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Ausgabe:

1972

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 11

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Werkes sind nach der gleichen Ordnung gestaltet: beherrschend
in der Mitte in kräftigem lebendigem Holzschnitt ein
Ereignis der biblischen Geschichte, darüber ein kurzes biblisches
Summarium und darunter eine im Volkston gehaltene
Strophe von vier Knittelversen, die nach Kohls als
Nachklang des Meistergesangs anzusehen sind. Geben wir
zwei Beispiele! Über dem Bild der Arche liest man: „Got
vertilget durch die sündflut alles lebendigs / und erhaltet
den fromen Noah und die seinen. Gen. Vj." Die Knittelverse
darunter : „Got der menschen missethat / durch die sündflut
straffet hat / Noah kompt selb acht darvon / Got jhn hieß
in kästen gohn." Aus dem neutestamentlichen Zyklus weisen
wir auf die reich bewegte Darstellung zum Fischgleichnis
aus Matth. 13,47ff hin. Die Überschrift: „Aber(mals) ein
gleichnis vom netz / das allerley fisch beschleusset / die doch
zu letst erlesen werden." Die Verse darunter mit ihrer etwas
gewaltsamen reformatorischen Interpretation: „Das
Euangelisch garn / keinen menschen lasset farn / Die prob
zu letst gar streng beschicht / Weislich du dich darzu rieht."
Das einheitliche Schema ist im letzten Teil, welcher die Offenbarung
des Johannes illustriert, verlassen. Die Überschrift
besteht im wesentlichen in der Angabe des jeweiligen
Kapitels, und die Unterschrift enthält das Summarium, das
länger ist als in den sonstigen Überschriften. Man möchte
vermuten, daß ursprünglich die Apokalypse als selbständiger
Teil herausgebracht werden sollte. Die Holzschnitte hier
sind von besonderer Lebendigkeit. Wir stimmen dem Urteil
Kohls voll zu: „Die ganzheitliche Form hat dem evangelischen
Anliegen einer Erarbeitung der Summe der ganzen
heiligen Schrift am angemessensten dienen können"
Iß. 12).

Das Büchlein, das in seiner Eigenart ein Musterbeispiel
kerniger biblischer Frömmigkeit ist, hat voll verdient, der
Vergessenheit entrissen zu werden. Daß Maria sowohl am
Himmelfahrts- wie am Pfingstgeschehen im Kreis der Jünger
teilnimmt, ist zwar unbiblisch und legendär, war aber
aus der künstlerischen Tradition noch nicht ausgeschieden.

Nach dem wohlgelungenen Start wünscht man Kohls für
die Fortsetzung seiner Reihe weiter die glückliche Hand.

Rostock Gottfried Holtz

Becker, Karl-Josef: Die Notwendigkeit des vollständigen
Bekenntnisses in der Beichte nach dem Konzil von Trient
(Theologie und Philosophie 47, 1972 S. 161-228).

Beumer, J.: Friedrich Nausea und seine Wirksamkeit zu
Frankfurt, auf den Colloquien zu Hagenau und Worms
und auf dem Trienter Konzil (ZKTh 94, 1972 S. 29 - 45).

Brandenburg, Albert: Augsburger Bekenntnis und Augsburger
Religionsfriede 1971 (StZ 96, 1971 S. 75-86).

Capps, Walter H.: Motif-Research in Irenaeus, Thomas Aqui-
nas, and Luther (StTh 25, 1971 S. 133-159).

Feld, Helmut: Bildung und Geist - Eine Auseinandersetzung
zwischen Erasmus von Rotterdam und Martin Luther
(TThZ 81, 1972 S. 153-169).

Jüngel, Eberhard: Quae supra nos, nihil ad nos. Eine Kurzformel
der Lehre vom verborgenen Gott - im Anschluf3
an Luther interpretiert (EvTh 32, 1972 S. 197-240).

McSorley, Harry: Der zum Bugsakrament erforderte Glaube
nach der Auffassung Luthers und des Tridentinums (Con-
cilium 7, 1971 S. 43 - 48).

Molnär, Amedeo: Aspects de la continuite de pensee dans
Reforme tcheque (Communio viatorum 15, 1972 S. 27-50).

Padberg, Rudolf: Erasmus als Symbol eines kirchenfreien
Christentums? (Catholica 26, 1972 S. 63-68).

Pannenberg, Wolfhart: Luthers Lehre von den zwei Reichen
und ihre Stellung in der Geschichte der christlichen Reichsidee
, in: Gottesreich und Menschenreich. Ihr Spannungsverhältnis
in Geschichte und Gegenwart. Regensburg 1971
S. 73-96.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Meisner, Joachim: Nachreformatorische katholische Froffl-
migkeitsformen in Erfurt. Leipzig: St. Benno-Verlag 1971-
XXXV, 361 S., 1 Plan, 12 Taf. gr. 8" = Erfurter theologische
Studien. Im Auftrag des philosophisch-theologischen Studiums
Erfurt hrsg. v. E. Kleineidam u. H. Schürmann,
26. Kart. M 24. -.

1578 schrieb Erfurts Weihbischof Elgard an den Papst-
die katholische Kirche in der Stadt sei „nur noch ein glimmender
Docht". Der Zusammenbruch in der Reformationszeit
war durch die politische Lage begünstigt. Erfurt stand nominell
unter der politischen Herrschaft des Mainzer Erz-
stuhls, die noch 1483 durch den Vertrag von Amorbach be-
stätigt war. De facto hatte Erfurt völlige Freiheit errungen,
sich aber gehütet, den Status einer freien Reichsstadt zu
erwerben, um den Reichssteuern zu entgehen. Nachdem
schon 1509 eine Handwerkerrevolte geschehen war, nachdem
sich ein beängstigend großes geistliches Proletariat gebildet
hatte und der Pfarrerklerus in allen entscheidenden Fragen
versagte - er war noch bei den ersten bischöflichen Versuchen
, die Trienter Reformen durchzusetzen, desinteressiert
, wenn nicht gar demoralisiert -, hatte die reformatorische
Bewegung leichtes Spiel und der Rat freie Hand;
er konnte noch die Wut der revolutionierenden Bauern von
sich weg auf die katholische Kirche lenken! Deren Weg
mußte ein Leidensweg werden. Eine Wende trat mit den
„Reduktionen" von 1664 ein, die für die katholische Minderheit
Rechtssicherheit und Überlebensmöglichkeit schufen-
Neue schwere Bestands- und Besitzminderungen brachten die
Säkularisation von 1802. Die ganze Leidensgeschichte wird
von Meisner ohne antireformatorische Emotionen berichtet,
so nahe sie gelegen haben werden.

Weitaus das größte Interesse gilt dem Wirken der Jesuiten
, das Glanz in die dunklen Kapitel brachte. 1601 erfolgte
die feste Niederlassung. Die sieben Bruderschaften, die sie
nach der Praxis ihres Ordens in Erfurt organisierten, haben
katholische Frömmigkeit neu gefestigt, wenn auch unter
bleibenden Schwierigkeiten und Opfern. Als überparochiale
Gemeinschaften wirkten sie dem Minderheitsbewußtsein der
sehr kleinen Parochialgemeinden entgegen. Die barocken
Züge ihrer Frömmigkeit werden herausgearbeitet.

Der umfangreichste Teil (über 200 Seiten stark) ist „Barockfrömmigkeit
als Prozessionsfrömmigkeit" überschrieben
. Weil Quellen - besonders auch archivarische - reich
flössen, konnte Meisner sich in seiner Liebe zum Detail, der
das Kleinste nicht zu gering ist, reich entfalten. Wir machen
also darauf aufmerksam, daß wir im Buch Beschreibungen
jesuitischer Prozessionspraxis finden, die im Reichtum der
Einzelzüge schwerlich überboten werden können. Anfangs
herrschte der Bekenntnis- und Demonstrationscharakter vor,
der sich aber zunehmend ins Theatralische und Possenhafte
verlor; so wurden die Prozessionen zum Widerspiel religio'
sen Ernstes. Im Anhang werden dankenswerterweise Bildtafeln
der großen Fronleichnamsprozession (jährlich am
dritten Sonntag nach Pfingsten bis 1802) wiedergegeben.
Dort kann man die biblische und kirchengeschichtliche szenische
Kunst von einst bestaunen: Adam mit dem Baum m
der Hand, in dem sich die Schlange ringelt, und hinter ihm
der Cherub mit gezücktem Schwert; Joseph und seine Brüder
marschieren am Leitseil wie heute die Kleinsten unserer
Kindergärten; David mit seinem Hofstaat, gekleidet wie
Offiziere und Soldaten des ersten Preußenkönigs usw. Unter
den geschichtlichen Szenen erscheint König Wenzeslaus mit
Gefolge, die Leibgarde Rudolphs von Habsburg, eine schneidige
Musikkapelle. Dahinter die Aufzüge des Klerus und
der Mönche, schließlich junge Männer und Jungfrauen mit
Marienbildern auf Schultertragen. Bis zu zwanzigtausend
Besucher, die teilweise von weither angereist kamen und
die sich köstlich amüsierten, soll die Schaustellung angezo-