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Ausgabe:

1972

Spalte:

767-769

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Buri, Fritz

Titel/Untertitel:

Der Pantokrator 1972

Rezensent:

Kimme, August

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 10

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SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Buri, Fritz, Prof.: Der Pantokrator. Ontologie und Eschato-
logie als Grundlage der Lehre von Gott. Hamburg/Bergstedt
: Reich 1969. 157 S. gr. 8° = Theologische Forschung
. Wissenschaft!. Beiträge zur kirchl.-evang. Lehre,
hrsg. v. II.-W. Bartsch, F. Buri, D. Georgi, G. Harbsmeier,
J. M. Robinson, F. Theunis, K, Wegenast, 37. Kart.
DM 16,-.

Der Baseler Systematiker hat bisher 2 Bande seiner „Dog-
matik als Selbstvorständnis des christlichen Glaubens" (I
1956, II 1962) veröffentlicht. Die vorliegende Studie ergänzt
diese Glaubenslehre in einer bewußt vorläufigen Form. Was
hier in seinem „fragmentarischen Charakter" nur „einen
,Vorgeschmack' des Kommenden" (Vorwort, S. 10) geben
möchte, soll später unter den Themen Schöpfung und Vorsehung
, Eschatologie und Ekklesiologie und abschließend der
Lehre von Gott seine endgültige Gestalt erhalten. Der in
3 Teilen (I. „Schöpfung in Christus" S. 18-64, IL „Erfüllung
in Christus" S. 65—106, III. „Die Fülle Gottes in Christus
" S. 107—157) entfaltete christologische Entwurf stellt,
sich als eine Skizze der gesamten Dogmatik dar. Im Folgenden
können nur ihre Hauptanliegen zur Sprache gebracht
werden.

Buri setzt mit einer Meditalion der Bildnisse vom Pantokrator
in orthodoxen Klöstern ein, der wie ein „Leitmotiv"
die ganze Studie begleitet. „Der Pantokrator ist das Symbol
einer christozentrischen Theologie" (11). Obwohl B. feststellt
, daß diese Figur das munus regium bzw. das regnum
gloriae auffällig stark gegenüber dem regnum potentiae und
dem regnum gratiae betont, urteilt er: „In diesen drei Begriffen
der alt protestantischen Dogmatik haben wir durchaus
eine sachgemäße Interpretation des Pantokratorbildcs
der griechisch-orthodoxen Kirche, und umgekehrt Stellt der
Begriff des Pantokrators eine Zusammenfassung der drei
Teile der Bcgnum-Christi-Lehre der altprotestantischen Orthodoxie
dar" (12).

Die „creatio e nihilo" ist, „insofern sie als begrifflich abstrakte
Fassung des Drachenkampfmythos verstanden wird,
als creatio in Christo zu interpretieren" (50). „Aus den drei
Formen des regnum Christi entwickeln wir die drei Aspekte
der Vorsehungslehre: aus dem regnum potentiae die conser-
vatio, aus dem regnum gratiae den coneursus, aus dem regnum
gloriae die gubernatio. In dieser christologisch begründeten
Vorsehungslehre erweisen sich die Probleme dieser
Lehre, die in ihrer nicht auf das Heilswerk Christi begründeten
Form nicht zu lösen sind — das Wundcrproblem, das
Freiheitsproblem und das Theodi/.eeproblem —, als lösbar.
Ihre Erfüllung aber findet die eonservatio in der individuellen
Eschalologie, der coneursus in der Lehn- vom Wesen der
Kirche und die gubernatio in der Lehre von der Aufgabe der
Kirche in der Welt als der wahren kosmischen Eschalologie"
(ebd.). Es geht um „jenes Schöpferische, das sich ereignet,
wenn wir mitten in der Bedingtheit um Unbedingtheit wissen
. Wo das geschieht, ereignet sich in Wahrheit creatio e
nihilo, weil dieses Unbedingtsein dem Begreifenwollen als ein
Nichts erscheint, aber in seiner Verwirklichung Schöpfung
und im Blick auf das, was wir in unseren Verwirklichungen
immer wieder werden, zugleich neue Schöpfung ist, indem es
uns ständig in eine Krise unserer bisherigen Verwirklichungen
stellt" (72)...... Unsterblichkeil der Seele und leibhaftige
Auferstehung können zu Chiffren werden für eigentliche
Existenz, die sich in der Verwirklichung ihrer Bestimmung
als Gnade erfährt. In dieser Welt, nicht in irgendeinem Jenseits
, isl dann Ewigkeit gegenwärtig — aber nicht bloß eine
erlebte, sondern der verantwortlich gelebte Augenblick ist
Ewigkeit, ist erfülltes Leben" (80f.). „Pnrusie ist die Verwirklichung
jener schöpfungsgemäßen Möglichkeit eigentlichen
Personseins. Das Wesen und die Aufgabe der Kirche
aber besteht darin, den Raum dieses Geschehens darzustellen
und seiner den jeweiligen Umständen und Verhältnissen

entsprechenden Ausgestaltung zu dienen" (88). Zur una
saneta catholica et apostolica ecclesia: „Von Einheit kann
rechtmäßigerweise insofern gesprochen werden, als dieses
personale Verantwortlichsein sich umfassend — ,katholisch —
an alle Menschen wendet und in dieser wahren Katholizität
die Einheit menschlichen Personseins zur Verwirklichung
kommt als eine Heiligung, die ihrerseits im Berufensein zum
Verantwortlichsein wie in der Verwirklichung dieses Verant-
worllichseins besteht. Auf Apostolizität aber darf diese ,|,'~
meinschaft des Glaubens Anspruch erheben, weil ihr Selbst-
vcrsländnis verantwortlichen Personscins in Gemeinschaft
im Zusammenhang steht mit der apostolischen Botschaft
vom Kommen des Reiches Gottes..." (88f.).

„Wie sich uns das Parusieproblem als lösbar erwiesen
hat,... so sind auch die übrigen Probleme der universal-kosmischen
Eschatologie nur zu lösen durch Preisgabe ihrer
weltanschaulich-vorstellungsmäßigen Bedeutung, wodurch
wir dann erst in der Lage sind, ihre Aussagen als Sprache
eigentlicher Existenz in Gemeinschaft zu verwenden" (91f.)-
„Von der wahren Aufgabe der Kirche in der Welt, kann nur
im Znsammenhang mit ihrer problematischen Geschichte gesprochen
werden. Gerade in dieser Sicht wird es aber auch
möglich, daß die Kirche in Wahrheit die Funktion der universalen
kosmischen Eschalologie zu übernehmen vermag-
Wenn die Kirche sich im Zusammenhang mit der Geschichte,
die mit dem Erscheinen Jesu begonnen hat, als Gemeinschaft
unbedingter Verantwortung versteht und sich in deren Vollzug
als je neue Schöpfung erfährt, so ist sie eine Größe, die
sich in ihrem Wesen weder organisieren noch institutionalisieren
läßt" (95). Jede „Monopolisierung des Heils in der als
Einheit in der tieschichte stets eine Fikt ion bildenden christlichen
Kirche den anderen Religionen gegenüber" ist ausgeschlossen
: „Die Mission könnte dadurch davor bewahrt werden
, bloß in einer Bekehrung aus einem Aberglauben zu einem
anderen zu bestehen, und zu ihrer wahrhaft heilbringenden
Funktion gelangen, nämlich: Menschen in ihrer geschichtlichen
Überlieferung zur Eigentlichkeit ihrer Existenz
zu verhelfen in einer neuen Gemeinschaft____ worin

allein das neue Sein, von dem in der christlichen Verkündigung
die Rede ist, wahrhaft individuell und zugleich wahrhaft
universal in Erscheinung träte" (97). „Im Grunde hat
Jesus schon im Opfer seines Lebens und in dessen Deutung
die Uminterpretation der Eschatologie in Kultur als eines
Dienstes zur Erfüllung des Sinnes des Daseins in der Preisgabe
jeglichen Selbstzweckes vollzogen — wenn allerdings
seine Vorstellungswelt ihn auch daran gehindert hat. aktiv
kulturgestaltend tätig zu werden" (101).

Der beilige Geist bleibt für Ii. das „Mittel der Heilsaneig"
nung" (102), aber verneint wird, „vom heiligen Geist als einer
objektiven Realität zu sprechen — sowenig als dies uns
in bezug auf Gott oder Christus möglich ist — ... Mit heiligem
Geist meinen wir die Eigentümlichkeit des nur in begrifflicher
Gegenständlichkeit zu vollziehenden, aber in diesem
seinen Vollzug begrifflich gerade nicht faßbaren Aktes des
Glaubens" (103). „Die Trinität als das Strukturschema der
Fülle des im Pantokrator offenbaren Gottes ist nichts anderes
als der artikulierte Ausdruck des Selbstverständnisses
des christlichen Glaubens" (111). So wird der Lehre von der
immanenten Trinität der Abschied gegeben und in lockerer
Anknüpfung an Schleiermachers Position die Lehre von der
ökonomischen Trinität (113) in Anspruch genommen. „Mit
dem Wesen Gottes meinen wir das, was uns den Anlaß und
das Recht gibt, von einem Bezogensein unseres Glaubens auf
einen ,referent' zu sprechen, wie dies in heutiger Sprachphi-
losophie geschieht und wie dies von Schleiermacher in dem
Woher des schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls gemeint
war. Der Unbedingtheit des Glaubens und der Nichtobjekti-
vierbarkeit seines Vollzuges entspricht die nicht zu psycholo-
gisierende immanente Wcsensfülle Gottes. Von Gottes Sei»
dagegen sprechen wir unter dem Gesichtspunkt des Gerufenseins
, des Instandgesetztscins, des Gcrichtclsciiis in unserem
Personsein" (124). Die wahre Menschwerdung Gottes