Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1972

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

131

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 2

132

behaupten, gehört er doch — wenn auch in begrenztem
Maße — zu den Wegbereitern der böhmischen Reformation
des 15. Jh.s. Dabei durchzieht sein Leben insofern eine auffällige
, allerdings psychologisch gut verständliche Inkonsequenz
, als er zeit seines Lebens nach Reichtum und Wohlleben
trachtete und als Prager Kanonikus eine hochdotierte
Pfründe besaß, um die er sich persönlich nachhaltig am päpstlichen
Hof in Avignon bemüht hatte. Gegen Jenstejn verteidigte
er erbittert die Beibehaltung des für die Bauern so bedrückenden
„Heimfalls" auf den erzbischöflichen Gütern.

Andererseits verfolgte Adalbert bereits in Paris mit warmer
Anteilnahme das Wirken früher tschechischer Kirchenreformer
und trat auch selbst in kirchenkritischem Sinne gegen
Prälaten und verweltlichte Bettelmönche seiner Zeit auf.
Von dieser Polemik legt besonders seine uns erhaltene und
hier vorgelegte frühe Würzburger Rede wortgewaltig Zeugnis
ab. Aus seiner folgenden Prager Tätigkeit wird uns die Bitte
an den Kardinal und päpstlichen Legaten Pileus de Prata,
bestehende kirchliche Mißstände zu beseitigen, wie sie Adal"
bert in seiner Begrüßungsrede vorbrachte, vorgelegt, wie alle
Reden — das ist gegen Haucks diffamierende Beurteilung in
seiner „Kirchengeschichte Deutschlands" (Bd. V, 2, S. 886,
A. 2) festzustellen — Adalberts sehr kunstvoll aufgebaut und
mit vielen gelehrten Zitaten versehen. Als Synodalprediger
eiferte er ähnlich MilfS gegen die Simonie, bemühte sich andererseits
— wie etwa in der Frage des häufigen Abendmahlsempfanges
— aber um Nüchternheit und Maß, wie ihm überhaupt
Wiclifs „pathetische Geradlinigkeit" fremd war. Das
große päpstliche Schisma schärfte auch Adalberts Empfinden
für den Gegensatz von biblischer Forderung und faktischem
kirchlichem Zustand weiter, und ohne Primat und Jurisdiktion
des Papstes anzutasten, unterschied er diesen doch —
wohl in der Nachfolge Konrads von Gelnhausen —, verbunden
mit einer Hervorhebung der Unsichtbarkeit der wahren,
universalen, unfehlbaren und fundamentalen Kirche, deutlich
vom höheren Primat Christi, der allein unabdingbar sei.
Frühen tschechischen Kirchenkritikern und Reformern wie
Mille von Kremsier, Matthias von Janov und Thomas Stitny
gewährte er vielfältige Unterstützung.

Fragt man, wie Adalbert trotz andersartiger Voraussetzungen
auf diesen Weg geriet, so stößt man auf verschiedenartige
, doch zusammenwirkende Ursachen. Man hat in Betracht
zu ziehen, daß Adalberts und MillJs Geburtsort im
südlichen Böhmen benachbart sind, daß Adalbert in Übereinstimmung
mit der Kircbenpolitik König Wenzels IV. die
Eigenständigkeit Böhmens gegenüber dem päpstlichen Universalismus
— wohl unter Berücksichtigung französischer Erfahrungen
— zu stärken suchte und darüber in eine scharfe
Kontroverse mit seinem strikt im Lager Urbans VI. stehenden
Erzbischof geriet, daß er offenbar von Ockham und von
konziliaristischen Theologen in gewissem Maße beeinflußt
wurde und daß auch seine frühe Freundschaft mit Erzbischof
Richard Fitz-Ralph von Armagh während seiner Oxforder
Studien in ähnlichem Sinne auf ihn wirkte. Dagegen ist ein
wiclifitischer Einfluß auf ihn und entsprechend eine Antezi-
pation des Kirchenbegriffs Hus' durch ihn auszuschließen,
wie im vorliegenden Buch richtig gegen Bartos, Sedläk und
de Vooght betont wird. Und es wird daraus die interessante
und den Standpunkt zahlreicher tschechischer Forscher von
der Eigenständigkeit der böhmischen Reformation gegenüber
den voraufgehenden Vorgängen in England bestätigende Folgerung
gezogen, daß der Wiclifismus nur eine von vier das
Reformationsgeschehen in Böhmen vorbereitenden Strömungen
darstellte — freilich, wie man hinzufügen muß, eine besonders
einflußreiche und wichtige. Als die anderen werden
diagnostiziert Adalberts „Ockhamismus", Janovs „pathetischer
Spiritualismus", gespeist von Ideen gemäßigter Fran-
ziskanerspiritualen, der viktorinischen Mystik und Simons
von Cassia, und der Moralismus eines Waldhauser und Mille.

Die kirchengeschichtliche Bedeutung Adalberts steht mithin
außer Frage, und die theologische Forschung ist deshalb
J. Kadlec zu großem Dank verpflichtet, daß er die langjährigen
Bemühungen seiner 1948 bzw. 1953 verstorbenen Lehrer
R. Holinka und J. Vilikovsky um den literarischen Nachlaß
Adalberts erfolgreich zu Ende führte und uns diesen in
Buchform zugänglich machte. Nachdem uns im I. Teil Leben
und Wirken Adalberts anschaulich vor Augen geführt worden
sind, werden uns im II. und Hauptteil des Buches alle
seine erhaltenen Werke, unterteilt in scholastische, homiletische
, didaktische, apologetische und poetische Werke sowie
Briefe, mit kritischem Apparat erschlossen. Die tschechischen
Forscher konnten sich dabei auf mehrere Teileditionen
der Vergangenheit stützen, doch gab es bisher noch keine
Gesamtausgabe aller erhaltenen Werke Adalberts. Schmerzlich
ist freilich, daß Adalberts Sentenzenkommentar und
seine biblischen Kommentare nicht mehr auffindbar sind.
Dagegen ist seine ebenfalls verlorene Schrift „De scismate",
der besondere Bedeutung zukommt, wenigstens indirekt aus
der Polemik Johanns von Jenstejn zu erschließen, und es ist
dankenswert, daß die entsprechenden Auszüge aus dessen
Traktaten „De potestate clavium" und „De veritate Urbani"
als Beilage angefügt sind. Willkommen sind auch das Quellen
- und Literaturverzeichnis, Verzeichnisse der Handschriften
sowie der zahlreichen Zitate Adalberts aus Bibel, kirchlicher
Tradition und prophaner Literatur und ein Personcn-
und Sachregister. Gerade hei der vollständigen Erschließung
der vielgestaltigen Voraussetzungen der böhmischen Reformation
des 15. Jh.s wird dieses Buch unentbehrliche Hilfe
leisten.

Rostock Gert Wendclborn

Sudbrack, Josef: „Gott entfremdet, bist du selbst dir fremd",
Bernhard von Clairvaux (Geist und Leben 44, 1971 S. 241—
248).

Wayne, David B.: Behind Cranmer's Offertory Rubrics: The
Offering of the People in the Mass Before the Reformation
(AThR51,1969 S. 106-113).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Lubac, Henri de: Teilhard de Chardins religiöse Welt, übers,
v. K. Bergner. Freiburg—Basel—Wien: Herder [1969].
383 S. 8°.

Dieses Buch ist in deutscher Sprache mindestens fünf Jahre
zu spät erschienen; es war schon überholt, bevor es sieben
Jahre nach der französischen Veröffentlichung übersetzt vorlag
(der Obersetzer hat nicht einmal alle Literaturangaben
auf den heutigen Stand gebracht, inzwischen längst erschienene
Schriften Teilhards werden noch als unveröffentlicht
angegeben). In Frankreich kam de Lubacs Buch im Frühsommer
1962 heraus (La Pensee Religieuse du Pere Pierre
Teilhard de Chardin, Aubier Paris 1962), am Vorabend des
II. Vatikanischen Konzils. Damals war es eine Bombe von
gefürchteter Sprengkraft — heute ist es ein unaktuelles historisches
Dokument. Als es 1962 erschien, war Teilhard noch
ein gefährlicher, mundtot gemachter Häretiker — drei Jahre
später war er bereits der anerkannte und allerseits angehörte
Kirchenlehrer. Dieser schnelle Umschwung war vor allen
Dingen dem Konzil zu verdanken — daß Teilhard aber auf
dem Konzil und durch das Konzil so überraschend rehabilitiert
wurde, dazu haben besonders Henri de Lubac und sein
Buch beigetragen.

Doch zunächst war die unmittelbare Folge der Publikation
dieses Buches das Monitum des Heiligen Offiziums vom
30. Juni 1962, das Teilhard „Zweideutigkeiten" und „schwere
Irrtümer" vorwirft, die „die katholische Lehre verletzen",
und das deshalb die Oberen der Seminarien und Institutionen
auffordert, die jungen Seelen vor den Gefahren zu schützen,
die in den Werken Teilhards verborgen sind. Das Buch er-