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Ausgabe:

1972

Spalte:

912-914

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lohfink, Gerhard

Titel/Untertitel:

Die Himmelfahrt Jesu 1972

Rezensent:

Walter, Nikolaus

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 12

912

Exegese die hermeneutischc Reflexion einbeziehen muß
- Eichholz nennt es das ständige Verklammern von Hermeneutik
und Exegese -, wurde jedenfalls nicht erst von
ihm entdeckt.

Eigenständige Ergebnisse der Exegese legt Eichholz
kaum vor.

Größere Selbständigkeit zeigt er in den Auslegungen
von Lk 7,36-50; 12.. 13-21 und 14,28-32. Zu erwähnen
ist ferner die Auseinandersetzung mit Glombitza S. 112 f.
und mit Rengstorf S. 208-10. Gelegentlich wird ein gutes
Argument zur Klärung einer Detailfrage beigetragen.

Exegetische Literatur wird eklektisch behandelt. Wichtige
Alternativen der Auslegung bleiben unaufgearbeitet und
werden dem Leser des öfteren verschwiegen. Wo sie aber
offengelegt sind, genügt es dem Vf. mitunter, seine Entscheidung
mit einem „Ich meine aber .. ." einzuleiten und
auf jede Begründung zu verzichten. Abhängigkeiten reichen
sehr viel weiter, als Zitate und Verweise erkennen lassen.
Das gilt besonders für das Gesamtverständnis der einzelnen
Gleichnisse und für methodische Grundeinsichten. Ein
vielbenütztes ist keineswegs ein vielzitiertes Buch.

Hinsichtlich der Formalia fragt man sich, ob man sich
ärgern, wundern oder aber freuen soll, in diesem Buch
für die Studenten dutzendfach Beispiele zu finden, wie sie
es nicht machen dürfen.

Ungeniert werden Literaturhinweise von mehr als drei
Zeilen in den Text hineingenommen und unterbrechen den
Zusammenhang, als sei dem Vf. die Möglichkeit von Fuß-
noten oder Anmerkungen unbekannt.

Wichtige Standardwerke werden nie mit Titel, Erscheinungsjahr
und Auflage genannt, (z. B. W. Bauer, Wörterbuch
zum NT, H. L. Strack - P. Billerbcck, Kommentar
zum NT aus Talmud undMidrasch, oder A. Jülicher, Gleichnisreden
Jesu. Bei letzterem muß der Leser sogar raten,
auf welchen Teil sich die Seitenangaben beziehen!) Weniger
bekannten Büchern kann das aber auch passieren. „Der
Weg Jesu" von Ernst Haenchen wird mehrfach zitiert, aber
nie genannt. Ein anderer Titel des gleichen Verfassers, „Die
Botschaft des Thomasevangeliums" erscheint erst auf
S. 139 f. (dafür allerdings gleich zweimal), obwohl das
Buch bereits vorher des öfteren benutzt wurde.

Von allen Büchern wird diejenige Auflage genannt,
welche dem Vf. gerade zur Hand war, wobei er die
erste Auflage benutzt, obgleich bereits eine fünfte, mehrfach
verbesserte erschienen ist. Auf S. 20 nennt Eichholz
die vierte, auf S. 67 die sechste Auflage von J. Jeremias,
„Gleichnisse Jesu" und überläßt es dem Leser, herauszufinden
, auf welche der beiden Auflagen, die sich im
Umfang um 34 Seiten unterscheiden, er die Seitenangaben
der übrigen Zitate zu beziehen hat.

Eichholz nimmt für sein Buch in Anspruch, daß es sich
„in einem oft kritischen Gespräch mit anderen hermeneu-
tischen Ansätzen" bewegt. Mit einigen Gemeinplätzen,
welche dafür kaum etwas hergeben, versucht er zu begründen
, warum dieses „Gespräch" in der Regel lediglich
„implizit" erfolgt. Solange der Betroffene erraten soll,
daß er gemeint ist, kann jedoch von einem Gespräch keine
Rede sein. Mit einer Kritik, welche ihre Argumente und
Kriterien verschweigt, ist eine Auseinandersetzung nicht
möglich. Sie entzieht sich der Überprüfbarkeit und ver
dient somit ihren Namen nicht.

Die Stärke des Eichholzschcn Buches liegt in der existen-
tialen Interpretation der Gleichnisse. Darum bleibt mir
unverständlich, weshalb Eichholz im Vorwort ausdrücklich
gegen die existentiale Interpretation polemisiert, zumal er
den Begriff nur in einer kurzen, rätselhaften Bemerkung
auf S. 82 noch einmal erwähnt.

Brnimscliwciir St« Linnemann

Lohfmk, Gerhard: Die Himmelfahrt Jesu. Untersuchungen
zu den Himmelfahrts- und Erhöhungstexten bei Lukas.
München: Kösel-Verlag 1971. 315 S. gr. 8° = Studien
zum Alten und Neuen Testament, hrsg. v. V. Hamp und
J. Schmid unter Mitarb. v. P. Neuenzeit, XXVI. Kart.
DM 75,-.

In einer breit angelegten, klar gegliederten und durch
jeweilige Zwischenzusammenfassungen der Ergebnisse gut
überschaubaren Arbeit geht Lohfink der Frage nach der
Entstehung der Himmelfahrtserzählungen bei Lukas (Lk 24,
50-53 und Apg 1,1-12) nach. In einer Einleitung (S. 13-31)
stellt er an Hand eines Überblicks über die Forschung seit
D. F. Strauß die wesentlichen Probleme und die Haupt
typen bisheriger Lösungsversuche heraus, nach denen die
Himmelfahrtserzählung entweder (konservativ) als letzte
der Erscheinungen des Auferstandenen oder (kritisch) in
verschiedenen Varianten als sekundäre Legendenbildung,
die aus der zunehmenden Materialisierung der Vorstellung
von den Auferstehungserscheinungen resultiert, beurteilt
wird. L. möchte vor allem die traditionsgeschichtlichc
Fragestellung weiterführen und nach dem Zusammenhang
von Himmelfahrtserzählung und urchristlichem Erhöhungs-
kerygma fragen. Außerdem ergibt der Forschungsüberblick
, daß der religionsgeschichtliche Vergleich bisher noch
nicht umfassend und detailliert genug durchgeführt wurde.

In Kap. 1 (S. 32 - 79) arbeitet L. daher das religions
geschichtliche Material auf. Fruchtbar ist die formgeschichtliche
Unterscheidung zwischen dem Erzählungstyp der
„Himmelsreise der Seele" (Stil: Anweisung oder Bericht des
„Reisenden") und dem der „Entrückung" (Erzählung aus
der Optik der Zurückbleibenden), auf den sich L. mit
gutem Grund konzentriert; er bespricht die Beispiele aus
dem griechisch-römischen und dem alttestamentlich-jüdi-
schen Bereich (beachtenswert der Versuch einer traditions-
geschithtlichen Interpretation der merkwürdig „ambivalenten
" Darstellung des Todes Moses bei Josephus, S. 61-69).
Nur nebenher spielt für Lukas der Erzähltyp „Himmelfahrt
als Abschluß einer Erscheinung" eine Rolle; im ganzen
gehört die Himmelfahrtserzählung der Gattung der „Entrückung
" zu (sie markiert nicht nur das Ende einer
Erscheinung, sondern zugleich das Lebensende des irdischen
Jesus) und fügt sich dieser Gattung gerade auch
hinsichtlich ihrer Knappheit und verhaltenen Erzählweisc
voll ein.

Das 2. Kap. (S. 80-146) stellt an die neutestamentliche
und frühchristliche Literatur die Frage, ob sich - außer
bei Lukas - Spuren einer Tradition von einer sichtbaren
Himmelfahrt Jesu, sei es am Ostertag, sei es später, finden.
Der neutestamentliche Rundblick ergibt nirgends eine
Bekanntschaft mit einer Himmelfahrtsvorstellung; er ergibt
noch mehr: „Das Erhöhungskerygma ist gegenüber
der realen Ostererfahrung sekundärer als das Auferste
hungskerygma" (S. 96; die Auferstehungsvorstellung ist
„die älteste und eigentliche Kategorie" S. 98); erst recht
kann dann natürlich auch die Entrückungsvorstellung nicht
gleichrangig neben der Auferstehungsvorstellung stehen,
sondern muß als tertiär gelten (S. 96 f.). Dabei geht es L.
darum, die lukanische Himmelfahrtserzählung zunächst
deutlich gegen das urchristliche Auferstehungskerygma
abzusetzen. - Der patristische Überblick zeigt im wesentlichen
, daß überall da, wo von der Himmelfahrt als ge
sondertem Ereignis gesprochen wird, Abhängigkeit von
Lukas erkennbar ist (das gilt auch für die gnostische Lite
ratur mit den z. T. weit hinausgeschobenen Himmelfahrts
terminen; die umstrittene Stelle Barn. 15,9 erklärt L.
einleuchtend als von Lk 24, aber nicht von Apg 1 abhän
gig). Gesamtergebnis: Die Existenz einer von Lukas unabhängigen
Himmelfahrtstradition ist nicht zu belegen.

In Kap. 3 (S. 147-162) isoliert L. versuchsweise die
kleinsten in sich geschlossenen Erzähleinheiten innerhalb