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Ausgabe:

1972

Spalte:

135-136

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Krötke, Wolf

Titel/Untertitel:

Sünde und Nichtiges bei Karl Barth 1972

Rezensent:

Fangmeier, Jürgen

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wesentlichen kommt Keller zu dem gleichen Urteil. Das „Eigenartige
", von dem Flemming spricht, liegt in der Verwandtschaft
mit Oper und Festspiel, ohne Musikbegleitung,
die überflüssig oder gar unerwünscht ist, weil von der Sprache
selbst rhythmische Bewegtheit und Klangwirkungen ausgehen
, die es zu erwecken gilt. Klaj gehört zu den Barockdichtern
, die das ekstatische Element in ihrer Sprache und ihrem
deklamatorischen Vortrag zur Wirkung brachten. Keller gibt
einen kurzen Lebensabriß des wahrscheinlich 1616 in Meißen
Geborenen und 1656 als Pfarrer in Kitzingen am Main Gestorbenen
. Mit dem Jahr, in dem er ins geistliche Amt trat,
verstummte sein Dichtermund. Keller gibt weiter eine interessante
Analyse der dichterischen Werke unter literarkriti-
schem und historischem Aspekt. Der umfangreichste Teil —
S. 65—208 — besteht aus einer kritischen Textausgabe des um
1650 entstandenen „Freudengedichte der seligmachenden
Geburt Jesu Christi zu Ehren gesungen". Der begleitende
Kommentar setzt den Text seinen Quellen gegenüber.

Für den Leser dieser Zeitschrift werden drei Hinweise förderlich
sein. 1. Es wird der Zugang zu einer wenig bekannten
Weihnachtsdichtung erschlossen, die durch die Neulateiner
der Renaissance und die besonders durch jesuitische Initiative
geförderten Schulschauspiele gepflegt wurde, aber auch
teilweise auf das geistliche Volkslied des Mittelalters zurückweist
; 2. In der Traditionskette spielen antike Vorbilder, besonders
in der Verskunst, eine schockierende Rolle. Inhaltlich
dürfte Vergils Hirtenidyllik am einflußreichsten geworden
sein; 3. Daß nun fast zwangsläufig die Mythologisierung
des Weihnachtsfestes einen Höhepunkt erreichen mußte, versteht
sich am Rande von selbst. Der Scheitelpunkt dieser
Entwicklung liegt nicht im 19. und 20. Jahrhundert, sondern
im Barock, dem die Renaissance vorgearbeitet hatte. Die
Hymnologen und die an der historischen religiösen Volkskunde
Interessierten mögen es zur Kenntnis nehmen.

Über den ästhetischen Wert der Klajschen Dichtung steht
uns ein Urteil nicht zu. Wir vermerken aber, daß Flemming
und II. Cysarz (Deutsche Barockdichtung, 1924) übereinstimmend
mit Keller ihn hoch einschätzen.

Rostock Gottfried Holtz

Bedell, George C: The Prayer Scene in Hamlet (AThR 51,

1969 S. 114-124).
Gordan, Paulus: Im Blickpunkt: Der Mensch. Geistliche

Essays, hrsg. v. B. Jaspert. Meitingen—Freising: Kyrios-

Verlag [1971]. 74 S. kl. 8° = Theologie und Leben, 6. Kart.

DM 5,—.

Kapitza, Peter: „Schaufenster Gottes". Zur Funktion und
Sprache des Buchtitels in der gegenwärtigen religiösen
Literatur (StZ 96, 1971 S. 217-235).

Lewek, Christa: Christus incognito im Werk Dostojewskis
(ZdZ 25, 1971 S. 411-419).

Maierböfer, Franzi: Die unbewältigte Stadt. Zum Problem
der Urbanisation in der Literatur (StZ 96,1971 S. 309-325).

Marhold, Hermann: Zu Goethes Bedeutung für unseren Glauben
und unser Leben (Freies Christentum 23, 1971 Sp. 53—
55). •

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Krötke, Wolf: Sünde und Nichtiges bei Karl Barth. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt [1970]. 135 S. 8° = Theologische
Arbeiten. Unter Mitarb. v. E. Fascher, A. Jepsen, F. Lau,
A. D. Müller, E. Schott hrsg. v. H. Urner, XXX. Kart.
DM 10,20.

Eine zugleich knappe wie sorgfältige Darstellung des Gegenstandes
in der Kirchlichen Dogmatik, die Bardischen Ausführungen
,teils zusammenfassend, teils präzisierend, teils
kritisierend' (cf. S. 95), wobei der Vf. bei allem Selbstand ein

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feines Sensoriuin für Barths Intentionen an den Tag legt und
die besondere Gabe zeigt, Fragliches zu profilieren und zu
limitieren: Krötke vergißt über dem dokimazein das krinein
nicht; und er vergißt nicht nur neben, sondern auch im krinein
das dokimazein nicht.

Der Vf. geht von der Beobachtung aus, „daß die Sünde des
Menschen heutzutage kein zentrales Thema der theologischen
Diskussion ist" (S. 11; was an Literatur vorliegt, ist verarbeitet
). Das hängt damit zusammen, daß der Mensch unserer
Zeit „das Bewußtsein für seine Sünde verloren" hat (ib.) —
„angesichts der Welt des zwanzigsten Jahrhunderts mit ihren
Manifestationen der Sünde eine merkwürdige Tatsache"!
(ib.) Das Verschwinden Gottes und das Verschwinden der
Sünde für den Menschen stehen in Zusammenhang; so daß
auch „die die Theologie unserer Tage bewegende Frage nach
Gott engstens verflochten bleiben" muß „mit der Frage, wie
es zum Verschwinden der Sünde für den Menschen kommen
konnte" (ib.).

Hierzu leistet Barths Verständnis der Sünde im Zusammenhang
mit dem Nichtigen (als ,antithetisch anhypostati-
schem Sein'; so Krötke, Bartli präzisierend, S. 49) gute Hilfe.
„Die wichtigste Beobachtung zum Wesen der Sünde bleibt,
daß sie schon immer dabei ist, sich selbst zu verharmlosen.
Gerade darin wirkt sich die Macht des Nichtigen aus, die den
Menschen ins Verderben zieht, indem sie dieses Vergehen verschleiert
" (S.73). Die Predigt von Kreuz und Auferstehung
Jesu Christi fordert den Menschen zu einem Urteil über den
Sinn dieses Geschehens heraus: zur Erkenntnis Gottes in der
Unterscheidung von Gott und dem Nichtigen, zur Erkenntnis
der Sünde in der Unterscheidung Gottes zwischen seinem
Geschöpf und dessen Sünde (cf. S. 96f.).

Der Vf. entspricht Barth, wenn er dessen oft nur als spekulativ
empfundene Lehre von der Sünde und vom Nichtigen
gerade als Hilfe zu vollmächtiger Verkündigung und
beutige Not wendender Verkündigung versteht.

Auf dem Wege fällt manche wertvolle Beobachtung an
Barth ab. Z. B. daß Barth um 1922 von der Gotteserkenntnis,
in der Kirchl. Dogmatik von der Sünde als „unmöglichei'
Möglichkeit" spricht (S. 16f.). Oder daß Barth in seinem Bestreben
, einen Fideismus zu vermeiden, wenigstens in der
Rechtfertigungslehre dem Glauben als eschatologischein
Phänomen, das als Gabe zum Menschen kommt, kaum entspricht
(S. 78). Oder die Beobachtung, daß Barth im Zusammenhang
des Selbsteinsatzes Gottes gegen das Nichtige nicht
auf Hegel und Schelling (überhaupt fast nicht auf Schelling
und dessen ,Philosophie der Offenbarung'!) zu sprechen
kommt (S.103; cf K. Lüthi, Gott und das Böse, Zürich —
Stuttgart 1961, der auf diesem Feld Schelling und Barth ins
Gespräch zu bringen sucht). — Dem Gespräch zwischen lutherischer
Theologie und Barth über das Problem ,Gesetz
und Evangelium', das hier wiederum gefördert wird (S. 20ff.),
hat Krötke bereits eine eigene Abhandlung gewidmet: „Das
Problem ,Gesetz und Evangelium' bei W. Eiert und P. Althaus
", Theol. Studien 83, Zürich 1965.

Schöller bei Wuppertal Jürgen Fangmeier

Gollwitzer, Helmut: Krummes Holz — aufrechter Gang. Zur

Frage nach dem Sinn des Lebens. München: Kaiser 1970.
388 S. gr. 8°. Lw. DM 25,—.

Der eigenartige Buchtitel erklart sich aus Äußerungen
Kants und Blochs zu Wesen und Bestimmung des Menschen.
„Aufrechter Gang — das ist Leben in Sinnesgewißheit. Krummes
Holz — dem ist Sinn bezweifelt oder ganz aufgekündigt.
Wie kommt krummes Holz zum aufrechten Gang?" (9).
Gollwitzer durchdenkt die Frage nach dem Sinn des Lebens
als Systematiker, ohne in der theologischen Fachsprache zu
bleiben. Damit macht er das Buch allen an zentralen Lebensfragen
Interessierten zugänglich, bietet aber besonders den
in Seelsorge und Verkündigung Tätigen hilfreiche Impulse.

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 2