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Ausgabe:

1972

Spalte:

67-69

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Kegel, Günter

Titel/Untertitel:

Vom Sinn oder Unsinn, biblische Geschichten zu erzählen 1972

Rezensent:

Hertzsch, Klaus-Peter

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 1

(iS

und stimulierend auf die demokratische Gestaltung der
Umwelt wirken (S. 18 f.) Der Weg zum geregelten Dienst
am Wort wird den Etappen Entschluß - Studium - Berufung
- Einführung folgen (S. 20). Dieser Vorstellung folgt
auch der beigegebene Entwurf für die künftige Gestaltung
eines Ordinationsformulars, das faktisch die bisherige
„Einführung" als Ordination wertet.

Amt ist im Votum durchgängig und konsequent vom
allgemeinen Priestertum und als Beauftragung von der
Gemeinde her verstanden, die damit dem berufenden Handeln
Gottes folgt. Nicht zufällig erscheint die bis auf
wenige beiläufige Wendungen fehlende Bezugnahme auf
das Problem der Sakramentsverwaltung. Im Ordinations-
formularentwurf wird gesagt, daß der Ordinand .das Evangelium
in Wort und Sakrament öffentlich verkündigen" soll
(S. 26). (Bemerkt ist das Problem von H. Ammer S. 62;
behandelt etwa von J. Hamel S. 103 f.)

Den beigegebenen Ausschußvorträgen wird man einen
begleitenden Kommentar entnehmen dürfen. Beispielhaft
dafür könnte der Beitrag von J. Hamel gelten, der etwas
von den Erwägungen wiedergibt, die hinter der Formulierung
des Ordinationsformularentwurfs gestanden haben.

Ohne Frage wird das Votum diskutiert werden. Dazu
ist seine Veröffentlichung ja auch gedacht, wie das Geleitwort
von Bischof D. Frankel es ausspricht. Die Diskussion
hat auch bereits begonnen (vgl. den kritischen Beitrag von
H. Dombois: Ohne Respekt vor den Tatsachen. LM 10
(1971) S. 136 ff.). Das ist um so nötiger, als wohl mit
Recht gesagt werden kann, daß die Position des Votums
bereits communis opinio weiter Kreise geworden ist. Zweierlei
sei zu einer künftigen Sachdiskussion bemerkt:

1) Es wird auf das Bild von Gemeinde zu achten 6ein,
das hinter dem Votum steht und von dem her es bestimmt
ist. Wer dieses Bild nicht für zutreffend oder ausreichend
hält, wird auch zu anderen Schlußfolgerungen für die
Frage nach Amt und Ordination kommen müssen. Die
„Struktur kirchlichen Existierens" dürfte nach der Breite
und Vielfalt des biblischen Zeugnisses kaum in derDoppcl-
heit von „Wort und Antwort, Hören und Handeln" aufgehen
. Hier muß exegetisch tiefer nachgefragt werden.

2) Damit hängt die Frage zusammen, ob sich der Dienst
des Ordinierten tatsächlich als reine Funktion so stark von
der Person des Ordinierten ablösen läßt, wie es im Votum
der Fall ist. Es liegt nahe, auch den Dienst des Ordinierten
in die soziologischen „Gesetze" einzupassen, die für die
Tätigkeit in anderen Berufen heute gelten. Es muß aber
die Frage offengehalten werden, ob es nicht Elemente im
Dienst des Ordinierten gibt, die sich einer vorschnellen
analogen Einpassung entziehen.

Eisenach Ernst Koch

KATECHETIK UND
RELIGIONSPÄDAGOGIK

Kegel, Günter: Vom Sinn oder Unsinn, biblische Geschichten
zu erzählen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn
[1971]. 87 S. 8°. Kart. DM 7,80.

Der Titel und die bunte Aufmachung dieses kleinen
Buches könnten vermuten lassen, es handle sich um
eine eher heitere Plauderei zum Thema; tatsächlich aber
geht es um eine überaus präzise, informationsreiche und
in der Dezimalklassifikation nahezu pedantisch durchgegliederte
Studie über didaktische Grundprobleme. Der
Verfasser denkt und formuliert prägnant; man weiß jederzeit
, was er will. Er widersteht der Versuchung, der die
meisten anderen erlegen wären, aus der Fülle seines Materials
und seiner Gedanken ein umfangreiches Buch zu
machen: er faßt sich kurz. Dies weckt sofort Sympathien
für ihn. Aber er braucht sie auch; denn er kämpft in einem

Mehr-Fronten-Kampf gegen viele Katecheten und Katech-
tiker, ihre Theorien, Theologien und ihre Praxis. Ausgangspunkt
seiner Überlegungen ist die alte Frage, „wie die
biblischen Geschichten - die ja von Haus aus nicht für
Kinder geschrieben sind - so erzählt werden können, daß
die Kinder sie verstehen und daß gleichzeitig die ursprüngliche
Intention der Texte erhalten bleibt". Wenn die historisch
-kritische Exegese für den Unterricht fruchtbar werden
soll, muß zudem jedenfalls vermieden werden, daß bei
den Kindern der Unterstufe falsche Vorstellungen überhaupt
erst aufgebaut werden. Was ist zu tun? Günter Kegel
geht davon aus, daß Erzählen weder „Verkündigung" sein
kann noch „ein ursprünglicher Modus der Wirklichkeitserfahrung
", sondern daß Erzählen ein Lehr- und Erzähltes
Hören ein Lernvorgang ist. Lernen aber ist für ihn die
Vergrößerung des Repertoires von Verhaltensmöglichkeiten;
das Ziel ist, richtige Entscheidungen zu ermöglichen. Dazu
braucht man Kenntnis über die Elemente der Wirklichkeit
(Kenntnis des Bestehenden) und über die Operationsmöglichkeiten
(Möglichkeiten zur Veränderung). Die Erfahrung
- im Handeln, auch im Probieren - verifiziert oder
falsifiziert dann jeweils das Wirklichkeitsverständnis. Erzählen
als ein Lern- und Informationsvorgang kann nach
Kegel wohl gemachte Erfahrungen ins Bewußtsein heben,
klären, sie verfügbar machen; es kann aber nicht neue
erschließen oder vermitteln außer solchen, die sich aus der
Erzählsituation selbst ergeben, also nicht inhaltlichen, sondern
Kommunikationserfahrungen. Biblische Geschichten
aber, meint Kegel, machen verfügbar und klären solche
Erfahrungen, die bei den Kindern noch gar nicht vorhanden
sind; für sie sind das vielmehr Tatsachenberichte,
also Informationen über Es-gibt-Elemente und Man-kann-
Operationen, die später dann nicht verifizierbar sind. So
entsteht durch das Hören biblischer Geschichten ein Repertoire
unwirklicher Gegenstände und Verfahren. Ein falscher
Lernprozeß kommt in Gang: die Möglichkeit, richtige Entscheidungen
zu fällen, nimmt nicht zu, sondern ab.

Am Ende Kegels eigener Vorschlag: Man sollte in der
Unterstufe deshalb überhaupt nur noch wissenschaftlich
gesicherte „Sachverhalte" typisierend erzählen. Seine didaktische
These: „Der Unterricht hat die Aufgabe, die Ergebnisse
der Forschung über den historischen Jesus in
erzählender Form darzubieten." Erzählstoff wären dann
nur noch „Zuständlichkeiten" wie Landschaft, Sitte, Opferkult
von einst, wäre Jesu Verhalten zu den Zöllnern im
allgemeinen, nicht im Einzelvorgang, wären dann auch
Gegenstände der sogenannten Einleitungswissenschaft, warum
Paulus seine Briefe schrieb, wie man sich der Jesus-
Geschichten in der Gemeinde erinnert hat usw., wäre
zuletzt die Lückenhaftigkeit unsrer Quellen und Kenntnisse
selbst. Mit diesem „typisierenden Erzählen von Sachverhalten
* hofft Kegel Mißverständnisse und falsche Vorstellungen
zu vermeiden, auch die Konkurrenz zwischen
jener fernen und der uns umgebenden Wirklichkeit, auch
die Langeweile, die Überforderung der Kinder, das „unangebrachte
Funktionalisieren". Sehr dankenswert ist es, daß
er am Ende - natürlich mit allen Vorbehalten und Einschränkungen
- vier Modelle solcher Sacherzählung bietet.
Freilich, spätestens bei deren Lektüre gewinnt das Gefühl
die Oberhand, daß hier der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben
worden ist, dem Obersten der Teufel. Diese
Beispiele sind gut durchdacht, aber sie sind entmutigend.
Das Erzählen ist verdorrt: ein Gestrüpp von Belehrungen
ist aus ihm geworden, ein Inventarverzeichnis und eine
Gebrauchsanleitung für verschollene Gegenstände - vor
allem: hier werden offenbar ständig Bühnen aufgebaut,
aber es beginnt keine Handlung auf ihnen. Dabei müßte
es von Kegels Fragestellung und Ansatz her durchaus nicht
so weit kommen. Seine Warnzeichen sind ja berechtigt,
seine Analyse ist nützlich. Aber es ist gar nicht einzusehen,
warum die Erzähler von einst in den Gesichtskreis der