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1972

Kategorie:

Kirchenrecht

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 10

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gesamtkirchlichen Raum eigentlich überflüssig geworden sei.
Dabei wurde darauf hingewiesen, daß in dem 2414 canones
umfassenden Codex iuris canonici von 1917 einer so wichtigen
zentralen Institution des kirchlichen Verfassungsrechts
wie dem Ökumenischen Konzil im ganzen nur acht canones
gewidmet sind (can. 222—229). Auch die Regelung der beiden
anderen im Codex zu findenden Konzilsarten, des Plenar-
konzils und des Provinzialkonzils, findet sich nur in zwölf
canones (can. 281—292).

In der ausführlichen Darstellung der einzelnen Konzilsarten
spiegelt sich zugleich ein Stück Kirchengeschichte der
Neuzeit wider. Die heute so bedeutsamen Bischofskonferenzen
, die durch ein kirchliches „Verfassungsgesetz" (S. 4),
das vom Vaticanum II erlassene üecretum de pastorali Epi-
scoporum muncre in Ecclesia, „Christus Dominus", als „gemeinrechtliche
Neuordnung grundgelegt" worden sind (S.35),
können auf den verschiedensten Ebenen (Region, Territorium
, Staatsgebiet und supranational) gebildet werden. Ihre
Rechtsgeschichte beginnt bereits im 19. Jahrhundert. Der
Heilige Stuhl ließ Zusammenkünfte von Bischöfen zu, die
zur Besprechung gemeinsamer Eragen notwendig waren, und
umging dadurch „Nationalkonzile", mit. deren zentrifugalen
Bestrebungen man in der Zeit des Gallikanismus und des
Febronianismiis keine guten Erfahrungen gemacht hatte.

Selbstverständlich spielt insbesondere beim ökumenischen
Konzil das im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder auftretende
Spannungsverhältnis zwischen papalen und episkopalen
Tendenzen eine Rolle. Es ist bei aller Betonung und
Heraushebung des bischöflichen Amtes letzten Endes grundsatzlich
im papalen Sinne entschieden. Zwar ist „der kollegiale
Akt des hierarchischen Kollegiums [der Bischöfe] ein
Akt eigenen Rechtes; die Gewalt des Kollegiums ist ordentliche
, nicht päpstlich delegierte Gewalt". Es hat die „Vollgewalt
", trotzdem „kann man die Papstgewalt eine vollere
nennen" (S. 253). Sie tritt dreifach in Erscheinung:

„1. Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat
nur Autorität, wenn das Kollegium verstanden wird als
Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom.

2. Ein ökumenisches Konzil gibt es nur, wenn es vom Nachfolger
Petri als solches bestätigt oder wenigstens angenommen
wird ; der Bisehof von Born hat das Vorrecht, diese Konzilien
zu berufen, auf ihnen den Vorsitz zu führen und sie
zu bestätigen.

3. Die gleiche kollegiale Gewalt kann gemeinsam mit dem
Papst von den in aller Welt weilenden Bisehöfen ausgeübt
werden, wofern nur das Haupt des Kollegiums sie zu einer
kollegialen Handlung ruft oder wenigstens die gemeinsame
Handlung der räumlich getrennten Bischöfe billigt oder frei
annimmt, so daß ein eigentlicher kollegialer Akt zustande
kommt" (S. 252f.).

Ziff. 3 zeigt zugleich eine neue Form konziliarer Beschlußfassung
der Bischöfe in Gestalt des sogenannten „Brief-Konzils
" (S. 128ff.). Die moderne Technik der Nachrichtenübermittlung
hat es möglich gemacht. In diesem Zusammenhang
kann auch daraufhingewiesen werden, daß die Synoden unter
Anwesenden, denen noch immer der Vorzug vor dem Brief-
Konzil gegeben wird, insofern durcli die moderne technische
Entwicklung an Bedeutung gewonnen haben, als das Reisen,
insbesondere durch den Luftreiseverkehr, gegenüber früheren
Zeiten in hohem Maße erleichtert und beschleunigt worden
ist.

Wenn den Synoden eine „volle" kirchliche Gewalt eingeräumt
ist, so wird doch mit Recht darauf hingewiesen, daß
hier eine Einschränkung zu machen ist. Die kirchliche Gewalt
wird bei den dazu berufenen Amtsträgern, im besonderen
den Bischöfen, in doppelter Gestalt wirksam, als Jurisdiktionsgewalt
und als Weihegewalt. Daß einem Kollegium
Jurisdiktionsgcwalt zustehen kann, dedarf keines weiteren
Beweises. Anders ist es mit der Weihegewalt. Zwar können
manche Weihehandlungen gemeinsam als kollegialer Akt vorgenommen
werden. Aber es gibt Sakramente, die ein Kollegium
schlechterdings nicht verwalten kann. Dazu gehört

beispielsweise das Bußsakrament, das seinem Wesen nach
Sakramentsverwaltung gleichzeitig durch mehrere Personen
ausschließt. Insofern sind der potestas ecclesiastica der Synoden
Grenzen gesetzt.

Als Abschluß bringt die Abhandlung eine ausführliche,
vom theologischen Standpunkt aus hochinteressante Ekkle-
siologie des synodalen Elements. In den Synoden wirken die
durch die Bischöfe repräsentierten Teilkirchen für die Einheit
der Kirche als Ausdruck der „Communio Ecclesiarum"
(S. 318). Die Gesamtkirche besteht in den Teilkirchen (inneres
Element) zugleich auch auch aus den TeilkircheD
(äußeres Element) (S. 320f.). Das Vaticanum II hat in der
Constitutio dogmatica de Ecclesia „Lumen gentium" 111
einer ekklesiologischen Kurzformel, „die man in ihrer Einfachheit
und Tiefe geradezu als genial bezeichnen kann
(S. 323), das folgendermaßen zum Ausdruck gebracht:

„Episcopi autem singuli visibile prineipium et funda-
mentum sunt unitatis in suis Ecclesiis particularibus, ad
imaginem Ecclesiae universalis formatis, in quibus et ex
quibus una et unica Ecclesia exsistit" (S. 320 Anm. 194).

Hier ist mittels einer prägnanten Latinität in den fünf
Worten „in quibus et ex quibus" ein ekklesiologisches Do?'
ma formuliert. Darin ist über „bloße Brüderlichkeit" oder
Verbundenheit „nach Art einer Interessengemeinschaft hitt"
aus" eine „vorgegebene Einheit in Wort und Sakrament
enthalten (S. 329). Dieses kollegiale Element im Rahmen der
Communio Ecclesiarum war schon vorhanden, als in der alten
Kirche die Nachbarbischöfe zusammenkamen und „einer verwaisten
Teilkirche durch Wahl und anschließende Weihe
einen neuen Bischof gaben" (S. 332). So wird „das aus vielen
zusammengesetzte Bischofskollegium als Darstellung der Vielfalt
und der Universalität des Goltesvolkes gedeutet" (S-
349). Damit ist eine theologische Ortsbestimmung des synodalen
Elementes in der Kirchenverfassung „gegeben" (S-
351). Das Buch schließt mit dem Satz:

„Das bischöflich kollegiale bzw. synodale Element m
der Kirchenverfassung ist ekklesiologisch als ein Ausschult1-
aus der ,communio Ecclesiarum' zu begreifen, dessen Aufgabe
darin besteht, an der Integralion der vielen Teilkirchen
in die eine, zwar gegliederte, aber doch ungeteilte Kirche
mitzuwirken" (S. 360).

Abschließend kann bemerkt werden, daß die in der Ab-
handlung behandelten ekklesiologischen und rechtlichen Gedankengänge
auch im Raum der Ökumene der reformatorischen
Kirche einige Parallelen finden. Zwar besieht hier die
Communio Ecclesiarum in der Vielheit nach Einheit strebender
autonomer Kirchen, während in der Katholischen
Kirche die Einheit der Partikularkirchen durch die festgefügte
Hierarchie mit dem päpstlichen Oberhaupt vorgegeben
ist. Aber auch in der Ökumene der reformalorischen Kirchen
tritt das Spannungsverhältnis zwischen Universa litfit und
Partikularität der Kirche in Erscheinung. Es ist für diesen
Bereich bereits in einer grundlegenden Arbeit von DietricD
Pirson, Universalität und Partikularität der Kirche. Die
Rechtsproblematik zwischenkirchlicher Beziehungen, München
1965, behandelt, worauf in diesem Zusammenhang hingewiesen
werden soll.

Erlangen Hans Liermann

Bertram, Martin: Die Abdankung Papst Cölestins V. (1294)
und die Kanonisten (ZSavRGkan 87, 1970 S. 1-101).

Beumer, Johannes: Die Titularbischöfe und ihre Stellung
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und Philosophie 46, 1971 S. 529-553).

Castafio, Juan Bautista: Vigencia del fuero cclcsiästico
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Dilchcr, Hermann: Die Bedeutung der Laterankonzilien für
das Recht im normannisch-staufischen Sizilien (ZSavRGkan
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