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1972

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Allgemeines

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Neuerscheinungen

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noch einmal zusammenfaßt und ergänzt, enthält allein
schon von der Thematik her manches für B. Typische. Das
Ergebnis der Untersuchung ist im Titel angedeutet. Es
geht B. um eine neue positiv-kritische Wertung Baurs. Zur
Erhärtung der These von Baurs »stetiger Kirchlichkeit"
zieht B. eine Reihe zeitgenössischer, aber auch späterer
Zeugnisse heran (S. 7-14), verweist auf die Problematik
der Urteile über Baur als „Religions- und Glaubensketzer"
angesichts seiner „entschiedenen Kirchlichkeit" (S. 14-18).
um schließlich auf die Gegensätze zwischen dem „kirchlichen
Baur" und seinem Schüler, dem „a., un- und antikirchlichen
Strauß" (S. 18-24) einzugehen. Der Nachweis,
daß Baurs theologischer Intellektualismus seine Kirchlichkeit
nicht berührte, gelingt, dessen scheint sich auch der
Vf. bewußt zu sein, nur für eine äußerlich verstandene
Kirchlichkeit, die von ihrem Ansatz her, wie so manches
bei Baur, nicht ohne moderne Parallelen ist.

Die theologiegeschichtliche Einordnung und das Bild des
„rationalen Kirchenvaters" Baur (S. 24-39) vermitteln neben
einer Reihe interessanter Informationen auch noch einmal
einen guten Einblick in die wissenschaftliche Arbeitsmethode
B.s und seine vielfältigen, weitgespannten Reminiszenzen
und mannigfachen Denkanstöße. Für ihn ist Baur
„kein selbständiger kritischer Historiker auf Grund der
unvoreingenommenen untersuchten und beurteilten Quellen,
sondern ein systematisierend bestimmter Meta-Historiker"
(S. 38), ein „Systematiker" (S. 39) und „christlicher Rationalist
höherer geistiger Ordnung und vornehmlich ethischer
Bestimmtheit" (S. 37). Der Rationalismus Baurs in Verbindung
mit der vom Vf. festgestellten Kirchlichkeit wird
anhand von zwei Traureden Baurs für seine Kinder, die
zweite ist vollständig abgedruckt (S. 40-44), zum Schluß
noch einmal unterstrichen.

Im 2. Teil des Büchleins, „Nachrufe und Geienkvor-
lesung für Ernst Barnikol", steht an erster Stelle die Gedenkrede
des Dekans der Theologischen Fakultät der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Prof. Dr. Dr.
Gerhard Wallis, bei der Trauerfeier am 10. Mai 1968
(S. 45-47). Wallis würdigt vor allem B.s Wirken als
hallischer Hochschullehrer seit 1929.

In der Gedenkvorlesung anläßlich der akademischen
Trauerfeier am 28. Juni 1968 zeichnet der hallische Ordinarius
für Kirchen- und Dogmengeschichte, Prof. D. Erhard
Peschke, ein klares und umfassendes Bild des Theologen,
Forscher und Menschen B., das durch sorgfältig zusammengestellte
Anmerkungen auch wissenschaftlich abgesichert
ist (S. 48-58). Als bleibende Werte der Theologie B.s hebt
er hervor: Die Betonung der Geschichtlichkeit des Christentums
; die Erkenntnis, „daß sich das Wort Gottes an das
Herz des Menschen, - an den ganzen Menschen richtet";
„die klare Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen";
seinen „Blick für die überkonfessionellen, ökumenischen
Wesenszüge des Christentums" und seine Warnung vor unfruchtbarem
Konfessionalismus; „die Ausrichtung der wissenschaftlichen
Arbeit auf die kirchliche Praxis"; „seine
Aufgeschlossenheit für die sozialen, kulturellen und
politischen Fragen des Lebens" (S. 54-55). Jedem, der sich
über Leben und Werk Ernst Barnikols kurz und zuverlässig
informieren will, ist diese Gedenkvorlesung zu empfehlen
; sie hat lexikalisches Format.

Dem akademischen Lehrer in der Sicht seiner Schüler
ist der Nachruf von Pfarrer Dr. habil. Wolfgang Cerickc
gewidmet (S. 59-62), der in B.s „ungebrochenem Gottcs-
glauben und seiner ausgeprägten Offenbarungstheologie"
(S. 61) die bleibende Hinterlassenschaft für den Kreis
seiner Schüler sieht. Naturgemäß stehen bei all diesen
Würdigungen die positiven Wertungen im Vordergrund,
obwohl kritische Hinweise auf das Problematische im
Gesamtbild B.s mit anklingen.

Nicht nur die an Ferdinand Christian Baur und der
Theologie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts

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Interessierten, sondern auch und vor allem die Schüler,
Freunde und selbst die Kontrahenten Ernst Barnikols sollten
zu diesem Büchlein greifen.

Salle / Saale Helmut Obst

Flamand, Jacques: Reconnaitre la place eminente du scienti-
fique dans l'Eglise (science et esprit24, 1972 S. 115-131).

Horvath, Tibor: Object and Method in Apologetics (science
et esprit 24, 1972 S. 47-76).

[Richard, Marcel:) M. L'Abbe Marcel Richard. Docteur
honoris causa de l'Universite catholique de Louvain
(30 Novembre 1971). Texte des allocutions prononeees
lors de la promotion solennelle, suivi de la bibliographie
de M. Marcel Richard. Louvain: Institut Orientaliste 1972.
IV, 37 S., 1 Taf. gr. 8° Universite Catholique de
Louvain, Institut Orientaliste.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Haardt, Robert: Die Gnosis. Wesen und Zeugnisse. Salzburg
: Otto Müller Verlag 1967. 352 S. 8°. Lw. DM 27,50.
- Gnosis. Character and Testimony. Translated into Englisli
by J. F. Hendry. Leiden: Brill 1971. X, 424 S. 8°. Lw.
hfl. 48,-.

Parallel zu der editorischen und inhaltlichen Erschließung
der koptisch-gnostischen Bibliothek von Nag Hammadi
sind in den letzten Jahren zwei deutschsprachige Gesamtdarstellungen
erschienen, die das unter der einheitlichen
Bezeichnung ,Gnosis' zusammengefaßte vielschichtige Phänomen
der spätantiken Religionsgeschichtc nicht primär in
analytisch-interpretierender Beschreibung erfassen, sondern
die Stimmen der Gnosis selbst in der Übersetzung ausgewählter
Quellentexte zu Gehör bringen; Einleitung und
Annotationen bieten notwendige Verstehenshilfcn, stehen
jedoch in unlösbarer Verbindung zu den Texten und bilden
gleichsam die Brücke zwischen Auswählendem und Ausgewähltem
, auf der auch Verfasser und Leser im Bemühen
um das Verständnis der Zeugnisse einander begegnen. Vorliegende
Besprechung stellt sich nicht die Aufgabe einer
vergleichenden Betrachtung der zweibändigen Gnosisantho
logie des Artemis-Verlages 1 und derjenigen von Robert
Haardt, sondern hat es allein mit der deutschen und der
englischen Ausgabe des letzteren Werkes zu tun. Immerhin
ist zu bemerken, daß Haardt trotz gedrängteren
Raumes auch den Manichäismus erfaßt, dessen völliges
Fehlen in der Artemis-Ausgabe allein mit buchtechnischen
Gründen nicht hinreichend erklärbar scheint.

Die Anlage des Haardt'schen Werkes entspricht streng
dem Untertitel. Auf eine Einführung „Über Wesen, Geschichte
und Auslegungsgeschichte der Gnosis" (9-29) folgt
eine dreiteilige Anthologie gnostischer Schriften in deutscher
Übersetzung, die im ersten Teil (33- 209) Zeugnisse
der Gnosis i. e. S., also des syrisch-ägyptischen Typus, vorlegt
, im zweiten Teil (213-62) manichäische und im letzten
Teil (265-300) mandäische Texte =. Die sehr konzis gehaltenen
und äußerst wichtigen, Anmerkungen zur Einführung
und Übersetzung sind in der deutschen Ausgabe leider in
einen besonderen Anmerkungsteil verwiesen worden, während
die englische Ausgabe die Annotationen als Fußnoten
unter dem Text bringt. Den Beschluß bildet ein sehr sorg
fältig ausgewähltes Quellen- und Literaturverzeichnis, unter
dem das nach Jahrhunderten gegliederte Kompendium der
Sekundärquellen zu Gnosis und Manichäismus besonderen
Wert dadurch gewinnt, daß nicht nur die christlich-polemischen
, sondern auch philosophische und islamische Stimmen
erfaßt sind. Die englische Ausgabe enthält darüber
hinaus ein Register der Bibelstellen und ein alt- und
neutestamentliches Parallelenverzeichnis zum Thomasevan-
gelium, das indessen sehr summarisch ausgefallen ist.

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 12