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1973

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 3

198

Auch dürfte das Apokryphon des Johannes eine zu schwache
und problematische Basis sein. Warum ist nicht eine ganze
Studie Philo gewidmet, zumal der Ausgangspunkt der ganzen
Arbeit die wissenschaftliche alexandrinische Theologie
ist? Der Vf. steht vor der objektiven Schwierigkeit, daß
ast alle von ihm untersuchten Pneuma-Stellen im Schatten
"er Logos-Christologie stehen. Das heißt aber, es hätte noch
starker herausgearbeitet werden müssen: 1. was es für das
exklusive Selbstverständnis des Geistbegabten bedeutet, daß
Cs der Geist Christi ist, der ihn formt-2. dafj Geistbegabung
niemals als Habitus verstanden werden kann, sondern im-
rif ^nadcngabe ist, die zur standigen Neuorientierung an
hristus verpflichtet, und daß aus diesem Grunde christli-
er Humanismus nicht unversehens inhuman werden kann.
aß die gesellschaftliche Relevanz dieser Pneumatologie
■Gnadenhnftigkeit' ist, m. a. W„ daß dieses Christsein ein
wahrcs Menschentum von Gottes Gnaden ist und daher ohne
Jede legitime Möglichkeit, [totalitär oder] gewalttätig zu
Verden, scheint mir das gewichtigste Ergebnis der Untersuchungen
zu sein. Abschließend muß dem Vf. aber über diese
ntische Würdigung seiner Arbeit hinaus gedankt werden
^ur die Aufdeckung von bisher nicht gesehenen Zusammenlegen
und Entwicklungsverläufen: die Bedeutung gesellschaftlicher
Komponenten im Dogmatisierungsprozeß -
"eue Aspekte für die Entstehung des Zwei-Klassen-Christen-
ms - Einblicke in den gcistesgcschichtlichen Prozeß der
erchristlichung von Elementen griechischer Philosophie
d Psychologie (Bildungslehre, paideia-Bcgriff) - die po-
fQ1V° Bedeutung eines synkretistischen Zusammenwirkens
ur die Entwicklung der christlichen Lehre. Der um die Neulösung
der reformatorischen Rechtfcrtigungslehre, der
nstlichen Anthropologie und des Verhältnisses Christen-
m - Humanismus bemühte Systematiker wird dem Buch
ar>che Anregung entnehmen können.

P°tidam-Babelsberg Helmut Opitz

^'ebner, B.; Die Orientierung des Jerusalemer Tempels und
,-Sacred Dircction" der frühchristlichen Kirchen (ZDPV
87- 1971, S. 153-166).

regorio di Nazianzo: Tcologia e Chiesa: Espericnza di-
ede e riflessionc teologica. Edizione italiana a cura di E.
Bo"ini. Milano: Ed. Jaca Book (1971). 150 S. 8° = Stru-

Öel, Wilhelm: Wie haben die Bischofswahlen den politi-
. cn Mächten die Gelegenheit zu Manipulation geboten?
K (Concilium 8, 1972 S. 515-519).

rc'schmar, G.: Festkalender und Memorialstätten Jerusa-
L in altkirchlicher Zeit (ZDPV 87, 1971, S. 167-205).
°9rand, Hervc-Maric: Der theologische Sinn der Bischofs-
^ahl nach ihrem Verlauf in der alten Kirche (Concilium

* Andre: La loi dans l'ordre cosmique et politique se-
°n Philon d'Alcxandric (Science et Esprit 24, 1972 S. 217

pefr 247)-.

and, Gilles: Lc dossier patristique relatif au divorce.
c,CVUe quelques travaux recents (Science et Esprit 24, 1972
jj.0- 285-312).

™9|< Calogero: Testimonianza missionaria dell'Avvento di
r,sto. Rileggendo l'.Epistola a Diogneto", cod. F (Sale-

Sieb11"1 34' 1972 S- 419-488).

en, Hermann-Josef: Zur Entwicklung der Konzilsidcc
Ideologie ""d Philosophie 47, 1972 S. 358-401).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

^'figcr, Franz: Der Glaube nach Johann Evangelist von

v n- Wesen, Formen, Herkunft, Entwicklung. Göttingen:
***denhoeck & Ruprecht 1972. 379 S. gr. 8° = Studien
1 Theologie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts,
* Lvv- DM 42, - .

Im I. Teil dieser Münchener Dissertation wird die Glau-
bcnsproblematik erörtert im Zusammenhang mit der Frage
nach Gotteserkenntnis und nach der Möglichkeit der Offenbarung
in der Philosophie und Theologie seit der Aufklärung
. Neben dem Vernunftglaubcn des sittlich guten Menschen
(Jacobi, Kant, Fichte), der spekulativen Gotteserkenntnis
im Sinne Sendlings, neben Hegels Denkdialektik und
Schleiermachers Gotteserkenntnis durch das Abhängigkeitsgefühl
werden die Offenbarung-Glaubc-Fragen bei Drey,
Möhler und Hirscher als Hintergrund für Kuhns Gedanken
dargestellt.

Kuhn (1806-1887) ist der bedeutendste spekulative Vertreter
der Tübinger Schule neben Staudcnmaier. Im Anschluß
an Jacobi und in Auseinandersetzung mit der aufkommenden
Neuscholastik hält er Philosophie und Theologie
auseinander, versucht aber, Glauben und Wissen einander
harmonisch zuzuordnen, und lehnt dabei den rationalen
Beweis der christlichen Wahrheit ab. Die romantischen Elemente
: Geschichte »nd Gemeinschaft, lassen den historisch
gebundenen und ekklesiologisch vermittelten Aspekt des
Glaubens hervortreten.

Im II. Teil wird Kuhns Darlegung der Glaubensproblc-
matik in fünf Etappen dargestellt:

1. In den ersten Entwürfen zum Thema „Glaube" von
1832 34 fragt Kuhn, ob es wahre und richtige Erkenntnis
von Dingen bzw. Personen außer uns gibt, ob und inwiefern
es dann Wissen und Glauben bzw. Philosophie und Theologie
gibt? Die Frage des theologischen Glauben ; wird hier
vornehmlich unter dem Aspekt des Wißbaren behandelt.

2. Im exegetischen Werk (1834-1838) wird die Pisteologie
explizit thematisiert, bedingt durch die Paulus-Exegese und
Strauß' »Leben Jesu". „Glaube ist nunmehr das breite, vertrauende
Eingehen — als ganzmenschlicher Akt der Freiheit
und der Vernunft — auf den Jesus der Geschichte, der
vorausverkündet war und nun tatsächlich gekommen ist,
das Heil gebracht und sich als Heilbringer durch Wunder
und erfüllte Weissagungen erwiesen hat. Die Orientierung
des Glaubens am Faktum Jesus Christus ist also die Erfüllung
der Religion, aber auch ihre Krisis" (99 bzw. 301f).

3. In den ersten Hauptschriften und der 1. Auflage der
Dogmatik (1839-1846) werden das Wie, also die Form, die
Ermöglichung und der Inhalt dieses (vertrauenden und wissenden
) Glaubens erörtert: Christlicher Glaube ist seinem
Wesen nach Offenbarungsglaube und Gemeinschaftsglaubc,
seiner Struktur nach Autoritätsglaube und geschichtlicher
Glaube (125f), ein wachsender Glaube (303).

4. In den durch kontrovcrsthcologischc Auseinandersetzungen
etwa mit Baur geprägten theologiegeschichtlichcn
Forschungen (1850-1858) und in der 2. Auflage der Einleitung
in die katholische Dogmatik (1859) expliziert Kuhn
dann seinen geschichtlich-personalen, durch Dreys hcilsge-
schichtliche Betrachtung beeinflußten und gleichzeitig erkenntnistheoretisch
bestimmten Glaubensbegriff (160ff):
„Glaube, menschliches Fürwahrhalten auf Autorität hin,
ist seinem Wesen nach zugleich vernünftiges und freiwilliges
Annehmen des von Gott Gebotenen — ein menschliches
Reagieren auf Gottes Agieren unter dessen Beistand: In der
Offenbarung teilt sich Gott persönlich mit, im Glauben ergreift
der Mensch die angebotene Hand ,und einigt sich
mit Gott durch Hingabe an ihn'. Es ist ein ganzmcnschlichcr
Akt, veranlaßt durch das Evangelium Jesu und verursacht
durch die Gnade; er schafft das Heil, die Einigung mit Gott"
(213 bzw. 304). Der bislang mehr erkenntniskritischc Aspekt
ist durch eine heilsgeschichtliche Konzeption gleichsam überwölbt
: „Als Zentrum und Inbegriff des Glaubens erscheint
seine heilsschaffcnde Funktion . . . Als personal-sittliche Angelegenheit
ist Glaube Anschluß an Jesus Christus, in der
Kirchengliedschaft oder der Gemeinschaft der Gläubigen in
Lehre und Sakramenten verwirklicht" (227 bzw. 304).

5. Kuhns Kontroverse mit der Neuscholastik (1859'60 - 69),