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Ausgabe:

1972

Spalte:

926-927

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Suppan, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Ehelehre Martin Luthers 1972

Rezensent:

Hakamies, Ahti

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 12

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tcidigt. Sie beschäftigt sich mit der Trinitätslehrc des
Dominikanertheologen Johannes von Neapel, des Führers
der italienischen Thomistenschulc, der für diese Schule die
gleiche Bedeutung wie Herveus Natalis für die Thomisten-
schule in Frankreich hatte. Dabei werden nicht nur die
gedruckten Quacstioncs disputatae, sondern auch die noch
ungedruckten Quodlibcta gründlich ausgewertet. Schneider
kommt dabei zu dem Ergebnis, daß auch für Johannes der
Glaube die Grundlage aller tri ni tarischen Spekulation
darstellt, daß es für die Trinitätslchre also keine Beweis?
im strengen Wortsinn gibt. Das menschliche Wissen kann
jedoch zur Erhellung des Trinitätsgeheimnisses Bedcu
tendes beitragen, und die Philosophie des Aristoteles ist
hierbei das wichtigste Instrument. Dagegen wird die psychologische
Trinitätsauffassung Augustins, die im Minori-
tenorden neu aufgegriffen und reich ausgestaltet worden
war, verworfen, und Johannes polemisiert in diesem Zusammenhang
gegen Duns Scotus, Heinrich von Gent und
andere franziskanische Theologen. Im allgemeinen bewegt
er sich als Dominikanertheologc im Gedankenfeld Thomas
von Aquinos und sucht dessen Auffassungen gegen die
- oft ungenannt bleibenden - Gegner zu stützen. Doch
gelingt Schneider zugleich der Nachweis, daf} Johannes
ähnlich anderen Ordenskollegen sich in einzelnen nicht
unwesentlichen Aspekten des Trinitätsverständnisses nicht
scheut, gegen seinen Lehrer eine eigenständige Linie zu
vertreten. Die dabei zutage tretenden Differenzen betreffen
auch das Grundverständnis des innertrinitarischen Lebens.
Besonders aufschlußreich ist dabei, daß Johannes bei seiner
Ablehnung des psychologischen Trinitätsverständnisses
Augustins an der Auffassung des jungen Thomas festhält
und dem „reifen" Thomas in seiner Aufnahme der augusti-
nischen Intention nicht folgt. In einer Frage, nämlich
der dos Verständnisses der Relationen der Ähnlichkeit und
Gleichheit in Gott als realer Relationen, machte Johannes
selbst einen Wandel durch, der ihn an diesem Punkt auch
von seinen Ordenskollegen trennte.

Auffällig ist an der Tx'initätslehrc des Johannes vor
allem die Betonung der Ursprungsordnung der göttlicheu
Personen als Grundlage für die Realunterscheidung inner
halb der Trinität bei strengem Festhalten an der ungeteilten
göttlichen Wesenheit. So ist die einzige Unterscheidungsbasis
für die göttlichen Personen denn auch die
relative Opposition des Ursprungs. Starker Nachdruck
liegt auf dem Relationsbcgriff, weil es durch ihn möglich
wird, die persönliche Verschiedenheit in Gott mit der
Einheit des Wesens zu vereinbaren, so aber, dafj die reale
Relation keine von ihrem Fundament verschiedene Sache ist.

Auf nähere Einzelheiten einzugehen, erübrigt sich an
dieser Stelle, da Schneider kaum mehr als eine sehr ausführliche
Paraphrase der zu behandelnden Texte bietet, d es
freilich zuverlässig und sorgfältig. Der lateinische Text
wird im Apparat ebenfalls ausführlich zitiert. Die Folge
dieses Vorgehens ist indes eine gewisse Umständlichkeit
und Schwerfälligkeit der Argumentation. Es wäre durchaus
möglich gewesen, die Dissertation so zu straffen, daß
ihre wesentlichen Ergebnisse in einem Aufsatz vorgelegt
worden wären. Wahrscheinlich wäre das der Arbeit sogar
sehr nützlich gewesen. Auf eine Interpretation ist im
wesentlichen verzichtet worden, was bedauerlich ist, weil
nur dadurch einem größeren Leserkreis die Relevanz des
dargebotenen Stoffes auch für den Glauben der Gegenwart
verständlich gemacht werden könnte.

Die Paraphrase des lateinischen Textes hält sich zuweilen
so sklavisch an diesen, daf3 darunter auch der Stil
der Arbeit erheblich leidet. So klingen manche Sätze recht
hölzern. Überhaupt fällt eine gewisse sprachliche Unbeholfenheit
auf, und zuweilen begegnen sogar grammatische
Fehler, die man in einem wissenschaftlichen Werk nicht
vermuten sollte, so wenn man auf die Präposition „ohne"
mit einer Dativkonstruktion stößt (S. 69; 173). Seltsam

berührt auch bei einem Verfasser, der sich scholastischen
Texten widmet, wenn er „genus" als maskulines (S. 70;
192; s. auch die Wendung „in einem einzigen bestimmten
Genera" auf S. 151!) und „ordo" als feminines Substantiv
(S. 170; 172; 200) ansieht und „Quodlibcta" offenbar für
einen Singular hält (S. 147, 217). Auch auf eine Reihe
von Intcrpunktionsfehlern stöfjt man, doch daran ist man
ja bei der Lektüre theologischer und anderer Literatur
seit langem gewöhnt. Der Rezensent begibt sich nicht gern
in diese Niederungen, aber was hilft es, wenn schon im
rein Handwerklichen und in den selbstverständlichen Voraussetzungen
eines Grundschülers Schluderei und Unzu-
verlässigkeit um sich greifen? Wer im geringsten nicht
treu ist, wird man auf dessen Treue im Großen bauen
können? Verwunderlich ist aber auch, daß Betreuer der
Arbeit und Verlagslektoren nicht rechtzeitig auf solche doch
sehr leicht zu behebenden Mißlichkeiten aufmerksam ge
worden sind. Der lateinische Text im Apparat ist im
allgemeinen fehlerfrei wiedergegeben; immerhin bin ich
auf den Seiten 2, 26, 34, 40, 49, 53, 68, 72, 75, 104, 110, 122,
131, 136, 138, 141, 143, 155, 159. 168, 178, 194, 196, 201,
206, 208, 219, 228, 234 und 238 auf Druckfehler gestoßen,
die getilgt werden sollten.

Rostock Gert Wondclliorn

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Suppan, Klaus: Die Ehelehre Martin Luthers. Theologische
und rechtshistorische Aspekte des reformatorischen Ehe
Verständnisses. Salzburg-München: A. Pustet [1971]. 139 S.
8°. Kart. DM 12,80.

Klaus Suppans Arbeit enthält eine klar durchgeführte
und sachlich konzentrierte Darstellung über die Ehelehrc
Martin Luthers. Die Problemstellung der Arbeit ist mit der
heutigen Lage der bekenntnisverschiedenen Ehen innerhalb
der evangelischen und katholischen Christenheit gegeben.
Der Verfasser, Pater und Sekretär einer österreichischen
Benediktiner-Kongregation, versucht eine bessere Kenntnis
über die Eheauffassung Luthers zu vermitteln. Er will die
Ehetheologie Luthers aufgrund der mittelalterlichen katholischen
Entwicklung aufzeigen und die heutige theologische
Problematik der Ehe von Luthers eigenem Denken und
dessen zeitbedingten Voraussetzungen aus beleuchten. Das
Thema der Arbeit ist sowohl aus dem aktuellen interkon
fcssioncllcn Bedürfnis als auch aus dem rein Wissenschaft
lich-historischen Interesse für Luther herausgewachsen.

An sich ist es kein neues Feld, das Suppan bearbeitet
hat, aber dennoch nicht weniger interessant. Suppan hat
seine Darstellung aufgrund der wichtigsten ehetheologischen
Schriften Luthers aufgebaut, z. T. auch neues Luthci-
material aufgerollt. Das Interessante der Arbeit liegt vor
allem darin, wie das vorliegende Material und somit
Luthers ganze Ehetheologie im Lichte des ökumenischen
Leitgedankens bewertet und näher erörtert wird. Diese
allgemeine Zielsetzung hat die Arbeit und ihre Einzelheiten
überall befruchtet.

Suppans Untersuchung enthält zwei Hauptteile: im
ersten Teil betrachtet er die für Luthers Lehre konstituierenden
„vorbestimmenden" theologischen Momente, im
zweiten Teil wird die eigentliche institutionelle Struktur
der Ehe näher gezeigt.

Es ist methodisch sinnvoll und sachgemäß gewesen, daß
der Verfasser erst die grundlegenden theologischen Hauptgedanken
Luthers aufgezeigt und danach die strukturellen
Einzelheiten in ihrem historischen Zusammenhang analysiert
hat.