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Ausgabe:

1972

Spalte:

779-781

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kugler, Georg

Titel/Untertitel:

Familiengottesdienste 1972

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 10

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dings insofern, als die Nuancierungen fehlen, die eine Berücksichtigung
der theologischen Schulen und Auffassungen
im Laufe der Zeit ergeben hätten. Aber der Leser erhält einen
guten und instruktiven Überblick über die Geschichte des
Priestertums der katholischen Kirche — vom Gesichtspunkt
des Lehramtes aus.

So heterogen die einzelnen Beiträge nach Inhalt und Intention
auch sein mögen, die beiden Bände stellen eine wertvolle
Bereicherung dar, weil sie uns über die verschiedenartigen
Auffassungen und Bestrebungen im Blick auf das heute so
hart umkämpfte Priestertum in der katholischen Kirche
informieren.

Mnrburg Alfred Niebergall

Kugler, Georg: Familiengottesdienste. Entwürfe — Modelle —
Einfälle. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
[1971]. 148 S. 8°. Kart. DM 10,80.

Familiengottesdienste gehören heute in zahlreichen Gemeinden
zum festen, unangefochtenen Bepertoire kirchlicher
Aktivitäten. In regelmäßigen Abständen veranstaltet, bilden
sie — zusammen mit anderen Gottesdienstformen, denen vergleichbare
Gestaltungsprinzipien zugrunde liegen — ein „zweites
Programm" (12 f.) gottesdienstlicher Praxis. Hauptmotiv
für die Entwicklung dieses 2. Programms mag zunächst
die Erwartung gewesen sein, über die neue Form neue Zielgruppen
anzusprechen, die vom Normalgottesdienst nicht
mehr erreicht werden (junge Ehepaare, Eltern, jüngere und
mittlere Generation); dabei spielte die allgemeine Misere des
Kindergottesdienstes ebenso eine Bolle wie die — theologisch
und pädagogisch begründete — Einsicht, daß religiöse
Unterweisung auf die Dauer nur da sinnvoll sein kann, wo sie
nicht nur isoliert die Kinder, sondern die Familie in ihrer
Gesamtheit erreicht und in das Leben der Gemeinde integriert
(15f.). Mit dieser Motivation verband sich von Anfang
an der Versuch, die starre, vorwiegend intellektorientierte,
kommunikations- und spontaneitätsfeindliche gotlesdienst-
liche Normalform durch neue Kommunikationselemente aufzubrechen
(27—29: Erzählung statt reflektierender Bede;
Bild, Spiel, Symbolhandlang; neue musikalische Formen;
Schaffung von Situationen, die Selbsterfahrung provozieren).
In der Verwendung dieser Kommunikationselemente stimmt
der Familiengottesdienst mit Jugendgottesdiensten, Gottesdiensten
in neuer Gestalt u. ä. weitgehend überein; durch
seine besondere Zielgruppenansprache (und die dadurch geforderte
Mehrschichtigkeit der Verstehenstiefen! 26f., 30) hebt
er sich von anderen Formen des 2. gottesdienstlichen Programms
deutlich ab.

G. Kugler hat zum Thema „Familiengottesdienst" ein ausgesprochen
praktisches Buch geschrieben. Der Untertitel verspricht
nicht zuviel: 22 ausgeführte Entwürfe (38—143) und
8 kurze Skizzen („Einfälle", 144—148) machen das Buch zu
einer Fundgrube für jedes Team, das sich mit der Vorbereitung
und Gestaltung von Familiengottesdiensten befaßt. Der
Dokumentation vorangestellt ist eine knappe theoretische
Besinnung zum Thema (11—30): Der Normalgotlesdienst
wächst auf Grund sozialer und sprachlicher Barrieren, die
seine Beichweite objektiv begrenzen, immer stärker in eine
„exzentrische Bolle" (12) hinein; andere, deutlich profilierte,
auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtete Versammlungs- und
Arbeitsformen erweisen sich als dringend erforderlich. Das
Neue kann aber — es sei denn um den Preis einer gefährlichen
Überforderung — nicht einfach zu dem bereits Bestehenden
hinzuaddiert werden; Analyse der Situation, Formulierung
einer verbindlichen Gemeindekonzeption und ständige Kontrolle
der Arbeit sind notwendig, will man ein „zweites Programm
" entwickeln und durchhalten.

Funktionen, die der Normalgottesdienst weithin nicht
mehr erfüllt, sollen im Familiengottesdienst neu zur Auswirkung
kommen: Gottesdienst als Gesprächseröffnung, als
Einübung in die Partnerschaft, als soziale Demonstration,

als Fest, Spiel und Feier. Bei aller Neugestaltung muß aber
auch ein gewisses Maß an Kontinuität durchgehalten werden:
„In jedem neuen Gottesdienst muß Altes, Bekanntes enthalten
sein" (19). Die passive Konsumcntenhaltung der Beteiligten
— gefördert durch hemmende Kirchenräume und die
einseitige Vorherrschaft der Beflexion — kann durch die Einbeziehung
des gesamten Baumes in das gottesdienstliche
Geschehen, durch Freiheit zu spontanem Handeln, durch
Offenheit für unmittelbare Erfahrungen überwunden werden.

Die Modelle, die Kugler darbietet, wurden zum größten
Teil in einer konkreten Gemeindesituation entwickelt und
erprobt. Der Gottesdienst verläuft — von Ausnahmen abge-
sehen — nach einem stereotypen Muster: Begrüßung — Gebet
— Glaubensbekenntnis — Verkündigungsteil — Gebet
und Vater unser — Segen. Dazu und dazwischen wird gesungen
und Musik gemacht: Choräle, moderne Lieder und Chan-
sons, Kinderchor, Orffsches Instrumentarium; besonders
wichtig ist der Hinweis auf neue Möglichkeiten spontanen
Singens im Wcchselgesang (nach Art der Gospelsongs) oder
im sog. „offenen Singen"; Kugler schließt nicht aus, daß dabei
auch spontan neue Lieder entstehen können.

Höchstes Interesse verdient der Hinweis Kuglers auf die
verschiedenen Experimentierphasen, die die Arbeit in seine"'
Team durchlief und die sich in den vorgezeigten Modellen
widerspiegeln: Man begann damit, daß man an die Thematik
mit Hilfe von Anspielen, Einwürfen, Sprechszenen und Text-
transformationen heranzukommen versuchte. Dieses erste,
„dramatisch" orientierte Stadium wurde abgelöst von einer
zweiten Phase, in der man stärker mit Symbolen, Bildern*
Demonstrationen — also mit „optischen" Hilfsmitteln - arbeitete
. In einer dritten Phase — in der sich das Team offenbar
gegenwärtig befindet — „sucht man Wege, im Gottesdienst
Selbsterfahrungen zu vermitteln, die sogleich besprochen
werden können. Dabei soll noch mehr Spontaneität
als bisher möglich werden" (9). Diese dritte — gleichsam
„existentielle" — Phase verdient unsere besondere Auf"
merksamkeit; taucht doch hier ein völlig ungewohnter Got"
tesdiensttyp auf: Da werden /.. Ii. in einem Erntedankgottes-
dienst („Denken und Danken", 80—83) Lebkuchenhäusche»
an die Kinder verteilt — aber sehr ungleich, sehr ungerecht
Es entsteht Protest, heftige Diskussion, an der sich auch die
Eltern engagiert beteiligen. Schließlich kommt es — nach
einer Kampfabstimmung — zu einer gerechteren Verteilung
der Güter. Im weiteren Verlauf werden dann die Erfahrungen,

die Eltern und Kinder in diesem Gottesdienst gemacht ha-
. . . . in
ben, ausgewertet: „Erst denken, dann danken — und teilen-

Ein anderer Gottesdienst, in dem ebenfalls „Erfahrungen
vermittelt werden sollen, steht unter dem Thema „Kleider
machen Leute" (138—143). Sechs maskierte Kinder ziehen i"
den Raum ein und stellen sieh vor: Räuber, Mal rose, Bettler,
Prinzessin, Gärtnerin, Aschenputtel. Welche Maske ist an»
schönsten? Wieder wird diskutiert, abgestimmt, ausgewertet
. Kinder und Eltern haben Erfahrungen gemacht: Wer
sich maskiert, wer sieh für eine bestimmte Maske entscheidet
, demaskiert sieh gleichzeitig. Fazit: Vor einem gute'1
Freund brauchen wir keine Rolle zu spielen. Vor Gott brauchen
wir uns nicht zu maskieren.

Andere Gottesdienste, in denen unmittelbar Erfahrunu'1'"
vermittelt werden sollen: „Endlich Urlaub" (119ff.), .J,'r
Kasper und der Bösewicht" (136 ff.), „Schwarzer Peter
(144), „Vom Hören" (146), „Weitersagen!" (147).

Nur auf einige der 30 Modelle und Skizzen kann hier hm'
gewiesen weiden; in der ersten Gruppe, die mit Spiel- und
Sprechszenen arbeitet, sind besonders eindrücklich die Gerichtsverhandlung
gegen Petrus („Vom Mann, der versag'
hat", 66—73), der dramatische, mit Orffschem [nstrun»en"
tarium gestaltete Einzug in Jerusalem („Wenn Menschen
enttäuscht sind", 58—63) und die Auseinandersetzung ^wischen
den beiden Söhnen aus Luk 15 („Ist denn das gerecht
?", 89—101). Wenig überzeugend sind dagegen meH*
die auf Bild und Symbol orientierten Modelle der zweite'1
Gruppe; hier werden z. T. demonstrative Element«" v''