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Ausgabe:

1972

Spalte:

866-869

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Langmaack, Gerhard

Titel/Untertitel:

Evangelischer Kirchenbau im 19. und 20. Jahrhundert 1972

Rezensent:

Mai, Hartmut

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 11

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tive ist diese Erscheinung m. E. nicht erschöpft. Zur Größendifferenzierung
gehört u. a. die in zahllosen Fällen aus der
Übertragung eines Martyriums oder einer Vita sich ergebende
epische Perspektive. — Der Topographie sind folgende
Artikel gewidmet: Georgien (Sp. 662—734) von W. Po-
nomarew; G e r a s a (Sp. 734—766) von M. Restle ;Graca-
"ica (Sp. 893—911) von D. Nagorni; Grado (Sp. 911 bis
939) von P. L. Zovatto, das in der Diskussion um den vor-
cyrillomethodianischen Kirchenbau in Mähren eine wichtige
Rolle spielt; Hau ran (Sp. 962—1033) von Restle und der
Anfang von Hellas (Sp. 1099-1120) von J. Köder. Wer
weiß, wje Weit verstreut und oft kaum zu erlangen die Literatur
über diese Artikel ist, wird sie dankbar benutzen.
Der Artikel Hauran bringt u. a. neue Perspektiven über den
(oktogonalen) Kuppelbau, für den die neuesten Forschungen
(Messerer) die geschlossene Gußkuppel gerade aus statischen
und konstruktiven Gründen statt der Holzkuppel in
Vorschlag bringen. Diese pagane Technik wurde von den
christlichen Architekten übernommen und z. T. kühn weiterentwickelt
. Damit hat die Frage der Kuppelkonstruktion
der Hagia Sophia in Konstantinopel, zu deren Vorläuferinnen
die Kirchen vor allem von Bosra und Ezra im Hauran gehören
, neue Lösungselemente erhalten. Der ganze Artikel
'äfjt den Benutzer des RBK schon auf den Großartikel Syrien
harten. - Der Artikel Glas (Sp. 800-839) von J. Philippe
leitet sich zu einer instruktiven und überaus interessanten
Darstellung der Kulturgeschichte dieses wichtigen Materials
aus, indem gerade auf die sonst im allgemeinen nur kurz
oder gar nicht erwähnten Forschungsprobleme eingegangen
wird. Neben Syrien spielte Konstantinopel eine wichtige
Rolle der Glasindustrie und des Exportes. Daneben entstanden
bei den Balkanslawen und im Kiewer Rußland bedeutende
und durchaus selbständige Werkstätten, die, wie auf
so vielen Gebieten der Kultur, an Konstantinopel vorbei an
orientalische Werktraditionen anknüpfen konnten. Der im
Literaturverzeichnis erwähnte Aufsatz von R. M. Dianpo-
ladjan ist durch Novye materialy po istorii vizantijskogo
steklodelija (VizVrem 27, 1967, 248—257) zu ergänzen. Zur
Kiewer Glasindustrie M. K. Karger, Drevnij Kiev, 1. Bd.,
Moskau—Leningrad 1958, 402—411, zur Ikonographie der
Goldgläser s. Fr. Z. Roppo, Verti paleocristiani a figure
d'oro, Ravenna 1967. — Unter Verschiedenes wird man den
Artikel Gewichte (Sp. 791—800) von Wessel einreihen
dürfen.

Nachtrag : Nach Absendung der Rezension erschien
die den Bd. II abschließende Lfg. 16. Wir tragen ihre Beiträge
hier nach, um den Eindruck des ganzen II. Bandes
abzurunden. Der topographische Artikel Hellas wird von
J. Köder Sp. 1121—1189 abgeschlossen. P. Verzone schrieb
den Artikel Hierapolis (Phrygia) auf den Sp. 1203 bis
1223. Schließlich bringt die Lfg. noch zwei wichtige Beiträge
aus dem Bereich der Ikonographie: Hetoimasia von
Th. v. Bogyay (Sp. 1189—1202) und Himmelfahrt (A.
Himmelfahrt Christi, Sp. 1224—1256, B. Himmelfahrt Ma-

riae. Sp. 1256-1262) von K. Wessel.....daß die H. nie zum

Ikonenthema, d. h. Gegenstand individueller Frömmigkeit
Verden konnte" (Sp. 1202), wird man in dieser Ausschließ-
Hchkeit nicht sagen können angesichts einer Reihe von russischen
Ikonen des Typs »Thron und Leidenswerkzeugen"
(prestol i orudija strastej). Beim Artikel Himmelfahrt Ma-
riae entfällt der gesamte astralheortologische Zusammenhang
. Neben Baumstark hätte vielleicht doch die große Arbeit
von Jugie (La mort et l'assomption de la Sainte Vierge,
Cittä del Vaticano 1944) und A. Wenger, L'Assomption de
la T. S. Vierge dans la tradition byzantine, Paris 1955, ermähnt
werden sollen. Einige ikonographische Titel konnten
durch den Hinweis auf den Artikel im Lexikon der Christlichen
Ikonographie, 2. Bd., Freiburg Basel Wien 1970, eingespart
werden. Dort wie hier wäre noch zu ergänzen E. M.
Jones, The iconography of the Falling Asleep of the Mother

of God in byzantine tradition, in: The Eastern Churches
Quarterly 9, 1951, 101—112. Ein Autorenverzeichnis, ein
Vorwort, Nachträge zum Abkürzungsverzeichnis, ein Inhaltsverzeichnis
sowie ein ikonographisches und topographisches
Register sind dem Bd. II wieder beigegeben.

Holle Saale Konrad Onaseh

Langmaack, Gerhard: Evangelischer Kirchenbau im 19. und
20. Jahrhundert. Geschichte — Dokumentation — Synopse.
Kassel: Johannes Stauda Verlag (1971). 382 S. m. 400
Abb. 4°. Lw. DM 98,-.

.Kommenden Kirchenbaumeistern, Theologen und bauenden
Gemeinden" hat Gerhard Langmaack, selbst Kirchenbaumeister
und Ehrendoktor der Theologie, dieses Buch gewidmet
. Es ist zugleich das Vermächtnis eines Mannes, der
einige Jahrzehnte am kirchlichen Bauen gestaltend und reflektierend
teilgenommen hat. Das Buch führt die Darstellung
der Geschichte des evangelischen Kirchenbaus, wie sie
in dem 1893 erschienenen Standartwerk „Der Kirchenbau
des Protestantismus" vorliegt, in selbständiger Weise bis
in die Gegenwart fort.

Dem Vorwort, das zugleich eine Begründung für das aufwendige
Unternehmen gibt (S. 9f), folgt Teil I .Geschichte.
Ein Kirchbauatlas" (S. 11-129). Die Geschichte des Kirchenbaus
wird in sieben Perioden gegliedert. Jede Periode
bekommt ein Stichwort zur Überschrift, das sie charakterisiert
:

S. 13—31 .Beharrung (1861—1905)". In großen Zügen wird
ein Bild des evangelischen Kirchenbaus des 19. Jh.s entworfen
, für dessen romantische und restaurative Grundhaltung
das Eisenacher Regulativ kennzeichnend ist. Die Beharrung
zeigt sich am nachdrücklichsten in der Stilfrage, da auch
dann noch historistisch, insbesondere neugotisch weitergebaut
wird, als mit dem Wiesbadener Programm eine liturgische
Neuorientierung anhebt. Vom Standort des modernen
Kirchenbaus aus werden die bleibenden Verdienste und
die nur zeitbedingten Aussagen und Lösungen des 19. Jh.s
unterschieden. Auch in künstlerischer Hinsicht stehen neben
den einflußreichen Meistern C. W. Hase und Johannes Ot-
zen „nun leider — wie immer — die Schwächeren, die Nachahmer
und Verderber". Die künstlerische Substanzlosigkeit
hat jedoch „dem Durchtragen des eigentlichen Kirchbauprogramms
keine Hemmnisse auferlegt". Der folgende Bildteil
bringt eine charakteristische Auswahl von 14 zwischen
1831 und 1905 erbauten deutschen evangelischen Kirchen.
In der Regel sind das Äußere, das Innere und ein Grundriß
zu sehen und wird eine Kurzbeschreibung beigegeben, die
auch Material und Polychromie berücksichtigt. Die Beschreibungen
sind nicht immer treffend (vgl. S. 25 Emmaus-
kirche Berlin).

S. 32-45 „Durchbruch (1906-1918)". Bewegte Jahre ernsthaften
Ringens um künstlerische und liturgische Neuorientierung
unter verstärkter Berücksichtigung soziologischer
Wandlungen werden charakterisiert. Der Historismus wird
überwunden, ohne daß schon immer wirklich Neues gelingt.
Kristallisationspunkte sind die III. Deutsche Kunstgewerbe-
Ausstellung von 1906 in Dresden, der 1907 gegründete Deutsche
Werkbund und der II. Kongreß für protestantischen
Kirchenbau 1906 in Dresden. Zehn gut gewählte Beispiele dokumentieren
diesen Durchbruch. Das Wiesbadener Programm
dient jetzt zahlreichen Kirchenbauten als Grundlage.
Die auf dem Dresdner Kongreß empfohlene Anordnung der
Kanzel vor dem Altar trägt einem neuen Verlangen nach
Intimität Rechnung. Aus der gleichen geistigen Lage kommt
es zu „Gruppenbauten". Die völlige Übereinstimmung von
liturgischer Konzeption und künstlerischer Bewältigung
wird selten erreicht.

S. 46-52 .Besinnung (1919—1927)". Erst die Veränderung
der politischen Verhältnisse nach dem ersten Weltkrieg