa wie S. 48, vgl. hierzu Nolle
S. 53) nicht recht froh. Ihm kommen Fragen über Fragen,
gerade weil das Buch ein gedankenscharfes und redege*
wandtes Traktieren des Descartcsschen Prinzips De omnibus
dubitandum ist (philosophisches Fragen als radikales Fi-3'
gen müsse alles in den Wirbel des Fraglichmachens hincin-
reißen, „es unterläuft alle Antwort, es untergräbt alle Gewißheit
", S. 33). Doch: daß das nachmetaphysische Zeitalter
das „Zeitalter des Nihilismus" sei, erscheint ganz als die
Sicht einer schon nihilistisch voreingestcllten Optik - kei'