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Ausgabe:

1972

Spalte:

89-96

Autor/Hrsg.:

Ludolphy, Ingetraut

Titel/Untertitel:

Die ganze Christenheit auf Erden 1972

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 2

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mens in der Bundesrepublik betont - nicht unbestritten - Schellong, Fak. Hamburg 1966 (masch. 773 S. Text, 217 S. Anhang). Zitate S.

»eter: Barmen II und die Grundlegung der Ethik. In: Parrhcsia. Karl 7011., 704f.

arth zum 80. Geburtstag. Zürich 1966, S. 491-521, bes. 514 f. m Hoekcndijks Buch ist unter gleichem Titel mit einem Nachwort

■ ij Barmen. A.a.O., S. 17. des Verfassers 1967 neu aufgelegt worden (bearbeitet und herausgege-

die ,?cnoWl<'.r' Man: Die Redeutung des Barmer Bekenntnisses für ben von Erich-Walter Pollmer): Theologische Bücherei. Neudrucke und

Zitat van£.™sche Theologie und Kirche. EvTh Jg. 1967, S. 435-461; Berichte aus dem 20. Jahrhundert. Bd. 35. Mission und Ökumene. Zi-

"Ebd S 439f täte: S. 305-307.

rottet, Martin: Das Ringen um Wesen und Auftrag der Kirche in ■«., '•'. , , . — ... "...... , . „

der nationalsozialistischen Zeit. Cötlingen 1968. AG K Bd. 19, S. 107. " gSjS Z" ^S*™ £ uS?%S2^I .°',en^a"« "nd 2,

- Scholder, a.a.O., S. 452f., 459f. Scholder konstatiert nach Bar- sch.chtstheolog.e, kon.gsherrschaft Chr.st. und Zwe.re.chelehre, Be-

«>en e,„ neues kirchliches Selbstverständnis über „Wesen, Einheit und «ri" und Gestalt der Kirche Bekenntnis und llekennen. Vgl. Scholder,

Auftragder Kirche im evangelisch-reformatorischen Verständnis". K »us: Zur gegenwärtigen Erforschung des K.rchenkampfes. In: Ver-

" Asmussen, Hans: Barmen 1934. Informationsblatt für die Gc- kundigung und Forschung, Jg. 1968, S. 110-133 (131f.).
8 Tq - dcn """derdeutschen lutherischen Landeskirchen. Jg. 1954, M Scholder, Klaus: Die Ergebnisse des Kirchenkampfcs und die theo-

1" In seinem Buch Zur jüngsten Kirchengeschichtc. An- logische Situation der Gegenwart. Tutzinger Texte. A.a.O., S. 259 —

■ erkungen und Folgerungen. Stuttgart 1961, S. 67ff. äußert er sich re- 282. Scholder möchte mit der Wiedergewinnung des Primats der Chri-

'gniert über die Wirkungen der auf den Bekenntnissynoden erarbeite- stologic auch die Einzelaussagcn der Barmer Erklärung inhaltlich rezi-

Pn4Finsichten nach 1945. piert wissen. Die Theologie der Revolution lehnt er von Barmen her

j.. Kretschmar, Georg: Die Auseinandersetzung der Bekennenden kategorisch ab. Man wird ihm zustimmen müssen: „die Theologie der

irche mit den Deutschen Christen. Tutzinger Texte. Sonderband 1. Revolution und die Theologie der Barmer Erklärung sind diametral

Kirche und Nationalsozialismus. Zur Geschichte des Kirchenkampfes. entgegengesetzt" (S. 278). Doch kann die diastatische Lösung des Pro-

tünchen 1969, S. 117—150; Zitat: S. 148. blems Offenbarung und Geschichte, wie sie durch die Barmer Erklärung

Ebd. S. 148, 150. geboten wird, auch dann nicht das letzte Wort sein, wenn man mit

Reese, Hans-Jörg: Bekenntnis und Bekennen. Vom 19. Jahrhun- Recht skeptisch ist gegenüber modernen Versuchen, geschichtlichen

arn zum Kirchenkampf der nationalsozialistischen Zeit. Diss. Theol. Prozessen Offenbarungswertigkeit zuzuerkennen.

„Die ganze Christenheit auf Erden"

Untersuchung einer Stellung Luthers zur Ökumene
Von Ingetraut Ludolphy, Leipzig
Franz Lau zum 65. Geburtstag

Dieser jetzt oft genannte Begriff steht in Luthers Kleinem Hiervon ist Luther ohne weiteres das „Häuflein" abzuneh-
atechismus und stammt aus der Erklärung des dritten Ar- men — congregatiunculn heißt es in der von dem Humani-
t'kels. Wir denken heute bei diesen Worten an die weltweite sten Vincentius Obsopöus angefertigten lateinischen Über-
»nstenheit, wie sie der ökumenische Rat der Kirchen ver- Setzung. — Die „Heiligen" sind als Geheiligte — und zwar
^orpert, oder an Bestrebungen seit dem Zweiten Vatikanum. zufolge der Erlösung durch Jesus Christus — zu interpretie-
n ^en letzten Jahrzehnten ist viel über Themen, die sich aus ren. Das Wort ist also ein Synonym für den Begriff „Gläu-
er Spaltung der Christenheit ergeben, gearbeitet worden. bige"*. Doch diese Gemeinde soll zusammengerufen sein in
-utlier kannte unsere gegenwärtigen Fragen nicht. Es hat einem Glauben, ein und derselben Gesinnung und Überleb
, aber bewährt, bei ihm anzufragen, wenn theologische zeugung! Sie soll eines Sinnes in der Liebe und einmütig
roblerne zu lösen sind. Untersuchen wir deshalb, was Lu- in allem, ohne Sekten und Spaltungen sein! Wir könnten
ler zur Ökumene zu sagen hat. fragen, wo da Luthers oft gerühmter Realismus bleibt. So

sah und sieht die Kirche zu keiner Zeit aus. Schon das Neue
Testament zeigt nicht nur Uneinigkeit, sondern auch Strei-

Was wir ökumenische Bewegung nennen, ist noch nicht tigkeiten unter den Aposteln und in den Gemeinden. Ernst

"Undert Jahre alt. Im heutigen Sinn wäre sie zu Luthers Zeit Käsemann stellt, abgesehen von der Bezeichnung ,, Konfes-

"ichl nötig gewesen; denn die starke Aufsplitterung derChri- sion", zu Recht fest: „Der neutestamentliche Kanon be-

st«nheit in Konfessionen, Freikirchen und Sekten setzte erst gründet als solcher nicht die Einheit der Kirche. Er begrün-

**t bzw. nach der Reformationszeit ein, wofür teils Luther, det als solcher, d. h. in seiner dem Historiker zugänglichen

teils der sog. dritte Zweig der Reformation, das Täufertum, Vorfindlichkeit dagegen die Vielzahl der Konfessionen."5

Verantwortlich zeichnen. Die folgenden Jahrhunderte standen dem nicht nach. Strei-

die Entstehung der zweiten großen abendländischen tigkeiten, dogmatische Differenzen, Aburteilungen vermeint-

'■^eligionspartei", der nach Luther benannten evangelischen licher oder wirklicher Ketzer bilden einen großen Teil der

. irche, sowie die Herausbildung der reformierten Konfession Kirchengeschichte. Luther kannte das Neue Testament, und

™J Luthers Lebenszeit fallen, wird sich in dem, was er über er war nicht unbewandert in der Geschichte der Kirche. Die

<lle Kirche dachte, eine Wandlung abzeichnen. Und zwar zitierten Worte des Großen Katechismus können also nicht

Wurde Luther durch die Ereignisse zu einer Revision sei- einer Unkenntnis der Tatsachen entspringen. Wie sind sie zu

"er Anschauungen geführt. Zunächst kamen ihm Zweifel an verstehen?

<'er absoluten Autorität des Papstes. Als ihm der Bann der Luthers Definition der Kirche, die der Wirklichkeit so we-

ton>isch-katholischen Kirche drohte, mußte er fragen, ob nig zu entsprechen scheint, bekommt ihren Sinn durch den

nian nur in dieser Christ sein könne1. — Längst kannte er Anfang des genannten Satzes: „...unter einein heubt Christo,

Christen außerhalb dieser Gemeinschaft, die russischen und durch den heiligen geist zusamen beruffen". Auf diesen Ruf

^e griechischen Orthodoxen sowie die böhmischen Hussiten2. kann nur ein Glaube antworten, nämlich der an eben diesen

So bildete sich in den zwanziger Jahren Luthers Meinung Christus. Wer an diesen Herrn glaubt, gehört für Luther zur

heraus, die wir kennenlernen wollen. Eine Weiterentwick- „christlichen Kirche", wie er die „Ecclesia catholica" des

lung in späterer Zeit läßt sich nicht feststellen. apostolischen Glaubensbekenntnisses nach mittelalterlichem

In seinem Großen Katechismus, der im Jahre 1529 er- Brauch übersetzte. „Damit wirt angetzeigt, das der gantz

schien, definierte er die Kirche folgendermaßen: „Ich gleube, Christenheit kein ander heubt ist, auch auff erdenn, dan

da scy ein heiliges heufflein und gemeine auff erden Christus."6 Wer dagegen nicht an Christus glaubt, gehört der

e'teler heiligen unter einem heubt Christo, durch den heiligen Kirche nicht zu. „Denn wo man nicht von Christo predigt, da

Sc'st zusamen beruffen, ynn einem glauben, synne und ist kein heiliger geist, welcher die Christliche kyrehe machet,

Verstand, mit mancherley gaben, doch eintrechlig ynn der berüffet und zusamen bringet, ausser welcher niemand zu

liebe, on rotten und Spaltung."3 dem Herrn Christo komen kan."7