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Ausgabe:

1972

Spalte:

844-847

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Feneberg, Rupert

Titel/Untertitel:

Christliche Passafeier und Abendmahl 1972

Rezensent:

Walter, Nikolaus

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 11

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Schendel, Eckhard: Herrschaft und Unterwerfung Christi.

1. Korinther 15,24-28 in Exegese und Theologie der Väter
bis zum Ausgang des 4. Jahrhunderts. Tübingen: Mohr
1971. IX, 227 S. gr. 8° = Beiträge zur Geschichte der biblischen
Exegese, hrsg. v. O. Cullmann, E. Käsemann, H.-J.
Kraus, H. Riesenfeld, K. H. Schelkle, P. Schubert, E. Wolf,
12. DM 37,- ; Lw. DM 43,-.

Die zum Schlagwort herabgekommene Rede von der Kirchen
- bzw. Dogmengeschichte als Geschichte der Auslegung
der Heiligen Schrift kann - wenn überhaupt - nur durch
angestrengte Untersuchungen der Auslegungsgeschichte einzelner
biblischer Abschnitte gerettet werden. Unter den in
Frage kommenden Stellen nimmt die in der vorliegenden
Studie behandelte Partie 1 Kor. 15,24-28 einen hervorragenden
Platz ein. Sie steht mit den Ausführungen über
Herrschaft und Unterwerfung Christi im Zeichen eines chri-
stologischen Themas, sie enthält mit dem Satz, daß schließlich
Gott alles in allem sein werde, eine Aussage, die der
Lehre von der Apokatastasis das Stichwort lieferte (einem
Theologumenon, das dank des Gefälles der Barthschen Versöhnungslehre
erneut ins Blickfeld getreten ist). Die 1969
als ev.-theol. Dissertation in Bonn angenommene Arbeit von
Eckhard Schendel behandelt also ein in hohem Grade aktuelles
Thema.

Wie frühere Beiträge der Reihe setzt auch dieser mit einer
gründlichen Exegese ein (S. 1-24) und nimmt referierend
und kritisch zu einer Diskussion Stellung, die in letzter Zeit
durch die Untersuchungen von Luz, Güttgemanns und H. A.
Wilke bereichert wurde. Im Anschluß an letzteren (vgl. ThLZ
91, 1966, 936f und 94,1969, 269f) interpretiert er 'W.og in v.
24c als Ende, die Herrschaftsübergabe als zukünftig, die Vernichtung
der Mächte als beiden vorausgehend (S. 14), als Subjekt
der Hypotage gilt Christus (S. 15). V. 28 spricht von der
Unterwerfung des Sohnes nach der endgültigen, universalen
Unterwerfung, die mivrn -Formel beinhaltet weder Pantheismus
noch Allversöhnung, sondern antwortet auf die Frage,
wem die Weltherrschaft gehört (S. 20). Die Unterwerfung
steht 1 Kor. 15,24ff (im Unterschied zu Phil. 2,9ff) mit Pa-
rusie und Telos im Zusammenhang. Die zur altkirchlichen
Christologie überleitende Relationalitätsproblematik stellt
sich für Paulus zunächst so dar, daß der Alleinherrschaft Gottes
ein subordinatianisches Verhältnis des Christus zu ihr
korrespondiert (S. 24).

Die im Hauptteil dargestellte Geschichte der altkirchlichen
Exegese zeigt, daß erst die vertiefte christologische Reflexion
ein Interesse für die Paulusstelle wachruft. Während
Irenäus, der sie nur einmal als Beleg für die zeitliche Begrenzung
der Herrschaft Christi zitiert, nur kurz behandelt
wird (S. 25-29), nimmt Tertullian, der sie auch interpretiert
, einen sehr breiten Raum ein (S. 30-72). Hier wird
freilich auch deutlich, wie sehr dessen Schriftauslegung von
einer Begrifflichkeit überlagert wird, die ganz andere Wurzeln
hat, wie es dem Vf. als Schüler Heinrich Karpps im
besonderen Maße vertraut ist. Das Ergebnis ist so zu umschreiben
: Die Herrschaftsübergabe wird heilsökunomisch-
soteriologisch, nicht trinitarisch verstanden. Der Sohn gibt
die Herrschaft zurück, wenn die Geretteten bei Gott sind;
nicht eschatologische Selbstauflösung der Trinität, sondern
relationale Eigenständigkeit des Sohnes innerhalb der Einigkeit
Gottes steht am Ende.

Stärker noch tritt bei Origencs (S. 81-110), dessen direkte
Kommentierung der fraglichen Verse verloren ist, der
aber in verschiedenen Schriften vielfach auf sie zurückkommt
, in Erscheinung, wie vertiefter Schriftgebrauch auf
der einen und Systemzwang auf der anderen Seite das Verständnis
diese Themenkomplexes bestimmen. H. Kettlers
These bewährt sich auch hier: die meisten seiner Exegesen
kommen aus einem systematisch-theologischen Anliegen, überall
findet er sein System bis in dessen Detail hinein angedeutet
(BZNW 31,46). So ist die Deutung von 1 Kor. 15,28 nicht von

den Spitzenaussagen des origenistischen Systems zu trennen,
dem Aufgehen der Individualität in die körperlose, rein geistige
Existenz und der Apokatastasis. Dabei bleibt festzuhalten
, daß Origenes im Unterschied zu den späteren Orige-
nisten ein Ende der Herrschaft Christi nicht vertreten hat
(S. 97).

Auch bei dem im 3. Kapitel behandelten, gelegentlich als
Bibeltheologen bezeichneten Markeil von Ancyra (S. 111 b's
131), für den 1 Kor. 15,24ff im Zentrum seiner Konzeption
stand, erweist sich das Gewicht der dogmengeschichtlichen
Vorgaben. Im Anschluß an die zu wenig gewürdigte Hallenser
Dissertation des Barnikol-Schülers W. Gericke (ThA 10-
Halle 1940) zeigt der Vf. die dort vorliegende Verbindung
von monotheistisch-ökonomischer und heilsgeschichtlicher
Sicht, wobei die origenistische Konzeption der Entsprechung
von Anfang und Ende mit besonderer Konsequenz durchgeführt
wird.

Die Schlußkapitel (S. 158-200) behandeln Abschnitte jener
Kirchenväter, die im Anschluß an Origenes und in Auseinandersetzung
mit ihm die Problematik der Herrschaftsübergabe
unter Bezugnahme auf 1 Kor. 15,24-28 erörterten
: Hilarius, de trinitate XI (ML 10,414C-433A), Zeno von
Verona, Tract. 6,1-4 über 1 Kor. 15,24 (ML 11, 462A bis
467A), Epiphanius, Panarion 69 (GCS 37,277ff), als besonderer
Schwerpunkt Gregor von Nyssa, In illud tunc (MG
44,1304-1326) sowie Gregor von Nazianz, Orat. theol. 4
(MG 36, 108-125).

Die Beschäftigung mit dieser material- und problemreichen
Monographie sollte nicht dem Spezialisten der Exegese
und der Patristik allein überlassen bleiben. Wer an einem
umgrenzten Gegenstand die Usurpierung der Schriftauslegung
durch die dogmatische Spekulation, aber auch die differenzierende
Einwirkung exegetischer Einzelarbeit auf die
theologische Systembildung studieren will, wird aus diesem
mit gründlicher Quellenkenntnis und umfassender Literaturverarbeitung
geschriebenen Werk reichen Gewinn haben.

Halle/Saale Wolfgang Wiefel

Feneberg, Rupert: Christliche Passafeier und Abendmahl-

Eine biblisch-hermeneutische Untersuchung der neutesta-
mentlichen Einsetzungsberichte. München: Kösel-Verlag
1971. 150 S. gr. 8° = Studien zum Alten und Neuen Testament
, hrsg. v. V. Hamp und J. Schmid unter Mitarb. *■
P. Neuenzeit, XXVII. DM 42, -.

In den beiden ersten Teilen, die die Hälfte des Buches
ausmachen (S. 15-82), stellt F. die neuere Forschung zur
Frage nach dem Ursprung des Abendmahles unter zwei Gesichtspunkten
dar: In § 1 geht es um „die historische Frage:
Jesu letztes Mahl - ein Passamahl?" Dazu werden .verschiedene
Antworten" abgehört, aus denen F. als bleibende
Erkenntnis die von der „Passaatmosphäre" der evangelischen
Abendmahlberichte beibehält, während durch „methodische
Reflexionen" die Ergebnislosigkeit der historischen
Fragestellung festgestellt wird. § 2 behandelt „Die theologische
Frage: Das Abendmahl — Todesgedächtnis oder
eschatologische Erwartung?" Auch hier meint F. die Sinnlosigkeit
der Bemühung um einen historischen Lösungsversuch
dadurch feststellen zu können, daß er auf die Diskrepanz
vorliegender traditionsgeschichtlicher Modelle hinweist
; ja schon die Tatsache, daß die Forschung sich bemüht
, die beiden Motive der urchristlichen Abendmahlsfeier
(das Gedächtnis- und das Parusieerwartungsmotiv) auf
zwei Linien zurückzuführen, die entweder an zwei Punkten
des Wirkens Jesu (so J. Jeremias) oder in zwei verschiedenen
urchristlichen Traditionskreisen (H. Lietzmann u.a.) ihr
ren Anhalt haben, ist Anlaß zu grundsätzlicher Kritik.

So bemüht sich F. denn auch in der zweiten Hälfte der
Arbeit (S. 83-139) nicht um bessere Antworten auf die in
der Forschungsgeschichte gestellten Fragen. Er will vielmehr