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Ausgabe:

1972

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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763

Theologische Literaturzeitung 97. Jährgang 1972 Nr. II)

ist dem Herausgeber vielleicht wirklich unbekannt geblieben.
Hans von Schuberts Geschichte der christlichen Kirche im
Frühmittelalter wird mit falschem Titel genannt. Auch bei
der Literatur zu einzelnen Texten hat sich Erbe eine übermäßige
Sparsamkeit auferlegt: Bischof Murtin von Bragu
wäre schon verständlicher, wenn Knut Schäferdieks Untersuchung
„Die Kirche in den Reichen der Westgoten und
Suewen" (1967) genannt wäre; die kärglichen Hinweise auf
die iroschottische Mission wären milder zu beurteilen, wenn
wenigstens auf G. Schreiber, „Irland im deutsehen und
abendländischen Sakralraum" (1956) verwiesen würde.

Der Herausgeber hat sieh ein hohes und durchaus interessantes
Ziel gesteckt, nämlich „die Bekehrungsmotive der
Missionare wie der Missionierten und zum anderen die ,Missionstechnik
' zu verdeutlichen" (S. 5). Die Schwierigkeiten
einer solchen Zielsetzung werden ebenfalls klar ausgesprochen
: Wohl liegen „die Motive der Missionare klar auf der
Hand, über die Motive der zum Christentum übertretenden
Heiden ist es jedoch bedeutend schwerer Klarheit zu gewinnen
" (S. 5). Zur Erhellung dieser Problematik über dasschon
Bekannte hinaus trägt dieses Heft jedoch kaum bei. Der
Wert dieses Heftes für den Lehrbetrieb sei dankend anerkannt
,

Kostock G^rt Hfiendh'r

Brown, Stephen F.: Robert Cowton, O. F.M. and the Analogy

of the Concept of Being (Franciscan Studies 31,1971, 5-40).
Burr, David: Petrus Ioannis Olivi and the Philosophers

(Franciscan Studies 31, 1971 S. 41—71).
Clark, David W.: Voluntarism and Rationalisrn in the Ethics

of Ockham (Franciscan Studies 31, 1971 S. 72—87).
Fitzpatrick, Noel A.: W aller Chatton on the Univocity of

Being: A Reaction to Peter Aureoli and William Ockham

(Franciscan Studies 31, 1971 S. 88—177).
Gal, Gedeon: Henrieus de Harclay: Quaestio de Significato

Conceptus Universalis (Franciscan Studies 31, 1971 S.

178—234).

Pfaff, 'olkcrt: Sankt Peters Abteien im 12. Jahrhundert
(ZSavRGkan 88, 1971 S. 150-195).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Barth, Hans Martin: Atheismus und Orthodoxie. Analysen
und Modelle christlicher Apologetik im 17. Jahrhundert.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1971]. 356 S. m.
8 Abb. auf Taf. gr. 8° = Forschungen zur systematischen
und ökumenischen Theologie. Hrsg. v. Eidmund Scbünk,
20. Lw. DM 64,—.

Barths Arbeit, die als systematische Habilitationsschrift
im WS 1909/70 von der Erlanger Theologischen Fakultät
angenommen worden ist, leistet einen wichtigen Dienst, indem
sie forschungsmäßig in Bereiche vorstößt, die theologischer
Beurteilung bislang ferner lagen. Der Vf., der sich
zunächst der Prinzipienlehre des Johann Musäus zuzuwenden
gedachte, wurde während der Beschäftigung mit Texten
aus der Zeit der Orthodoxie mit Problemen der „Tod-Gottes-
Theologic", einer „Tod-Gottes-Kirche" und einer „Tod-
Gottcs-Gescllschaft" konfrontiert, die sich ihm im Rahmen
eines Studienaufenthaltes in Nordamerika besonders aufdrängten
(S. 7).

Die vorliegende Monographie steckt das große Feld ab,
innerhalb dessen bereits im 17. Jh. der Atheismus als apologetisches
Problem gegeben war. Der Vf. verweist gleich eingangs
(S. 13) auf Feuerbachs Satz, daß die Frage, ob Gott
sei oder nicht, der Gegensatz von Theismus und Atheismus,
dem 18. und 17., aber nicht mehr dem 19. Jh. angehöre. Daß
es im 17. Jh. — nach anderthalb Jahrtausenden christlich-
abendländischen Denkens — „nun Leute gab, die die Welt

zu verstehen und zu erklären vermochten, ohne mit der Exi-
stenz eines Gottes zu rechnen, das war für Europa — von den
Zwischenspiel der antiken Aufklärung abgesehen — ein tdhfi
gionsgeschichtliches Novum" (S. 314). Die theologisches
Apologeten stellten sich nur sehr schwer und allmählich diesem
Faktum der Moderne. Angesichts der vielen zu berücksichtigenden
Komponenten kommt Barth zu einem für die
damalige theologische Denkleistung ungünstigen Resultat:
„Aber trotz aller mildernden Umstände wird mau hart urteilen
müssen: Sie (seil, die theologischen Apologeten des
17. Jh.s) haben ihre geschichtliche Stunde versäumt. Sie
haben ein Weltbild, das bis dahin als selbstverständlich gelten
konnte, in einer Epoche des Umbruchs festgehalten, >n
der seine Verständnisvoraussetzungen prinzipiell verlorengingen
. Sie haben die neue geistesgeschichtliche Situation
nicht erkannt. Sie meinten, für Gott zu kämpfen, und kämpften
doch nur für ein philosophisches System, das von nun an
prinzipiell der Vergangenheit angehören sollte. Sie wollten
im Namen Gottes die Aufklärung stoppen — und standen
damit in Wahrheit nicht der Aufklärung, sondern Gott im
Wege. Statt sich auf die theologische Fragestellung nach
der Existenz Gottes und auf biblische Antworten zu besinnen
, machten sie den Glauben an Gott zu einer sc heinbar
rational einsichtigen Angelegenheit. Die Theologen des 17.
Jh.s haben in einer schicksalhaften Stunde die Weichen für
die weitere Entwicklung falsch gestellt. Sie schworen den
Glauben auf eine Philosophie und auf ein Weltbild ein, das
mehr Vergangenheit als Zukunft hatte. Sie wiesen damit
die Christenheit auf einen Weg, der in den Theologien des
Todes Gottes endete. Ihrem Ansatz ist es zur Last zu legen,
wenn die Theologie noch im 20. Jh. die Probleme nicht bewältigt
hat, die ihr die Aulklärung vor 300 Jahren stellte'
(S. 314f.).

Diese Referat des 17. Jh.s und Einschätzung gegenwärtiger
Phänomene zusammenfassende Stelle ist durch eine
gründliche, ausgedehnte Quellenbefragung vorbereitet. Barth
füllt die einzelnen Kapitel seiner begrüßenswert übersieht"
liehen Disposition mit einer ungewöhnlich großen, aber eben
dem faktischen Quellenbestand entsprechenden Zahl von
Zitaten, die aus über zweihundert mehr oder weniger voluminösen
Werken des 17. und beginnenden 18. Jh.s stammen.
Allein die Quellenbibliographie, deren Brauchbarkeit durch
ein Namen- und Sachregister erhöht wird, ist eine Fundgrube
.

Es ist für Barths Arbeit charakteristisch, daß er nicht einige
besonders hervorragende Philosophen wie Descartes,
Spinoza und bekannte Vertreter des englischen Deismus, die
in den „Geschichten der protestantischen 'Theologie" (S. 16)
immer wieder traktiert worden sind, vornehmlich berücksichtigt
, sondern eine große Zahl unbekannter „Skribenten"
(S. 18), die erst einen weil gestreuten Überblick über die
zeitgenössische Apologetik gegen den Atheismus des 17. Jh.s
erlauben. Es gehört zu den Vorzügen der Arbeit, daß hier
eine Fülle unbekannter oder zumindest für den genannten
Themenkreis noch nicht erschlossener Quellen ans Licht geholt
wird. Dieser Vorteil geht allerdings bisweilen auf Kosten
einer leicht einsichtigen Linienführung, die durch die
Häufung von zeitgenössischen Autorenzitaten und verwirrend
vieler immer neu in die Darstellung eingeführter Begriffe
beeinträchtigt wird. Diese kleine Erschwernis wird jedoch
zum Teil wieder ausgeglichen durch eine kurze Stimulierung
, die am Schluß fast eines jeden Kapitels zu finden
ist.

Das Buch hat zwei groß angelegte und fein unterfächerte
llauplteile: A) Analysen des Phänomens „Atheismus" und
B) Modelle der Gegenargumenlation. Referiert werden ausschließlich
die Analysen und Gegenargumentationen der theo*
logischen Apologeten. Eine Darstellung des Selbstverständnisses
der zeitgenössischen Atheisten wird nicht in extenso
geboten und hätte auch den Umfang der Arbeit beträchtlich
erweitert. Der Untertitel des Buches deutet die Fragerich"
tung sachgemäß an.