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Ausgabe:

1972

Spalte:

952-953

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Schmoldt, Hans

Titel/Untertitel:

Die Schrift 'Vom jungen Daniel' und 'Daniels letzte Vision' 1972

Rezensent:

Schmoldt, Hans

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 12

952

4.1. - als Beschützer und Helfer des einzelnen und
des Volkes Israel (Ps. 34,8; 35,5; 1. Kön. 19,35
par.),

4.2. - als Widersacher der Menschen (Num. 22. 21 ff. ;
2. Sam. 24,16; enthält auch einen Exkurs über
den Satan im AT),

4.3. - bei Offenbarungen Jahwes (Gen. 16, 6 ff.; Ri. 6,
11 ff.),

4.4. - in speziellen Funktionen: himmlischer Wesir
(Sach. 3,1 ff), Deuteengel (hauptsächl. bei Sach.),
Bundesengel (Mal. 3,1), Völkerengel (Dan. 10,
13 f.; 12,1), Angesichtsengel (Jes. 63,9), lob
preisende Engel (Ps. 103,20; 148,2).

(Die Stellenangaben dienen nur als Beispiel, sie sind

nicht vollständig.)
Innerhalb dieser umfassenden Mal'ak-Vorstellung findet
auch das traditionelle Mal'ak-Jahwe-Problem seine Lösung.
Das „Gottesich" des Mal'ak tritt hauptsächlich in alten,
vorjahwistischen Heiligtumslegenden auf, die oftmals mit
einer Berufung oder Verheißung verbunden sind. Durch
den für solche Legenden charakteristischen Wechsel von
„Gottesich" und Rede über Gott sollte einerseits Jahwes
Distanz zum Irdischen, andererseits seine unbedingte Autorität
bei der Gründung des Heiligtums bzw. bei der Verheißung
oder Berufung ausgedrückt werden. Das „Gottesich
" des Mal'ak ist dabei als verkürzter Botenstil aufzufassen
. Es konnte aber auch durch redaktionelle Arbeit am
Text entstehen. Die biblischen Schriftsteller zeigen keine
Unsicherheit bei der Beurteilung des Mal'ak Jahwe, sondern
auf Grund des prinzipiellen Verständnisses des Mal'ak
Jahwe als Bote und Diener Jahwes genügten ihnen kleine
Andeutungen der Unterscheidung.

Die Einführung des Mal'ak-Gedankens in vorjahwisti-
sche Hciligtumslegenden stellt eine geistige Begleiterscheinung
der Landnahme dar. Außerdem ist die Mal'ak-Vorstellung
als Ausdruck der Verbindung von Gott und Mensch
nicht an das Kulturland gebunden. Damit erscheint das
Vorhandensein der Mal'ak-Vorstellung in nomadischer Zeit
als gesichert.

Neben der Mal'ak-Vorstellung waren in Israel noch
zahlreiche himmlische Wesen bekannt: der himmlische Hofstaat
(vor allem die Gottessöhne), Cheruben und Seraphen.
Diese Wesen bewegen sich im allgemeinen nur in der
göttlichen Sphäre (Ausnahme Gen. 6,1-4), sie dienen nicht
der Verbindung von Gott und Mensch. Außerdem stellen
sie Übernahmen aus dem religiösen Gedankengut der Umwelt
dar. Damit sind sie deutlich von der genuin israelitischen
Mal'ak-Vorstellung unterschieden. Mal'ak-Vorstellung
und himmlischer Hofstaat haben zunächst nichts miteinander
zu tun.

Verschiedentlich wurde auch versucht, den Mal'ak Jahwe
selbst aus der Umwelt Israels abzuleiten. Es können aber
weder sachliche noch vokabelmäßige Parallelen festgestellt
werden. Die verschiedenen Botengötter unterscheiden sich
vom Mal'ak Jahwe hauptsächlich dadurch, daß sie selbst
Götter sind und kultische Verehrung genießen. Die Zusammensetzungen
mit mlk, in denen man ml'k vermutete,
erweisen sich fast immer doch als Verbindungen mit
mlk = König.

Zusammenfassend läßt sich sagen:

a) Die Mal'ak-Vorstellung ist ein genuin israelitischer
Gedanke zum Ausdruck der Verbindung von Gott und
Mensch. Im Mal'ak Jahwe finden Nähe und Distanz Jahwes
gleichermaßen Ausdruck. Er ist dabei nicht Symbol des abwesenden
Gottes, sondern Hinweis auf seine Gegenwart.

b) Der Akzent aller Mal'ak-Erscheinungen liegt auf
der Botschaft, nicht auf Spekulationen über den Himmel
zur Begründung einer Engellehre.

c) Jedes Geschöpf kann Bote Jahwes sein. Der Erwartungshorizont
für eine Botschaft Gottes darf deshalb nicht
auf übernatürliche Wesen eingeengt werden.

d) Gottes Boten, auch die himmlischen, erscheinen stets
in menschlicher Gestalt oder in einer anderen menschlich
wahrnehmbaren Weise. Gott geht dabei in eine Bindung an
das Weltliche ein. Tiefste Ausprägung dessen ist die Gestalt
Jesu. Hierin zeigt sich ein Stück Kontinuität von AT und NT.

Schmoldt, Hans: Die Schrift „Vom jungen Daniel" und
„Daniels letzte Vision". Herausgabe und Interpretation
zweier apokalyptischer Texte. 327 S.. Diss. Hamburg 1972.

Diese Arbeit ist ein Beitrag zur Nachgeschichte des
Alten Testaments, genauer des Buches Daniel. Ihr Gegenstand
wurde bisher kaum erforscht: Eine griechische
Schrift mit dem Titel „Letzte Vision Daniels" wurde um die
Jahrhundertwende mehrfach, wenn auch nicht allzu ausführlich
, behandelt, ist aber seit 50 Jahren aus der wissenschaftlichen
Diskussion verschwunden. Nach Meinung einiger
Forscher soll eine syrische Fassung dieser „Apokalypse"
in einer noch unveröffentlichten Londoner Handschrift
vorliegen, die den Titel „Vom jungen Daniel über unseren
Herrn und das Ende" trägt.

Ferner liefert diese Arbeit die Ausgangsbasis für die
weitere Erforschung der genannten Schriften, indem sie
den syrischen Text erstmalig zugänglich macht und e'ne
Edition des griechischen vorlegt, die sich auf alle erreichbaren
Handschriften stützt. Dazu enthält sie einen Kommentar
dieser Texte, wobei weitere griechische Schriften
unter dem Namen Daniels teils mit Textwiedergabc, teils
in Paraphrase einbezogen sind.

Der „junge Daniel" gehört einer Bibelhandschrift an
und gibt sich als unmittelbare Fortsetzung der vorangehenden
Susanna-Erzählung. Er beginnt mit einer Rede
Daniels über den Menschensohn (Kap. 1), worauf ein offenbar
fragmentarischer Abschnitt über ein Opfer - vielleicht
das Abendmahl - und Priester folgt (Kap. 2). Dann teilt
Daniel seine „in den Jahren des Königs Darius" empfangenen
Visionen mit: Gott läßt viele Völker aufbrechen und
die Erde mit Tod und Verwüstung überziehen, worauf
anarchische Zustände folgen (Kap. 3), bis ein „König des
Ostens" auftritt und vorübergehend Heil schafft (Kap. 4).
Es folgt ein anderer König, der mit einem „Ziegenbo:k"
und einem „Stier" *— gemeint ist vielleicht Jupiter Doliche-
nus - kämpft (Kap. 5). Dann wird das „Haus Gottes" zerstört
und die Gläubigen werden verfolgt (Kap. 6). Anschließend
eine lange Aufzählung kosmischer Schrecken
(Kap. 7), bis die mythisch geschilderten Gestalten des
Messias und des Antichrist auftreten (Kap. 8). Danach
bricht der Text mitten im Satz ab.

Diese zeitlich noch nicht einzuordnende Schrift gehört
der literarischen Gattung der Apokalypse an (S. 106-109).
Obwohl noch manche Einzelheiten offenbleiben, läßt sich
doch mit einiger Sicherheit behaupten, daß hier eine
spätisraelitische - darauf hin weist vor allem, daß der
Messias aus dem Stamm Levi kommen soll - Grundschrift
in den Kapiteln 1,2 und 6 christlich überarbeitet wurde
(S. 109-112). Der Abschnitt 1,10-14 berührt sich mit dem
Prolog des Johannes-Evangeliums, ohne daß sich die un
mittelbare Abhängigkeit des einen vom anderen erkennen
läßt (S. 82-84). In 6,5 findet sich das apokryphe Zitat
1 Kor 2, 9, wobei die Möglichkeit besteht, daß der „junge
Daniel" die Quelle für Paulus oder die Apokalyse des Elias
ist (S. 100).

Die „Letzte Vision Daniels" (LVD) bringt nach einer einleitenden
Audition über die Versiegelung der Gläubigen
durch vier Engel einen langen Weheruf über die „Siebenhügelige
", die Stadt Konstantinopel. Nacheinander treten
als unheilbringende Herrscher ein Jüngling, eine vordem
schlafende Schlange, die „Völker des Nordens und des
Südens" und der „große Phillipos" auf. Nach einer Schlacht
in Konstantinopel wird in einem Stadteil ein armseliger