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Ausgabe:

1972

Spalte:

743-745

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gaster, Theodor H.

Titel/Untertitel:

Myth, legend, and custom in the Old Testament 1972

Rezensent:

Kaiser, Otto

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(1,7; 2,1—3. 3,5 usw.). Beachtenswert ist auch die Ansicht,
hier wieder im Gegensatz zu Wolff, daß im Hoseabuche die
unmittelbaren Umstände der ersten Verkündigung der Worte
Hoseas sich schwer finden lassen. Dementsprechend seien die
größeren Spiuchkomplexe im Hoseabiich als exemplarische
Redeeinheiten anzusehen, die wohl nicht einen tatsächlichen
Verkündigungsvorgang protokollieren, ein Tatbestand, der
etwa dem Problem der synoptischen Jesusüberlieferung vergleichbar
sei. Man muß doch mit mehreren redaktionellen
Vorgängen rechnen. Auch die späteste Form des Buches
zeigt je in 1,2—6,3 und 6,4—14,9 ein parallel laufendes Aufbauschema
.

Im Schlußabschnilt wird der Versuch der systematischen
Erfassung einiger Grundprinzipien der Glossierung des Arnos-,
Micha- und Hoseatextes unternommen. W.-P. hält es für
wichtig, die Unterscheidung zwischen unwillkürlich in der
Überlieferung entstandenen Fehlern und ihrer bewußt erfolgten
Korrektur zur Wiederherstellung oder Erläuterung
zu machen. Als häufigste Fehlerursachen sind erwähnt (mit
Stellenangabe): mechanischer Textverlust, Buchstabenverwechselung
, Dittographie, Haplographie, I lomoioteleuton,
Homoioarkton, aberratio oculi, falsche Abtrennung, Hörfehler
. Es wird festgestellt, daß das Amosbuch verhältnismäßig
fehlerfrei ist, was wohl mit der wesentlichen Abschlie-
ßung der Redaktion des Buches in der Exilzeit zusammenhängt
. Die philologische Arbeit am Text dient zuerst zur
grammatisch-stilistischen Erhaltung, wobei verschiedene Kategorien
erkennbar sind, die z. T. zur Redaktionsarbeit gehören
. Neben der philologischen Arbeit im engeren Sinne
steht die mannigfache Auslegungstätigkeit innerhalb des
alttestamentlichen Textes (Sacherklärungen, Glossierung theologischen
Inhalts). Dabei wird beobachtet, daß das Glossierende
im ursprünglichen Wortgut verankert ist. „Dieses
Prinzip der Verankerung ist schließlich zur Grundmethode
aller Textarbeit geworden. Orientiert sich das aktualisierende
Wort am aktualisierten, das typisierende am
Typos, so auch das glossierende am glossierten." So entwickelt
sich eine der wichtigsten Normen, Hillel 2, von verschiedenen
Vorstufen aus: a) Orientierung an vorgegebenen
Worten zur Bildung neuer; b) Ergänzung oder Korrektur
nach andern biblischen Stellen. Das Prinzip der Verankerung
liegt auch der auf die exegetische Regel vom Kontext
(Hillel 7) hinführenden Methode, Textemcndationen oder
Ergänzungen mit Elementen aus dem Kontext vorzunehmen
, zugrunde. In den Vorstufen zu Hillel 2 und 7 ist der
eine Grundsatz bestimmend, daß kein neues Wort in den
Text, eingefügt werden kann, ohne in diesem bereits verankert
zu sein. Deshalb hält W.-P. es für problematisch, von
„dogmatischen Korrekturen" (G. Fohrer) zu sprechen.

Das Buch schließt mit der beachtenswerten Fragestellung,
ob die sog. formgeschichtliche Methode diesem Aspekt der
geschichtlichen Entwicklung allen prophetischen Wortes zum
Kanonischen hin wirklich voll gerecht werden könnte.

Tokio Masao Sekine

1 J. Jeremias, Die Deutung der Gerichtsworte Michas in der Exilzeit
(ZAW 1971, S. 330 ff.)

2 Vgl. J. Barr, Comparative Philology and the Text of the Old Testament
, Oxford, 1968.

3 F. Dingermann, Mnssora-Septuuginta der Kleinen Propheten, 1948
(Disserlation Würzburg), S. 85.

4 Vgl. F. Hecht, Eschatologie und Ritus bei den ,, Reformpropheten",
Leiden, 1971.

Gaster, Theodor H.: Myth, Legend, and Custom in the Old
Testament. A comparative study with chapters from Sir
James G. Frazer's Folklore in the Old Testament. New
York-Evanston: Harper & Row [1969]. LV, 899 S. gr. 8°.
Lw. £ 20,-.

Der durch seine religionsgeschichtlichen Arbeiten angesehene
Gelehrte war zunächst mit der Aufgabe betraut wor-

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den, Frazer's dreibändiges Folklore in the Old Testament auf
den gegenwärtigen Stand der Forschung zu bringen. Bei den
umfangreichen, sich über fünfunddreißig Jahre erstreckenden
Vorarbeiten kam er jedoch zu der Einsicht, daß es nicht
bei einer bloßen Neubearbeitung sein Bewenden haben dürfte
, sondern insgesamt ein strengerer Maßstab bei der Auswahl
des Materials anzulegen sei. So interessant manche von
Frazer gebotenen Stoffe an und für sich sein mögen, so sind
sie doch nicht immer streng genug auf das Alte Testament
selbst bezogen, dessen völkerkundlich-volkskundlichen Hintergrund
und dessen mythologische Beziehungen Gaster
zum Auswahlkriterium seiner bewunderungswürdigen Ma*
terialsammlung gemacht hat. Bei di r Stoffanordnung folgt
er dem Aufbau des hebräischen Kanons. Der Umfang seiner
eigenen Arbeit tritt am deutlichsten hervor, wenn man die
von Frazer übernommenen und die von ihm selbst beigesteuerten
Partien in ein Verhältnis setzt: Von den 404 dem Pen-
tateuch gewidmeten Seilen sind nach meinem Überschlag
266, von den 151 den Vorderen Propheten vorbehaltenen 55,
von den 172 für die Hinteren Propheten 22 und von den 142
für die Schriften 9 aus Frazers Werk übernommen worden.
So stellt der vorliegende Band, dem ein weiterer über die
Bechtsinstilutionen folgen soll, zu drei Fünfteln Gasters eigene
Leistung dar.

Das Buch ist von Gaster offensichtlich als Nachschlagewerk
für den liibelleser, nicht nur für den Fachgenossen gedacht
, der jedoch durch die reichlichen Nachweise auch auf
seine Kosten kommt, wenn er auch gewisse Lücken bei der
benutzten Literatur feststellen wird. Aber grundsätzlich
wird er bereit sein, dem Vf. die erbetene Nachsicht zuteil
werden zu lassen, weil es sich eben um die Arbeit eines einzelnen
Gelehrten und nicht die einer Arbeitsgruppe handelt.
Die Frage, ob angesichts der gegenwärtigen Spezialisierung
und Materialanhäufung ein derartiges Vorhaben nicht sinnvoller
auf dem Wege der Zusammenarbeit mehrerer, den
verschiedenen Fächern angehörender Gelehrter in Angriff
genommen werden sollte, darf jedoch nicht unterdrückt werden
. Vielleicht findet sich in der Zukunft einmal ein entsprechender
Kreis, der dann auf der Grundlage von Frazers und
Gasters Vorarbeiten ein allseitig zufriedenstellendes und damit
freilich auch notwendig umfangreicheres Werk vorlegt.
Daß Gaster seinen Vorgänger auch heute noch so weitgehend
zu Worte kommen läßt, wird man ihm, wie immer man über
die zugrunde liegende Methode urteilt, danken. Die unmittelbare
Frische der Frazerschen Darstellung fasziniert den Leser
trotz des inzwischen weit vorgerückten Jahrhunderts, ja>
man hätte gewünscht, daß sich Gaster zugunsten einer breiteren
und ähnlich frischen Darstellung seines Materials zunächst
auf den Pentateuch beschränkt hätte. Vergleicht man
seinen auf S. 4 oben gegebenen Hinweis auf die Verbreitung
des Glaubens an den Urozean bei Indianern und Afrika nein
mit der lebendigen Wiedergabe der Flutsagen durch Frazer
S. 82ff., wird man seine Zurückhaltung eher bedauern als
begrüßen. Nur im Rahmen einer ausführlicheren Darstellung
wäre es auch möglich gewesen, entsprechend dem über Frazer
hinausgekommenen Stand vergleichender völkerkund-
lich-voJkskundlicher wie religionsgeschichtlicher Forschung
den Stellenwert der Mythologeme innerhalb der verschiede*
nen Systeme herauszuarbeiten und damit erst einen sinnvollen
Vergleich zu ermöglichen. Es fehlt bei Gaster nicht an Ansätzen
dazu; aber man kann nicht sagen, daß er hierin konsequent
genug verfahren ist.

Angesichts des Respektes vor der von Gaster geleisteten
Sammel- und Ordnungsarbeit fällt es einem schwer, Einzelheiten
herauszugreifen, Lücken nachzuweisen, geschweige
die Tatsache hervorzuheben, in welchem verschwindenden
Umfang neuere deutsche Arbeiten berücksichtigt worden
sind. Dennoch sei angemerkt, daß in einem derartigen Work
die ethnologischen und volkskundlichen Parallelen zum Auftreten
von Ekstatikergruppcn und Einzelpropheten nicht
hätten fehlen dürfen. Allein eine Auswertung der ersten 46
Seiten von J. Lindbloms Prophecy in Ancient Israel, Oxford

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 10