Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1972

Spalte:

908-910

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Tachau, Peter

Titel/Untertitel:

"Einst" und "Jetzt" im Neuen Testament 1972

Rezensent:

Becker, Jürgen

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

907

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 12

903

Offenbarung des Planes Gottes (sog. Schriftbeweis; 203 bis
205) sowie auf die Osterzeugen (206). Nicht zuletzt macht
sich der Auferstandene in der Eucharistie kund (Emmaus;
214 f). Mehr als die anderen Evangelisten bezieht Joh den
Osterglauben auf das Wort (245).

Die derniere etape: Hermeneutiquc (249-309) nimmt
speziell die Frage nach dem Wie des Mitteilens der
Osterbotschaft auf (249). Zunächst: als Auf erweckung und
Erhöhung ist die Auferstehung nicht historische Tatsache;
sie wird aber vom Glaubenden als wirklich? Tatsache
(fait reel) verstanden - und das Wirkliche überragt das
Historische - (252 f). Die Wirklichkeit der Tatsache wird
(allgemein) durch den Zeugen bestätigt; das gilt auch dort,
wo sich Tatsache und Geheimnis verbinden (258). Sodann:
der Exeget kann zunächst sagen, daß die Frauen den Leib
Jesu nicht im Grab fanden (270), und vor allem, dafj die
mehrfache Erfahrung der Jünger weitergegeben wurde
mittels der Sprache der Umwelt und der Tradition (275).
Die vorgegebene Sprache ist nicht einfach zu wiederholen;
Lukas redet seinerseits davon, daß Jesus lebt, und Paulus,
dafj Christus in ihm lebt. Für Lukas wird aber ebenso
aufgezeigt, dafj er gleichzeitig das grundlegende Reden von
der Auferstehung aufnimmt (278); für Paulus hätte sich
Entsprechendes zumindest ebenso deutlich machen lassen.
Man muß, folgert L.-D. jedenfalls, das Wort Gottes auf
eine dem Zeitgenossen verständliche Weise sagen; aber
um das authentisch zu tun, mufj man sich zugleich auf die
privilegierte biblische Sprache zurückbezichen (278) :. Interpretieren
hei5t, das Gesagte neu sagen und zugleich sich
gebunden wissen an die originale, ursprüngliche Sprache
(„langage de reference", 312). Damit führt L.-D. zu dem
aujourd'hui (288-309). Es gilt nicht etwa, die Interpre'.a
tion auszuwählen, die am wenigsten von unserer Denkweise
entfernt zu sein scheint (289). Um bei dem Neuen
Testament zu bleiben, mufj man in bezug auf Ostern
immer von leiblicher Auferstehung - in einem geistlichen
Leib (299) - reden; der Auferstandene ist Jesus von
Nazareth, der Gekreuzigte, als der Verherrlichte (298).
Von bestimmten Sätzen neuzeitlicher Genetik her meint
L.-D. schließlich, den Gedanken besser fassen zu können,
dafj der Leib des Auferstandenen allen Menschen aller
Zeiten gegenwärtig sei (301-308). - Jedenfalls - und
dieser Satz ist nach dem vorhin Referierten nicht mehr
mißverständlich - verwirklicht der durch Gott von den
Toten auferweckte Jesus von Nazareth durch und unter
Wort und Brot seine Gegenwart (308 f).

Anhangsweise werden, in Anknüpfung an das grundsätzlich
Gesagte, zu den Berichttexten Warnungstafeln und
Wegweiser für die heutige Verkündigung aufgestellt (319 bis
330); ferner werden die wichtigsten neutestamentlichen und
aufjerbiblischen Texte in Übersetzung abgedruckt. Zwischen
Bibliographie und Indices wird ein Lexikon der wichtigsten
Fachwörter gegeben.

Die dritte Arbeit des Vf.s in der Reihe Parole de Dieu
führt in bestimmtem Sinn die erste fort, Les evangiles et
l'historie de Jesus *. In der Konzentration auf ein begrenztes
Thema, das freilich zahlreiche Texte einschließt,
wird die Arbeitsweise des Vf.s besonders deutlich. Sie ist
eindrücklich schon in der sprachlichen Formung, sodann
durch die klare Linienführung, durch die Anwendung der
heute geläufigen Arbeitsweisen der Formgeschichte, Tradi
tionsgeschichte, Redaktionsgeschichte usw. bei der Analyse
der neutestamentlichen Texte, deren Einsatz für die im
Titel angedeutete Kernfrage des Buches fruchtbar wird,
unter anderem auch in einer Reihe tabellarischer Textvergleiche
. Daß insbesondere späterhin theologische Grundgegebenheiten
des Vf.s sichtbar werden, versteht sich

! Iu welchem Umfang Paulus in heidenchristlichen Gemeinden
Kenntnis liililiseher Rede- und Denkweise usw. vor-
uusset'/.t, läßt, sich in den Briefen aufzeigen.

» Vgl. TliLZiin (1065) 167-18!). Die zweite, Etudcs d'£v»ngile
(19A&), befaßte sieh mit synoptischen Einzeltexten.

ohne weiteres (im hermeneutischen Kap. wird das nach
meinem Empfinden mitunter auch in einer etwas anderen
Sprache spürbar). Tn exegetischen Beobachtungen und
umfassenderen Urteilen werden die Texte mannigfach zum
Reden gebracht. Zu beiden müßten nun das Gespräch einsetzen
- ein Gespräch, das nicht zuletzt um der Geschlossenheit
der von L.-D. vorgetragenen Lösung willen sehr
lohnen dürfte.

Bestimmte urteilende Sätze werden mitunter durch
Aussagen in anderem Zusammenhang ergänzt. Einige Fragen
seien immerhin angedeutet: Haben nicht Auferweckung
und Erhöhung in den urchristlichen Aussagen je ihren
eigenen Rang? Sind Entdeckung des leeren Grabes und
Gegenwart des handelnden Gottes (156) per se ein Gegen
satz? Ist das Bemühen um das Verstehen erst die Aufgabe
des Hermeneuten (251), nicht auch schon die des Exegcten.'

Halle/Saale Gerhard Delling

Tudiau, Peter: „Einst" und „Jetzt" im Neuen Testament.
Beobachtungen zu einem urchristlichen Predigtschema in
der neutestamentlichen Briefliteratur und zu seiner Vorgeschichte
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1972.
166 S. gr. 8° — Forschungen zur Religion und Literatur
des Alten und Neuen Testaments, hrsg. von E. Käsemann
u. E. Würthwein, 105. Lw. DM 38,-.
Ein Schwerpunkt im Zusammenhang der neutestamentlichen
Forschung ist gegenwärtig die Frage nach der
Geschichte und der Zuordnung der christlichen Existenz zu
ihr. In diesen Rahmen gehört auch die Arbeit von T., die
als Dissertation unter E. Lohses Betreuung in Göttingen
1968 angenommen wurde. T. möchte, Beobachtungen von
R. Bultmann, G. Stählin, N. A. Dahl und E. Kamiah aufgreifend
, unter traditionsgcschichtlicher Fragestellung erörtern
, welche Geschichte die „knappen Gegenüberstellungen
von Vergangenheit und Gegenwart" (S. 9) mit Hilfe
der Adverbien „einst" und „jetzt" in der neutestamentlichen
Briefliteratur gehabt haben. Durch eine Untersuchung zu
1. Petr 2,25 und Kol 1,21 f gelangt er eingangs zu dem
vorläufigen Ergebnis, daß es „ein festes Schema" gegeben
haben muß, »das knapp und antithetisch Vergangenheit
und Gegenwart" durch „einst" und „jetzt" „gegenüberstellt
und das mit deutlicher Nennung der Hörer . . . zur Inter
pretation und Applikation von Hymnen dient" (S. 11). Von
dieser Basis aus macht es sich T. zur Aufgabe, einmal den
„Sitz im Leben" des Schemas, zum andern seine Begrifflichkeit
und die Art seiner Antithetik wie auch endlich die
Vorgeschichte des Schemas zu behandeln (S. 11).

Der dritte Aspekt führt zu einem nahezu ganz negativen
Ergebnis: Unter den vor- und nebenchristlichen
Belegen kommen allenfalls einige Aussagen aus der jüdisch
hellenistischen Schrift Joseph und Aseneth entfernt als
Material einer wirklichen Vorgeschichte in Betracht (S. 21 ff)
Zum zweiten: Bei Betrachtung der Begrifflichkeit wird
festgestellt, daß nur die beiden Adverbien „einst" und
„jetzt" relativ konstant sind, im übrigen die Begriffe
variabel, jedoch mit der Orientierung an dem ehemaligen
Sünderstand und jetzigen Heilsstand der Christen, so daß
also die Vergangenheit immer mit Sündenbegriffen und
die Gegenwart stets mit Heilsbegriffen bedacht wird (S. 96).
Daraus ergibt sich ein bewußt intendierter Kontrast, der
sich so beschreiben läßt: „Die Gegenwart soll auf dem
Hintergrund der Vergangenheit verständlich werden. Ein
Interesse an der Vergangenheit als selbständigem Thema
liegt in keinem Fall vor. Das Heil soll als ein in der
Gegenwart gültiges aufgezeigt werden. So dient das
Schema in erster Linie der Heilsvergewisserung der Hörer
(S. 112). Endlich wird bei der ersten Frage nach dem
Sitz im Leben die Verbindung mit den Lasterkatalogen,
der Zusammenhang mit der Taufe und allgemein die ur-