Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1972

Spalte:

928-929

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Nicolaus de Dinkelspuhel, Der Herrengebetskommentar des Nikolaus von Dinkelsbühl 1972

Rezensent:

Heidrich, Peter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

927

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 12

928

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung will der Vf.
die Eigenart der Eheauffassung Luthers zum Ausdruck
bringen. Gegen die katholische sakramental verstandene
Ehe wird die Ehe bei Luther als ein „weltlich Ding" verstanden
und mit der Tatsache der Schöpfung theologis:h
begründet. Es zeigt sich, daß die Verschiedenheiten der
katholischen und lutherischen Positionen nicht nur in der
Frage der Ehe, sondern zugleich im ganzen Sakramentsverständnis
liegen. (Zwar scheint Luther noch in der Schrift
„Sermo vom ehelichen Stand", 1519, auf dem katholischen
Boden zu stehen.) So kann das Problem der Ehe auch in
der interkonfessionellen Diskussion nicht isoliert bleiben,
sondern muß in ihrem eigentlichen theologischen Denk
horizont betrachtet werden.

Zur heutigen ökumenischen Debatte über die Ehe bietet
Suppans Buch wichtige und interessante Aussichten. Im
Rahmen dieser Besprechung können die Details nicht diskutiert
werden. Auf einen Zusammenhang möchte ich
jedoch kurz hinweisen. Suppan gebraucht ziemlich viel
Johannes Heckeis bedeutende Arbeiten und ist von ihnen
beeinflußt. Liegt aber da nicht eine Gefahr der Spirituali-
sierung der ehetheologischen Hauptgedanken Luthers?
Diese Gefahr ist meiner Meinung n^ch ab und zu (z. B.
S. 17, 34, 48, 49. 52, 53, 119) an dieser sonst möglichst
tendenzfreien und sachlich historisch durchgeführten Arbeit
zu sehen.

Helsinki Athi Hakamiei

Kohls, E.-W. [Hrsg.]: Evangelische Katechismen der Reformationszeit
vor und neben Martin Luthers Kleinem Katechismus
. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn
[1971). 75 S. gr. 8° = Texte zur Kirchen- u. Theologie
geschichte. hrsg. v. G. Ruhbach unter Mitarb. v. G. A.
Benrath, H. Scheible u. K.-V. Selge, 16. Kart. DM 14,80.
Folgende Texte werden dargeboten, durchweg in d;plo-
matisch-getreuer Wiedergabe des Erstdrucks: Der Katechis
mus des Erasmus von 1512/1513, die Fragstücke des
J. Brenz für Schwäbisch Hall von 1535, der ,kürzerc'
Katechismus M. Bucers für Straßburg von 1537, der
deutsch-lateinische Katechismus Bucers für Hessen von
1549. Die gedrängte Einleitung geht auf die spärlichen
altkirchlichen und mittelalterlichen Vorläufer ein, d;c
Verwandtschaft mit den Beicht- und Bußspiegeln, die religionspädagogischen
und dogmatischen Motive der Refor
mationszeit, die unterschiedliche Anordnung des Stoffes bei
weitgehender inhaltlicher Gleichartigkeit mit den sechs
Hauptstücken des kleinen Lutherschen Katechismus und
dessen geschichtlichen Sieg über die späteren exponierten
Katechismen. Mit Ausnahme des lateinischen Erasmischcn
Katechismus herrscht formal die Fragelorm, die als pädagogische
Hilfe für die Hausväter und Lehrer gedacht ist.
Das sehr umfangreiche Literaturverzeichnis wird von d?n
Forschern dankbar benutzt werden. In ihm fehlt Leopold
Cordicr. Evangelische Pädagogik I, 1932, ein Quellcnbuch
zur altkirchlichen und mittelalterlichen religiösen Unterweisung
auf den ersten 82 Seiten. Da die großen Quc'len
werke von Reu und Cohrs dem Studenten von heute kaum
zugemutet werden können, die von Kohls dargebotenen
Quellen aber mühelos zu bewältigen sind, dient das handliche
Heft bestens einem kirchengeschichtlichen Bedürfnis
oder hilft wenigstens, es zu wecken. Man stößt oft auf
kernige Sätze, so wenn Bucer nach dem „nutz" des Glau
bens fragt: „daß ich allen meinen trost und zuve s'cht
auff Got setze und Gebrauch seiner geschöpften und
gaaben mit zucht und dankbarkeyt" (62).

Eine Anmerkung nebenbei! Luther, Brenz und Bucer
fragen nach dem „Nutzen", Luther dem der Taufe, Bren:
und Bucer dem des Glaubens (29, 62, 64). Alle antworten
mit zentralen Heilsaussagen. Darin setzt sich eine sprachliche
mittelalterliche Tradition fort, in der utilis in Texten
der Heilslehre gebraucht wird, auch in der Sakramentslehre
. Das wird auf oophelimos der Pastoralbriefe zurückgehen
(1. Tim. 4,8; 2. Tim. 3,16; Tit, 3,8), das g:wiß
nicht nützlich im Sinn der hellenistischen Popularphilo-
sophie meint oder des späten europäischen Rationalismus,
sondern „nützlich zum geistigen Heil".

Rostock Gottfried Holte

Damerau, Rudolf. Dr. theol.: Die Quästionen des Nikolaus
von Dinkelsbühl zum Galaterbriefkommentar. Textkritische
Ausgabe. Gießen- Schmitz 1970. XXXIV, 212 S.
8° Studien zu den Grundlagen der Reformation, 9.
DM 26,-.

— Der Herrengebetskommentar des Nikolaus von Dinkelsbühl
. Lateinische textkritische Ausgabe. Gießen: S:hmitz
1971. L, 209 S. 8° = Studien zu den Grundlagen der
Reformation, 10. DM 28,-.

Die Reformation gehört zu den folgenreichen Geschichts
ercignissen, denen man als Vorgeschichte oft nur eine
dunkle Epoche zugestand, die eher Kulisse als Voraus
setzung zu sein schien. Je höher der theologische Wert
ihrer Ergebnisse veranschlagt werden konnte, desto
schöpferisch-selbständiger wurde sie gesehen. Männer
und Bewegungen, denen die geschichtlichen Wirkungen
der Reformation versagt blieben, wurden rasch als
bloße Vorläufer der Reformation verstanden. Damerau
hat sich der Aufgabe verschrieben, gerechtere Urteile zu
ermöglichen, indem er handschriftliches Material zugänglich
macht, das bisher nur wenigen Spezialisten bekannt war.
Er sieht sich der Forderung Martin Grabmanns verpflichtet
, Texteditionen zu erstellen; wie er selbst schreibt, habe
ihm Gerhard Ritter stupenden Fleiß bescheinigt, der eine
reiche Ernte eingebracht habe.

Sicher war es nicht nur das helle Licht, in dem die
.erfolgreiche Reformation erschien, das so vieles aus der
Literatur des 15. Jh.s in Bibliotheken vergessen bleiben
ließ; die folgende Reformation wie die vorausgegangene
Hochscholastik haben Maßstäbe gesetzt, denen vieles aus
dem 15. Jh. nicht standhalten kann; das entgeht dem
Leser auch vorliegender Texte nicht. Dennoch, die Luther
forschung erhält Texte, die die unmittelbar vorausliegcndc
Zeit erhellen. Damerau hat ein ökumenisches Anliegen,
wenn er zeigen will, daß das Spätmittclalter tiefen Glau
bensernst kannte. Er ist sich dessen bewußt, daß er an
seine Leser hohe Anforderungen stellt (Band 9, S. VIII).
wobei er offenbar weniger an die Gelehrten denkt, denen
sich die Gedanken der edierten Texte in die bekannte
scholastische Gedankenwelt einordnen, sondern er meint,
diese Texte möchten dazu helfen, daß Leser „sich theslo
gisch und philosophisch über ihre eigene Glaubenshaltung
und über den Ernst ihrer Situation vor Gott und ihre Krise
als Mensch bewußt werden". Für solche Leser scheinen
auch gewisse, allzu elementare Einführungen z. B. über
die Form der Quaestio gedacht zu sein. Ob dazu die
vorgelegten Texte geeignet sind, ist fraglich; sie werden
die Kenntnisse über das 15. Jh. vermehren, sie werden den
interessieren, der der Vorgeschichte der katechetischen Arbeiten
Luthers auf der Spur ist; zur Reflexion gegenwär
tiger Claubcnsfragcn dürften zu viele Übersetzungsaufgaben
zunächst zu lösen sein, und dies nicht primär sprachlich
gemeint.

Der Schreibmaschinendruck der beiden Editionen ist
gut zu lesen, wenn es auch einige Mühe macht, die Anmerkungen
jeweils im Anhang zu haben. Die Zitate innerhalb
der Texte sind im Apparat verifiziert; die Texte über die
Zitate hinaus aus den Quellen zu interpretieren, ist unterblieben
. Der Text der Quaestionen ist aus drei Hand-