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1972

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 2

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dieser Zeichen eine anschauliche Vorstellung von der Art des
Textvortrages zu erhalten. Auch wenn man die Studie von
C. Heeg, La notation ekphonetique, Copenhague 1935, zu
Hilfe nimmt, bleibt das Moment des Gesangsmäßigen beim
Textvortrag in hohem Grade schattenhaft. Die beigeschriebenen
Zeichen bewirkten zweifellos in erster Linie eine Gliederung
des Textvortrages, wohl in Verbindung mit festen
melodischen Formeln. Gerade diese Formeln lassen sich aber
schwerlich aus der schriftlichen Überlieferung allein rekonstruieren
, vielmehr setzt diese Notation die lebendige Tradition
dieser Formeln voraus. Hier könnte wohl nur ein umfassendes
Studium der heute im Rahmen der Ostkirche

üblichen Lektionsweisen weiterhelfen. Was die philologische
Seite anlangt, bietet die jetzt heranzuziehende kritische Edition
des Prophetologium hinreichend Stoff, den Lektionsvortrag
ernsthaft zu studieren.

München Reinhold Schlötterer

Melzer, Friso: Zwei Möglichkeiten des „innerlichen" Betens
(PB1111,1971 S. 465-468).

Saphiris, Gerasimos: Die Entwicklung des Chrismas in den
verschiedenen Riten des Ostens. Die Bedeutung der Firmung
vor und nach der Taufe (Kyrios 11, 1971 S. 1—20).

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Bubenheimer, Ulrich: Consonantia theologiae et iurispruden-
tiae. Andreas Bodenstein von Karlstadt als Theologe und
Jurist auf dem Weg von der Scholastik zur Reformation
1515-1522. Diss. Tübingen 1971. 294 S.

Die sowohl biographisch wie theologie- und rechtsgeschichtlich
interessante Arbeit untersucht zwei von der Karlstadt
-Forschung vernachlässigte Probleme: Einmal K.s juristische
Laufbahn, sein Denken und Handeln als Jurist; zum
anderen den Einfluß von K.s Beschäftigung mit der Jurisprudenz
auf seine Theologie und sein kirchenpolitisches
Verhalten in den Anfangsjahren der Reformation. Der Vf.
kommt zu dem Ergebnis, daß sich das Juristische in K.s Theologie
außergewöhnlich stark niedergeschlagen hat und daß
K. unter Absehung von seinem juristischen Gedankengut
nicht angemessen interpretiert werden kann.

Entgegen Barge hat K.s Promotion zum Doktor beider
Rechte nicht in Siena, sondern im Rahmen von K.s Romaufenthalt
1515/16 in Rom stattgefunden. Überraschend reichhaltiges
Material läßt sich über K.s Romreise zusammentragen
. In theologischer Disputation an der Sapienza kam es
schon damals zu Meinungsverschiedenheiten zwischen K. und
dem Magister Sacri Palatii Silvester Prierias, offenbar über
Fragen der Schriftautorität. Aufgrund eines Berichtes K.s
im „De canonicis scripturis libellus" (1520) läßt sich rekonstruieren
, daß uns in seinen „Apologeticae Conclusiones"
vom Mai 1518 noch einige seiner römischen Disputationsthesen
erhalten sind (sicher These 14 und 17). Barge hatte in den
Thesen 12—22 dieser Reihe das Schriftprinzip in einer bis dahin
unausgesprochenen Unbedingtheit vorfinden wollen und
damit seine Gesamtsicht untermauert, daß K. Luther voraus
gewesen sei. Der Vf. arbeitet demgegenüber heraus, daß K.
aus einer festen kanonistischen Tradition schöpft. Während
K. einerseits dem Konziliarismus Pariser Prägung (Gerson)
eine Absage erteilt, ist hier keine papstkritische Position ausgedrückt
, die über die kanonistische Tradition hinausginge.
Damit stellt er zwar vor Luther die Infallibilität des Konzils
in Frage, jedoch nur, weil seinem kirchenpolitischen Verhalten
vor 1520 als einheitliches Motiv eine papsttreue Ekklesio-
logie zugrunde liegt. Von Luthers Kritik am Papst hält er
sich vor 1520 bewußt zurück, entsprechend zögert er in der
Ablaßfrage. Diese relativ konservative ekklesiologische Position
kann teils auf dem Hintergrund seiner in Rom hergestellten
guten Beziehungen zur Kurie (Schreibertätigkeit,
Vicecomitat) gesehen werden, mehr noch dürfte sie jedoch
aus seinem juristischen Gedankengut zu verstehen sein.

K.s Interesse an der Jurisprudenz erklärt sich nicht hinreichend
aus dem Streben nach der Wittenberger Stifts-
propstei (gegen Barge). Neben einzelnen Belegen für gelegentliche
praktisch-richterliche Betätigung (unbeachtetes
päpstliches Breve an K. und Matthäus Beskau vom 26. 5.
1518) ist insbesondere auf die nicht erhaltenen „concordan-
tiae seu convenientiae" hinzuweisen, in denen er schon vor

1515 eine Harmonie zwischen ius civile und canonicum einerseits
und Thomas und Scotus andererseits herzustellen versuchte
. Diese „Konkordanzhermeneutik", die K. als Scholastiker
auch einen Ausgleich zwischen Thomismus und Sko-
tismus suchen läßt, hat K. auch nach seinem Bruch mit der
theologischen Scholastik (1517) beibehalten. Im Rahmen der
Wittenberger Diskussionen um eine Studienreform hat K. in
seinen Thesen vom Mai 1518 der schon seit 1517 erkannten
Dissonanz zwischen Theologie und (aristotelischer) Philosophie
(3. Thesenreihe 1518) sein Programm einer consonantia
theologiae et iurisprudentiae (1. Thesenreihe) gegenübergestellt
und wollte so an die traditionelle Stelle der Philosophie
als ancilla theologiae die Jurisprudenz zur Propädeutik
des Theologen machen. Dabei verbindet K. 1518 seine anti-
scholastisch-augustinische Theologie erstaunlicherweise mit
der scholastischen Jurisprudenz der Kommentatoren (mos
italicus). Dieses Programm exemplifiziert K. in den Thesen
vom Mai 1518 an hermeneutischen Fragen. Aus der Verbindung
juristischer und augustinischer Argumente gewinnt er
eine neue rigoristische Eingrenzung des Literalsinns (der in
den Buchstaben „sichtbare" Sinn). Da dieser die regula fidei
darstellt, mit der notfalls auch dem häretischen Papst widersprochen
werden könnte, legt K. damit theoretische Grundlagen
für eine mögliche Papstkritik, die jedoch 1518 nicht
gegen den Papst gewandt werden, sich vielmehr gegen Tetzel
richten, den K. als kanonistischen Ignoranten sieht. Die außerbiblische
Tradition (Kirchenrecht, liturgische Tradition)
hat für K. damals noch autoritative Bedeutung.

K.s erste einschneidende ekklesiologische Wende ist 1520
erfolgt im Zusammenhang mit der Bulle „Exurge Domine",
in der K. sich zu Unrecht mitverurteilt sieht. Dem jetzt erfolgten
Bruch mit dem Papst von einem biblizistischen Standpunkt
her folgen tiefgreifende Konsequenzen für K.s Stellung
zur Rechtstradition. Von der Idee eines ius biblicum ausgehend
, hat K. zunächst 1521 im Rahmen des Kampfes um
den Zölibat das kanonische Recht und die kanonistische Wissenschaft
verworfen. In einem weiteren Schritt hat er dann
auch das römische Zivilrecht durch das mosaische Recht zu
verdrängen gesucht. Die Bevorzugung des Alten vor dem
Neuen Testament erklärt sich hier daraus, daß im Rahmen
eines ius biblicum die lex Mosaica am meisten zivilrechtlich
verwertbares Material bot. Diese Abkehr von der traditionellen
Jurisprudenz zeigt, daß das Programm einer consonantia
theologiae et iurisprudentiae für K.s voll entfaltete reformatorische
Theologie ab 1520 keine tragfähige Grundlage bot.

Härle, Wilfried: Die Theologie des „frühen" Karl Barth in
ihrem Verhältnis zu der Theologie Martin Luthers. Diss.
Bochum 1969,265 S.

Ziel der Arbeit ist die Konfrontation der Theologie des
„frühen" B. (ca. 1920—30) mit der Theologie L.s sowie die