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Ausgabe:

1972

Spalte:

112-114

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wilch, John R.

Titel/Untertitel:

Time and event 1972

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Iii

Theologische Litcraturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 2

112

phiktyoiiie" verhallen mag — Israels Weg und der Aufbruch
seiner Propheten ist ohne das Vorliegen einer Institution des
Stämmezusammenschlusses, der sich an Jahwe und das in
seinem Namen proklamierte Gottesrecht gebunden wußte,
nicht zu verstehen. Besonders wertvoll ist der Aufsatz über
,,Jes 7,1—9. Ein Beitrag zu dem Thema: Prophetie und Politik
" (127—143), der hinter der Begegnung Jesajas mit Alias
den Hintergrund der Nathan-Zusage an das Haus Davids
sehen gelehrt hat.

Der zweite, durch zwei Aufsätze belegte Inleressenkreis betrifft
die Psalmen, liier dürften die „Erwägungen zu Ps.
139" (179—19C), welche diesen aus der Sphäre einer allgemeinen
Reflexion über die Allgegenwart Jahwes herausholen
und ihn aus der konkreten Situation des Unschuldsbekennt-
nisses eines des Götzendienstes Beschuldigten verstehen lehren
, einleuchtender sein als der Versuch der „Erwägungen zu
Ps. 73" (161—178), diesen Psalm als Vertrauenslied eines Königs
zu erweisen.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen, zumal in der gegenwärtigen
Situation einer fast modisch gewordenen Hochbewertung
der „Weisheit", die beiden Beiträge zu diesem Bereich
. Neben der Bektoratsrede über „Die Weisheit Ägyptens
und das Alte Testament" (197—216) wird hier vor allem
die erstmals im Druck zugängliche Habilitationsschrift von
1938 „Gott und Mensch in Dialog und Gotlesreden des Buches
Hiob" (217—295) das Interesse anziehen. Diese Arbeit
faßt den Dialog Iiiobs mit den Freunden und die Gottesreden
nach Vornahme einiger kritischer Korrekturen als Werk
eines Verfassers und sieht in ihm „die Auseinandersetzung
eines über die Weisheit hinausgelangten Anhängers derselben
mit dem Daseinsverständnis der Weisheit". In durchsichtiger
Darstellung wird zunächst „das System der Freunde" vorgeführt
, das auf der Scheidung der Menschen in Gerechte und
Ungerechte beruht. Die drei Stücke 4,17—21; 15,14—16 und
25,4—6, die von der allgemeinen Sündigkeit des Menschen
reden, sind in den Freundesreden als Traditionsgut zu beurteilen
, das nicht deren eigentliche Sicht wiedergibt. Diese
glaubt an „den Grundsatz von dem Zusammenhang von Verhalten
und Geschick des Menschen". K. Koch hat an dieser
Stelle in der Folge den Terminus der schicksalswirkenden Tat-
sphäre geprägt. Jahwe wird in dieser Sicht, die dem menschlichen
Tun ein ausschlaggebendes Gewicht zumißt, der richtende
Vollzieher dieser Ordnung. „Sein Wirken ist berechenbar
, er selber rational faßbar und verstehbar geworden, wie
ein Stück Welt."

Gegen diese Sicht ergeht der Protest Hiobs. Dieser sieht,
daß er sein Geschick nicht in seiner Hand hat und erfährt
darin „Gott als die Grenze des Menschen". Die Freiheit Gottes
in seinem Erteil wird ihm zur quälenden Not. „Hiob sieht
Gott in grandioser Einseitigkeit — schrankenlos in seiner
Macht, rätselhaft, ja willkürlich in seinem Tun, alle Größe
und Sicherheit und Ordnung umstürzend und in ihr Gegenteil
verkehrend, zerstörend und schreckend: ein höchst unheimlicher
Gott... Das Gott-Mensch-Verhältnis spielt sich
auf einer Ebene jenseits von ratio und Moral ab. Es ist das
Verhältnis von unheimlicher Macht zu wehrloser Ohnmacht."
Daneben ist dann aber doch wieder, wenn Hiob Gott seinen
Zeugen (16,19), ja gar seinen Löser (19,25) nennt, ein in voller
Lebendigkeit aufbrechendes Vertrauen da. Doch ist der Vf.
sicher im Becht, wenn er angesichts der Rückkehr der Rede
Hiobs nach solchen Vertrauensaussagen in die Anklage (etwa
30,22—23) festhält: „Der Dichter wollte in seinem Hiob nicht
das Vorbild eines leidenden Menschen zeichnen, der vom
Gotteszweifel zum Gottvertrauen durchdringt, sondern einen
Menschen von Fleisch und Blut, hin und her gerissen in seinen
Stimmungen, in spannungsreichem Glauben stehend — aber
nie den Ausweg suchend, Gott ganz abzusagen." Das starre
Dascinsverständnis der Weisheit ist Hiob zerbrochen.

In den Gottesreden aber tritt Gott Hiob als der gewaltige,
sich in seiner Schöpfung erweisende Herr gegenüber. „Nun
aber tritt eine totale Wendung ein. Gott erscheint — und damit
ist der Mensch der Gefragte, ja geradezu in-Frage-Ge-

IteUte." Hiob widerruft vor diesem Gott and bereut in Sack
und Asche. Der Vf. gelangt in seiner Arbeit zum Ergebnis:
„So bleibt sein Werk ein ergreifendes Zeugnis des düsteren
und bedrückenden Ernstes, der da auf dem Menschen liegt,
wo neben der Botschaft vom allmächtigen Gott nicht die vom
liebenden steht. I 'ml damit klingt es wie ein ferner, noch unbewußter
Huf nach der Offenbarung der Liebe Gottes."

Soll der Rezensent angesichts dieser geschlossenen und eindrücklichen
Deutung des Hiob-Dialoges als eines Zeugnisses
des von innen her aufgebrochenen Menschen Verständnisses
der Schulweisheit — einer Deutung, der er in vielem zustimmen
möchte — noch eine Frage stellen, so geht sie dahin, ob
man bei der Deutung dieses ganzen Komplexes die abschließende
Beurteilung im Munde Jahwes von 42,7 so einfach ausklammern
und als Rudiment einer Rahmenerzählung, welche
einen anderen, heute verlorenen Dialog mit den Freunden
voraussetzt, beurteilen kann. Wenn Jahwe hier Eliphas gegenüber
feststellt: „Mein Zorn ist über dich und deine zwei
Freunde entbrannt, denn ihr habt nicht recht von mir geredet
wie mein Knecht Hiob", so ist der ganze Dialog Hiobs
mit den Freunden einschließlich der Gottesrede, vor der Hioh
die Unangemessenheit seines Redens eingesteht, noch auf
eine andere Ebene gerückt und der Schrei Hiobs nach dem
Urteil Gottes über seine von den Freunden postulierte Gottferne
noch in einer anderen Weise beantwortet als es in der
davon isolierten Gottesrede der Fall zu sein scheint. Hier
wird Hiobs Reden, das zwischen der Anklage gegen Gott hin
und her wogte und auf Gottes erscheinende Majestät hin sich
vor dieser Majestät beugte, ausdrücklich als das Gott gemäßere
Reden anerkannt. Läßt sich dann aber das darin liegende
Ja Gottes zu Hiob nicht als der perspektivische Fluchtpunkt,
auf den all die Reden zulaufen, erkennen? Und muß unter
dieser Sicht die Gesamtaussage des von E. Würthwein so eindrücklich
aufgearbeiteten Komplexes nicht doch noch etwas
anders formuliert werden?

Aber diese Frage möchte ein Ausdruck des nochmaligen
Dankes dafür sein, daß der Vf. uns in seinem Aufsatzband so
vieles aus seiner langjährigen Arbeit am Alten Testament erneut
oder erstmals in die Hand gegeben hat.

Güttingen Walther Zimmern"

Wilch, John R.: Time and Event. An Exegetical Study of the
Use of'eth in the Old Testament in Comparison to Other
Temporal Expressions in Clarification of the Concept of
Time. Leiden: Brill 1969. XV, ISO S. gr. 8°. Lw. hfl. 32,—.

K. II. Rengstorf und F. Hesse haben diese Untersuchung
angeregt und ihre Fertigstellung betreut. Im Jahre 1965 ist
sie von der Münsteraner Theologischen Fakultät als Dissertation
angenommen worden, und es ist richtig und gut. daß
sie — nunmehr gedruckt — einem weiteren Kreis von Interessenten
zur Verfügung steht. Nicht, daß es zum Problem des
biblischen und namentlich alttestamentliehen Zeitverständnisses
nicht schon Arbeiten gäbe, die umfängliche Bibliographie
(172—180) weist aus, wieviel an diesem Thema schon gearbeitet
worden ist, und der Vf. nutzt die vorhandene Literatur
und setzt sich mit ihr auseinander. Gleich zu Beginn referiert
er kritisch die Positionen von nicht weniger als 22 Forschern
(C. v. Orelli, J. Pedersen, K. Galling, J. Hempel, A.
Weiser, G. Delling, R. B. Y. Scott, H. W. Robinson, W. Vollborn
, J. Marsh, G. Pidoux, C. H. Ratschow, W. Eichrodt,
T. Boman, G. Knight, G. v. Rad, J. Jocz, J. Muilenburg, J.
Barr, M. Sekine, H. Wildberger, G. Ebeling), deren Namen
ein breites Spektrum fachlicher und wissenschaftlicher Disziplinen
und Richtungen darstellen (Previous Investigations
Relevant to the Subject, 2—17). Und auch im ersten Exkurs
(The Concept of Eternity, 17—19) führt er die Diskussion mit
Gleich-Interessierten unter einem besonderen Aspekt fort
(u. a. mit E. Jenni und dessen Untersuchungen zu 'öläm).
Und doch meint er, mit Masao Sekine feststellen zu müssen,