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Ausgabe:

1973

Spalte:

187-188

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Weiser, Alfons

Titel/Untertitel:

Die Knechtsgleichnisse der synoptischen Evangelien 1973

Rezensent:

Jörns, Klaus-Peter

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Seite 1

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187

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 3

188

Pharisäer in der Tradition nicht darin seinen Grund haben,
daß diese Gruppe als einzige innerhalb des Judentums durch
ihre Stellung zum Gesetz und zur Gottesherrschaft als Gesprächspartner
für Jesus in Frage kam?

Aber wie dem auch sei: man wird Baumbach auf alle Fälle
darin zustimmen können, dafj die historische Wahrheit reicher
und differenzierter ist, als zur Typisierung neigende
Tradition auf den ersten Blick erkennen läftt. „Jesus mufj
mit seinem Reden und Tun letztlich allen jüdischen Gruppen
Anstoß bereiten, wobei in den einzelnen Punkten bald
die eine, bald die andere Gruppe stärker betroffen wurde"
(S. 96f).

Erlangen Jürgen Roloff

Weiser, Alfons: Die Knechtsgleichnisse der synoptischen

Evangelien. München: Kösel 1971. 312 S. 8" = Studien

zum Alten und Neuen Testament, hrsg. v. V. Hamp, J.

Schmid u. P. Neuenzeit, XXIX. Kart. DM 82,-.

Die Dissertation (WS 1969/70 Würzburg) von Pater Alfons
Weiser SAC ist mit bewundernswerter Sorgfalt im Detail
geschrieben - Ergebnis der Auseinandersetzung mit einem
breiten Spektrum von Literatur, deren Verzeichnis 15 eng
bedruckte Seiten benötigt. Hier bleiben keine Wünsche offen,
und das gilt insbesondere für die Beachtung der Rabbinica.

W. geht es bei der Behandlung der „Knechtsgleichnisse"
einmal darum, sie als besondere Gruppe von Gleichnissen
einer (vermißten) zusammenhängenden Untersuchung zu unterziehen
. Hierbei interessieren W. drei Fragen besonders.
1. Wenn in Gleichnissen ein Knecht „Zentralfigur" sei - ob
es sich dann lediglich um ein Bildelement oder um Meta-
phorik handele, „so daß die Doulos-Gleichnisse möglicherweise
eine ihnen gemeinsame Thematik behandeln, wie E.
Kamiah meint" (15). 2. An wen waren die Gleichnisse ursprünglich
gerichtet, und warum sind die Adressaten geändert
worden? 3. Angesichts der Tatsache, dafj einem (nicht
schon: „dem"; S. 15) Doulos ein (nicht schon: „der", ebd.)
Kyrios gegenübersteht - welche Bedeutung hat Kyrios dann
in den Reden Jesu, in den Gleichnissen der Evangelisten?

W. führt die Untersuchung der Fragen in vier Teilen durch.
Der 1. Teil („Das Wortfeld .Dienen', ^Dienst', .Knecht' im AT,
Spätjudentum und NT") mündet in ein Umgrenzen des Untersuchungsgegenstandes
. Dabei wird unterschieden zwischen
Gleichnissen, in denen Knechte vorkommen, die aber
nicht „Knechtsgleichnisse" heißen sollen (Mk 12,1 — 9 parr,-
Mt 22,1-10 par, 11-13), und „eigentlichen Knechtsgleichnissen
" (Mt 18,23-35; Lk 17,7-10; Mk 13,33-37; Lk
12,35-38; Mt 24,45-51 par; Mt 25,14-30 par). Nicht behandelt
werden Mt 13,24 - 30 (da den Knechten als Gesprächspartnern
des Hausherrn keine besondere Bedeutung
zukomme) und Lk 15,11-31, ebenso Mt 20,1-16 und Lk
16,1 -8 („Sie gehören weder terminologisch noch thematisch
eindeutig in den Bereich unserer Darstellung", 46). Vorweg
war in den Wortfelduntersuchungen festgestellt worden,
daß „Knecht" im AT, Spätjudentum und bei den Synoptikern
„sehr vielfältig" (41) verwendet wird, nämlich „in
eigentlicher und übertragener Weise, in profanem und religiösem
Sprachgebrauch" (27).

Der 2. Teil des Buches (49-71) behandelt dann die „Bedeutung
der düloi" in Mk 12,1-9 und Mt 22,1-10 par, der
3. Teil (75 -120) die Gleichnisse Mt 18,23-35 und Lk 17,7-10,
der 4. (123 — 272) die eschatologischen „Knechtsgleichnisse"
Mk 13,33-37 (mit einem Exkurs zum „Kommen Gottes");
Lk 12,35 - 38; Mt 24,45 - 51 par und Mt 25,14-30, deren gemeinsame
Problematik in der Frage gesehen wird, ob mit
dem fortgehenden und wiederkommenden Herrn lediglich
ein Bildelement erscheine, dem in der Sachhälfte keine bestimmte
oder vielleicht überhaupt keine Person entspreche,
oder ob eben (in Jesu Mund) Jesus oder ein anderer gemeint
sei (125).

Die gefundenen Ergebnisse aller Teile und Kapitel faßt
der „Abschluß" (273-275) zusammen, an den wir uns der
Knappheit wegen hier auch halten wollen, ohne alle Ergebnisse
aufzählen zu können: Jesus habe „Knechtsgleichnisse"
gebildet und „Knecht" dabei in „vielfältiger" (s. o.) Bedeutung
verwendet. Sie haben „weder eine einheitlich polemisch
ausgerichtete Thematik, noch lassen sie sich einheitlich als
Jüngergleichnisse' einordnen" (273). Ohne metaphorischen
Sinn erscheine „Knecht" Mt 13,24 - 30; Lk 15,11-31; Mt
22,1-10 (erst Mt ändere den Bezug hier). Metapher für
„Prophet" sei „Knecht" Mk 12,1-19 parr (falls das Gleichnis
von Jesus sei); Mt 18,23-35 drücke die Metapher „das
Verhältnis des Menschen zu Gott aus" (273; der Bezug auf
das Reich sei nicht ursprünglich: 274). Mk 13,33 - 37; Lk
12,35 - 38; Mt 24,45 - 51 par und Mt 25,14 - 30 par sei bei
den „Knechten" nicht an religiöse Führer Israels zu denken;
sie seien „Krisisgleichnisse" nur in dem Sinn, daß sie die
Entscheidung fordernde und Kritik am Jetzt enthaltende
„Vollendungsgestalt des Reichen Gottes" als nah vor Augen
führen. Nach Ostern seien dann erst die Bezüge auf Parusie,
Christus (Kyrios) und Christen (Douloi) hergestellt worden.
(Überflüssig ist ein anderes „Ergebnis": daß Jesus durch die
Verwendung von „Knecht" nicht den Sklavenstand sanktionieren
wollte (275), und ebenfalls außerhalb der Excgetica
gründet die These, daß es um das Bewußtsein gehe, „daß es
keine menschliche Autonomie vor Gott gibt, sondern der
Mensch . .. Gottes bedarf ..." [ebd]. Im Widerspruch zu den
Exegetica steht der harmonisierende Schlußsatz: „Christlicher
Glaube bekennt, daß beide Gestaltungsprozesse (seil-
Jesu und der synoptischen Tradition, der Vf.] letztlich einen
einzigen Ursprung haben: den Geist Jesu Christi.")

Trotz der Sorgfalt der Untersuchung bleibt eine Grundsatzfrage
leider unbeantwortet: Ist es überhaupt möglich,
zwischen metaphorischer und nicht-metaphorischer Verwendung
einzelner Wörter in Gleichnissen zu unterscheiden —
angesichts der Tatsache, daß in ihnen kein Zug oder Wort für
sich betrachtet werden kann, sondern alles auf ein einheitliches
Gemeinsames zielt, dem Bild- und Sachhälfte dienen,
eben der Aussage des Evangeliums, die sich nicht anders
als in Gleichnissen sagen läßt und darum
selbst eine gültige, unauswechselbare sprachliche Gestalt
in den Gleichnissen Jesu gefunden hat, wie auch der
Logos Gottes im Menschen Jesus (s)eine eigene, unauswech-
selbare geschichtliche Gestalt gefunden hat? Damit verbunden
taucht eine weitere Frage (von neuem) auf: Ist es richtig,
den Begriff „Gleichnis" zu verwenden, wenn die in dem gestalteten
Stoff erkennbare, beabsichtigte Aussage z. B. einer
vorwiegend pädagogisch-didaktischen Absicht dient, genereller
: wenn das ohne Gleichnisse sprachlich nicht Faßbare
gar nicht „gefaßt" werden sollte und wurde? Wenn es nicht
richtig ist, erscheinen Gleichnis und Nicht-Gleichnis a's
streng zu trennen. Dann ist weiter im Blick auf „Herr" und
„Knecht" zu sagen, daß nicht das Vorkommen einzelner Wörter
oder Lebensbereiche das Kriterium ist, um das es geht,
sondern das Fragen nach der jeweils spezifischen Art von
Gestalt des Evangeliums, von der sonstige Genera verdichteter
, auch bildhafter. Rede abzuheben sind. W.s Arbeit bestätigt
das auf ihre Weise, wenn sie aufzeigt, daß sich im
AT, Spätjudentum und bei Jesus kein grundsätzlich voneinander
abhebbares Bild über die Bedeutungsbreite von
„Knecht" als Vokabel erkennen läßt. Das rückt dann aber
auch W.s Abgrenzung des Stoffes und den Terminus
„Knechtsgleichnisse" in ein anderes Licht (wobei zu fragen
ist, ob Knechte irgendwo tatsächlich „Zentralfigurcn" sind)-
Eine wirkliche Zäsur liegt erst zwischen Jesus und der synoptischen
Tradition, die auch die Gleichnisse Jesu in da5
neue Sprachsystem der christlichen Didachc (besonders M')
eingeschmolzen und damit ihres Eigenen weitgehend entkleidet
hat.

Gödenroth Klaus-Peter Jörns