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1972

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 1

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lehre „weder in der evangelischen Dogmatik noch in der
Sakramentspraxis der Kirche nennenswerte Auswirkungen
gehabt" hat, dann ist es um so verwunderlicher, daß die
Ansicht .die Theologie des frühen Tillich ist Sakramentstheologie
" das ganze Buch als Leitlinie bestimmt und zu
einer erstaunlich fruchtbaren Untersuchung seiner .deutschen
' Schriften führt.

Freilich geht es dabei tatsächlich weniger um die kirchlichen
Sakramente, als vielmehr um die sakramentale
Anschaubarkeit und Wirksamkeit der Gnade in der Natur.
Natur wird dabei gesehen als das Ineinander vom ,mate-
rialen' und .formalen' Naturbegriff, anders gesprochen als
von Natur, dem Lebensgrund und dem Gegenüber des
Menschen: Natur und Geschichte zusammen, das ist die
.reale' Sicht von Natur. So gliedert nun auch Schedler seine
Arbeit in drei Hauptteile, die dem ,materialen Naturbegriff',
dem Normalen Naturbegriff' und dem Begriff der Gnade
gewidmet sind. Dabei hat er in weitgreifenden Abhandlungen
streng die Frage im Blick, wieweit nach Tillich
Natur und Geschichte für Offenbarung empfänglich sind
und damit die Möglichkeit zu sakramentaler Bedeutung
geben, wieweit andererseits Offenbarung inmitten solcher
Formen der Schöpfung zu sakramentalem Durchbruch
kommt.

Das Resultat ist beeindruckend und wird festgehalten in
einem Tillich-Zitat: „Nur wo und nur insoweit eine Gestalt
der Gnade anschaubar in der Wirklichkeit steht, nicht
erstarrt und nicht herrschaftlich wie im Katholizismus, sondern
hinweisend auf das Jenseits der Gesellschaft und
zugleich teilnehmend am Ringen der autonomen Kultur,
nur da gibt es eine Lösung des Problems .Christentum und
moderne Gesellschaft'." Schedler unterstreicht dieses Resultat
mit der Bemerkung: „Hinweisen auf das Jenseits und Teilnahme
an dem Ringen der autonomen Kultur im Diesseits -
das sind die Charakteristika der theologischen Arbeit
Tillichs in den zwanziger Jahren, das ist seine Lösung des
Problems Natur und Gnade."

Auf dem Wege zu diesem Resultat breitet Schedler nicht
nur Thesen, Rückfragen und Antworten in überzeugender
Folge aus, sondern er bietet zugleich eine Art „Steinbruch"
und Fundgrube für viele und treffend ausgesuchte Äußerungen
Tillichs zu dem behandelten Themenkreis. Drei Gebiete
sind als Fundgrube besonders ergiebig. Nirgend sonst habe
ich bisher eine so sorgfältige und gründliche Analyse der
persönlichen und theologischen Zusammenarbeit und Auseinandersetzung
von Karl Barth mit Paul Tillich gefunden.
Sie ist nicht nur beschränkt auf ,Kritisches und positives
Paradox', also auf das Verhältnis zur Dialektischen Theologie
, sondern auch ausgedehnt auf gemeinsame Ansatzpunkte
in Bewegungen der unmittelbaren Nachkriegszeit
und auf das jeweilige politische Engagement in der SPD
(Karl Barth) bzw. im Berliner Kreis der „Religiösen Sozialisten
". Eingehend behandelt ist ebenso der theologische
Hintergrund für Tillichs Einstellung als „Religiöser Sozialist
". Und eindrucksvoll ist weiterhin das Kapitel über
Tillichs Zugehörigkeit zur ,manifesten' und seinen Platz im
Rahmen der .latenten' Kirche. So bietet das Buch eine
Reihe interessanter Aspekte, die bisher als Thema noch
kaum oder aber unter anderen Fragestellungen ins Licht
gerückt worden sind.

Gelegentlich kommt Schedler auch zu Äußerungen der
Kritik an Tillich, doch hin und wieder nur so, daß mehr
seine eigene Einstellung den Fragen gegenüber zum Ausdruck
kommt, als daß er die Kritik überzeugend begründet.
So wird z. B. auf den letzten beiden Seiten das Reden
Tillichs über Gott und Christus als lediglich symbolisch
und darum nicht biblisch-konkret abgewertet. Dabei stecken
eben in der theologischen Grundkonzeption von Symbol
bei Tillich in den späteren Werken der Systematischen
Theologie gerade die Überlegungen und Überzeugungen,
die Schedler für den frühen Tillich sehr eindrucksvoll nahezulegen
versteht. So wirkt sich für die theologisch und
gesellschaftlich verbindlichen Erkenntnisse dieses Buches
die selbstgewählte Beschränkung auf den Zeitabschnitt
1919-1935 hemmend aus. Theologische Fragen - von Tillich
später beantwortet - bleiben offen, die Ursachen für die
Verlagerung von Tillichs gesellschaftlichem Interesse von
der Politik auf die Kultur bleiben ungeklärt. Zum Äußeren
ist zu bemerken, daß der umfangreiche Anhang leider
kaum zur Geltung kommt, weil er einfach hinten angehängt
und zu wenig greifbar angeboten ist. Die größte
Schwierigkeit wird für manchen Leser darin liegen, daß
Schedler sich die ausgeprägt philosophische, weithin abstrakte
Sprache Paul Tillichs auch für seine Ausführungen
zu eigen gemacht hat. Das Buch bietet als Dissertation
jedoch eine solche Fülle von Material, es ist logisch einsichtig
aufgebaut und durchgeführt und rückt zentrale
Fragen derart ins Licht, daß es auf jeden Fall Beachtung
verdient.

Treuenbiietzou Reinhard (ilöekner

Allmen, Jean-Jacques von: Die Sündenvergebung als „Sakrament
" in den Kirchen der Reformation (Conc 7, 1971
S. 58-63).

Appleyard, J. A.: How Does a Sacrament "Cause by Signi-

fying"? (Science et Esprit 23, 1971 S. 167-200).
Bacht, Heinrich: Vom Lehramt der Kirche und in der

Kirche (Cath 25, 1971 S. 144-167).
Benoit, Pierre: Auferstehung am Ende der Zeiten oder

gleich nach dem Tod? (Conc 6, 1970 S. 719-724).
Biser, Eugen: Von der Bestätigung des Glaubens (WuA 12,

1971 S. 88-92).
— Von der Gefährdung des Glaubens (WuA 12, 1971

S. 55-59).

Blum, Wilhelm: Das Wesen Gottes und das Wesen des
Menschen nach Salvian von Marseille (MThZ 21, 1970
S. 327-341).

Brandenburg, Albert: „Volk Gottes" als Kirchenbegriff

(Cath 25, 1971 S. 167-168).
Carrez, Maurice: Mit was für einem Leibe stehen die

Toten auf? (Conc 6, 1970 S. 713-718).
Dimitrijevic, Dimitrije: Die Heilsbedeurung von Taufe und

Firmung nach orthodoxem Verständnis (Una Sancta 25,

1970 S. 350-356).

Duquoc, Christian: Reale und sakramentale Versöhnung
(Conc 7, 1971 S. 11-17).

Ermertz, E.: Herrlichkeit wird Gnade. Die Struktur der
Offenbarung nach M. J. Scheebens Lehre vom theologischen
Glauben (Bijdragen 29, 1968 S. 151-192).

Fischer, Gerd-Dieter- Zum Koinonia-Charakter christlicher
Gemeinde (ThGl 61, 1971 S. 39-44).

Fries, Heinrich / Pannenberg, Wolfhart: Abendmahl und
Abendmahlsgemeinschaft (Una Sancta 26, 1971 S. 68-88).

Funke, Felix: Die Veröffentlichungen aus den letzten zehn
Jahren über die Beichte (Conc 7, 1971 S. 63-68).

Hasenhüttl, Gotthold: Die Gott-ist-tot-Theologie (WuA 12,

1971 S. 33-40).

Horst, Ulrich: Ostern als neue Wirklichkeit (WuA 12, 1971
S. 44-48).

Hubert, Hans: Das Verständnis der Taufe in der Theologie
des Westens (Una Sancta 25, 1970 S. 357-366).

Iersel, Bas van: Auferstehung Jesu. Information oder
Interpretation? (Conc 6, 1970 S. 696-702).

Karteige, Karl: Begründen die Wunder Jesu den Glauben?
(TThZ 80, 1971 S. 129-140).

Küng, Hans: Im Interesse der Sache. Antwort an Karl
Rahner (StdZ 187, 1971 S. 43-64).

Lehmann, Karl: Zur dogmatischen Legitimation einer Demokratisierung
in der Kirche (Conc 7, 1971 S. 171-181).

McCue, James: Die Buße als eigenes sakramentales Zeichen
(Conc 7, 1971 S. 26-31).

Manders, Hendrik: Gott - Wiederhersteller aller Dinge.
Die Versöhnung in den römischen Kanontexten (Conc 7,
1971 S. 54-58).

Muschalek, G.: Die theologische Wahrheit zwischen Theorie
und Praxis (ZkTh 93, 1971 S. 129-147).