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Ausgabe:

1972

Spalte:

66-67

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Gemeinde, Amt

Titel/Untertitel:

Ordination 1972

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 1

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PRAKTISCHE THEOLOGIE

Kugler, Georg: Zwischen Resignation und Utopie. Die
Chancen der Ortsgemeinde. Gütersloh: Gütersloher Verlagsriaus
G. Mohn [1971]. 159 S. 8°. Kart. DM 12,80.
Mit diesem Buch wird ein weiterer Beitrag zum Thema
„Kirchenreform" vorgelegt. Dabei geht es dem Verfasser,
der Pfarrer in Nürnberg ist und beauftragt wurde, eine
Gemeindeakademie und ein Fortbildungszentrum für Pfarrer
in Sachen Gemeindeaufbau und neue kirchliche Arbeitsformen
ins Leben zu rufen, im Unterschied zu anderen mit
diesem Thema vertrauten Autoren, bewußt um einen Mittelweg
. Alles ist wohltuend abgewogen und offen. Die
Ortsgemeinde hat Chancen, wenn man sie nur immer sähe
und dann auch zu nutzen wüßte! Kugler begegnet jedenfalls
der Resignation, die hier und da anzutreffen ist, mit konstruktiven
Plänen und Programmen.

In sieben großen Hauptabschnitten - man hätte sie
entweder numerieren oder drucktechnisch anders gestalten
sollen! - geht es dem Autor um folgende Themengruppierungen
: (1) Warum noch Parochie? Positionsangabe, (2)
Hindernisse auf dem Weg zu neuen Formen der Parochie,
(3) Wege zur Veränderung der Parochie, (4) Die Rolle der
Mitarbeiter und Pfarrer in der Parochie, (5) Der Gottesdienst
der Parochie, (6) Die Arbeit der Parochie mit Ziel-
g nippen, (7) Die Parochie und das Wochenende.

Der Begriff der Parochie zieht sich wie ein roter Faden
durch das gesamte Buch; ein Zeichen dafür, daß der Vf.
beim Thema, das er sich gestellt hatte, geblieben ist. Aber
auch die Einzelfragen, die bereits im Inhaltsverzeichnis
stichwortartig angeführt sind, lassen den Zusammenhang
mit dem Problemkrcis, der bearbeitet wurde, erkennen.

Das Buch kommt aus der Praxis und ist für die Praxis
bestimmt. Es ist deshalb voller konkreter Hinweise und
praktischer Überlegungen, so daß der Gemeindepfarrer
geradezu ein Kompendium für zwar nicht alle, wohl aber
entscheidende Bereiche seiner Arbeit vor sich hat. Manche
Vorschläge, die Kugler macht, sind nicht neu, andere Überlegungen
erfordern unser Nachdenken. Nicht erspart bleibt
die Transformation der vorgelegten Modelle in die eigene
Kirchgemeinde, in der vielleicht noch unerkannte und deshalb
ungenutzte Möglichkeiten zur Belebung des Gemeindealltags
beschlossen liegen.

Bei aller bedachten Rede wendet sich Kugler grundsätzlich
„gegen einen morphologischen Fundamentalismus"
(S. 79). Er bejaht die Veränderung verfestigter und deshalb
oft überholter Gemeindestrukturen vor allem dann, wenn
eine exakte „Analyse als Feststellung des Ist" (S. 45) eine
solche nahelegt.

Weithin einleuchtend arbeitet der Verfasser auch den
Zusammenhang zwischen Gemeindereform und Pfarrerbild
heraus. Dabei sieht er zwar das „Ende des klassischen
Hirtenbildes" (S. 82) gekommen, hält aber an der Stellung
des Pastors als eines Ersten unter Gleichen fest.

Was zur bedingten und begrenzten Reichweite des
Gottesdienstes in der Parochie gesagt wird, ist weithin
bekannt. Ermutigend sind die Überlegungen zum „Ziel-
gruppengottesdienst", der sich „gezielt" an bestimmte und
sonst kaum erreichbare Gemcindeglieder wendet, und für
die dann vor allem das „zweite Programm" - man greift
hier auf das Vokabular des Fernsehens zurück - bestimmt
sein soll.

Insgesamt liegt die Stärke dieses Buches in seinem
realen Ansatz bei der Ortsgemeinde, deren Grenzen und
Chancen gleichermaßen ausgeleuchtet werden. Weil Vereinseitigungen
bewußt vermieden wurden, darf man wohl
mit Recht annehmen, daß nicht nur die Ortsgemeinde, sondern
auch diese Publikation die Chancen haben, als hilfreich
und anregend empfunden zu werden.

Corrigendum: S. 68 letzte Zeile: „ihnen" statt „Ihnen".

Leipzig Gottfried Kretzschni.ir

Ammer, H., Geißer, H., Hamel, J., Schönherr, A., Viering, F.,
u. E. Wolf: Gemeinde - Amt - Ordination. Votum des
Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union. Mit
dem Entwurf eines neuen Ordinationsformulars. Gütersloh
: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn [1970]. 144 S.
8°. Kart. DM 9,80.

Die Veröffentlichung enthält sieben Fragen zum Komplex
Verkündigung-Pfarramt-Ordination, wie sie die Synode 1965
formuliert hatte, das vorläufige Zwischenergebnis des 1965
zum Ausschuß „Amt und Gemeinde" umgebildeten Ordina-
tionsausschusses von 1968, die Stellungnahme des Synodalausschusses
1968 zum vorläufigen Zwischenergebnis, Leitsätze
zum theologischen Verständnis und zu Rechtsfragen
der Ordination vom selben Jahr, das theologische Votum
„Gemeinde-Amt-Ordination" vom April 1970, das von einem
nach 1968 noch zweimal erweiterten Ausschuß ausgearbeitet
und vom Ausschuß einstimmig angenommen wurde, den
„Entwurf für die zukünftige Gestaltung eines Ordinationsformulars
- Ordination in Verbindung mit der Vorstellung
eines Hilfspredigers, der Einführung eines Pfarrers usw."
(so der genaue Titel) vom gleichen Datum, über den im
Ausschuß nicht abgestimmt worden war, sowie die
Synodalbeschlüsse vom Mai und Juni 1970 (die Beiträge
sind von uns in zeitlicher Reihenfolge mitgeteilt). Ferner
sind folgende Vorträge mitgeteilt: Fritz Viering: Das Amt
des Gemeindepfarrers (zum Zwischenergebnis von 1968),
Albrecht Schönherr: Kann der Pfarrer in der heutigen
Gesellschaft überhaupt und wie kann er seinen Dienst sinnvoll
tun?, Heinrich Ammer: Die sachlich begründete Zweckmäßigkeit
bestehender Ämter und Dienste in der Kirche,
Ernst Wolf: Zur Frage der Ordination, Johannes Hamel:
Zur Problematik der Ordinationshandlung, Hans Geißer:
Allgemeines Priestertum und Laienapostolat nach der Lehre
des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Die Veröffentlichung des Arbeitsergebnisses des Ausschusses
mit seinen Vorarbeiten und zugehörigen Dokumenten
ist aus mehreren Gründen im augenblicklichen Zeitpunkt
höchst beachtlich, u. a. deshalb, weil, wie es in
F. Vierings Vorwort heißt, das Votum eine Hilfe im Sinn
einer Theorie sein will, „die man bei dem allgemeinen
Bemühen um .Praxis', um Strukturveränderungen in der
Kirche vielfach vermißt" (S. 10). Zumindest die Arbeit der
VELKDDR hat bisher nicht zu solch einem Ergebnis geführt
, wie es mit dem Votum vorliegt. Das Votum geht
aus vom Unbehagen weiter Kreise am Bild des Pfarrers
und am traditionellen Gottesdienst und entfaltet das Problem
in vier Abschnitten, die dem Proprium der kirchlichen
Auftrags (Proklamation der guten Botschaft), der sich aus
diesem Proprium ergebenden Struktur kirchlichen Existierens
(Wort und Antwort, Hören und Handeln), d«r dem
Proprium entsprechenden Gestaltung von Ämtern und
Diensten und dem diesem Proprium gemäßen Verständnis
der öffentlichen Bestätigung und Auftragserteilung für die
geregelten Dienste in der Gemeinde (Ordinationsfrage) nachgehen
. Einige wenige Kernsätze seien zitiert, um die Richtung
anzudeuten, die das Votum ansteuert: „Indem der erhöhte
Herr im Menschenwort der Botschaft sich selbst verkündigt,
ergeht das Wort Gottes an seine Menschen als Anrede,
d. h. als Zuspruch der Vergebung aller ihrer Sünden und
als Anspruch auf ihr ganzes Leben. Gottes anredendes
Wort stiftet zugleich die Gemeinschaft der Angeredeten,
fordert sie heraus zur Antwort, die als Danksagung, Lobpreis
, Gebet und Predigt, aber auch in der dialogischen
Form der Mitbcteiligung in der Verkündigung des Versöhnungswortes
und in kritischer Diskussion erfolgt und
erfolgen soll" (S. 16). Christi Gemeinde „lebt nicht ohne
Ordnung ihrer Bruderschaftlichkeit. Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit von Gott her und vor Gott sind die Kräfte
ihrer Verfassung, die Strukturelemente des Vollzuges ihres
Dienstes am Wort" (S. 17). Eine Neuordnung, die der
jeweiligen Situation gemäß ist, könnte auch exemplarisch