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Ausgabe:

1972

Spalte:

52-53

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Blaschke, Karlheinz

Titel/Untertitel:

Sachsen im Zeitalter der Reformation 1972

Rezensent:

Herrmann, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 1

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als Sakrament" meint Vf., daß „für Luther im bloßen
sakramentalen Vollzug der Konsekration der Abendmahlselemente
kein Gnadengeschehen liegt', das Abendmahl ist
Zeichen der Einheit mit Christus (70). Aber schon beim
jungen Luther wird klar: .Die wirkliche Gegenwart von
Leib und Blut Christi soll dabei Gegenstand unseres Glaubens
sein" (73). So zielt das Sakrament auf den Glauben
ab, es gewinnt „unverkennbar existentielle Bedeutung" (75).
Vf. hebt hervor, daß schon in dieser Zeit das Denken des
antischwärmerischen Luthers (78) und sein Interesse an
der Realpräsenz von Leib und Blut Christi angelegt sei,
„ohne daß er durch irgendwelche Leugner der Realpräsenz
zu dieser Betonung gedrängt worden wäre" (81 f).

Im 2. Teil untersucht Vf. zunächst allgemein das Verhältnis
von Abendmahl und Kirche (eucharistischer und
mystischer Christusleib werden, wie bei Biel, identifiziert,
89; die Einheit mit Christus wird zunächst ethisch, dann
ontisch verstanden, 90 f.) und dann ausführlich das von
Abendmahl und Priestertum. Für 1520 sieht der Vf. „das
geistliche Amt nicht als dem allgemeinen Priestertum übergeordnete
Gewalt, sondern nur als kraft göttlicher Autorität
erfolgender kirchlicher Auftrag zum öffentlichen Dienst
an der Gemeinde durch Wortverkündigung und Sakraments-
spendung* (108), womit die Ableitung des geistlichen
Amtes aus dem allgemeinen Priestertum ihm ausgeschlossen
zu sein scheint (115).

Ungeschickt ist es, daß im Druck das Kapitel „Abendmahl
und Opfer" als Unterteil der Zusammenfassung des
vorhergehenden Kapitels erscheint „Die Ablehnung des
Opfercharakters ist die negativste Seite in Luthers Abendmahlslehre
, weil mit ihr in scharfem Ton ein wesentliches
Element der traditionellen Eucharistielehre abgelehnt wird"
(124). Vf. hebt mit Recht hervor, daß Luther kontradiktorisch
das Werk Gottes dem Werk des Menschen gegenüberstellt
(133); wir Menschen empfangen allein die göttliche
Gabe (137).

Im Ausblick hebt Vf. hervor, daß dadurch, daß die
Realpräsenzlehre bei Luther nun mehr in den Vordergrund
rückt, er vermehrt einen Sinn für die heilsgeschichtlichen
Dimensionen des Abendmahls gewann. Diese Lehre sei
„nie ein Ergebnis philosophisch-theologischer Reflexionen
(gewesen), sie war vielmehr streng in den biblischen Einsetzungsworten
begründet" (142), er wollte ihr aber nie
den Vorrang geben, sondern, sie in seine Abendmahlslehre
integrieren, in der es ihm um die Rechtfertigung des Einzelnen
ging. Vf. lehnt ab, bei Luther einen Bruch feststellen
zu wollen: „Er hat später nur eine etwas reifere und ausgewogenere
Auffassung vom Abendmahl gewonnen", auch
„der spätere Luther hat die Grundsubstanz seiner reformatorischen
Abendmahlslehre nie verändert" (143).

In den „Schlußüberlegungen" hebt Vf. hervor, daß die
römische Theologie die Bedeutung des göttlichen Wortes
wieder hervorhebe (K. Rahner). Vf. fordert seine Kirche
auf, das Gnadengeschehen im Abendmahl stärker zu aktualisieren
, da so nur seine heilsgeschichtliche Dimension verlebendigt
werden könne, und das durch den Priester
vermittelte Wort und Sakrament „unter das eine, mit
Christus identische Evangelium als Wortgeschehen"
zu subsumieren (146). „Eine .Rekatholisierung' Luthers
bedeutet also nicht eine .Heimholung' des Reformators in
den Schoß der Kirche, die Luther seinerzeit verlassen hat,
sondern eine Erweiterung katholischen Denkens auf das
grundchristliche Anliegen Luthers hin, das mehr und mehr
als eine Möglichkeit wahrhaft katholischen Denkens begriffen
wird" (145).

Diese Studie muß im Zusammenhang der ökumenischen
Öffnung der römischen Theologie begriffen werden, wobei
Vf. mutig gerade die bisher als so kontrovers angesehene
Abendmahlslehre Luthers in Angriff genommen hat. Die
Gesamtschau vermag zu überzeugen, auch wenn wohl eine
gewisse Unausgeglichenheit in der Bedeutung der Realpräsenz
beim jungen Luther zwischen 15 f. u. a. mit 78 ff.
konstatiert werden muß. Es bleibt auch nach der Untersuchung
des Vf.s dabei, daß die Realpräsenzlehre das
Konstante in Luthers Abendmahlslehre bleibt, auch wenn
natürlich in unterschiedlicher Betonung. Erfreulich ist es,
daß römische und lutherische Theologen sich heute auch
hier zu gemeinsamer Forschung finden können.

Fragen bleiben. Einen Widerspruch sieht Rez. auf S. 77,
Anm. 27 („Hier ist eindeutig das Wort der Verheißung
Glaubensinhalt und nicht die Realpräsenz. Zeichen für diese
Verheißung sind nicht in erster Linie Brot und Wein, sondern
Leib und Blut Christi unter Brot und Wein", also doch
Realpräsenz!); vgl. auch 78 „.. daß er auch ein theologisches
Interesse für die reale Gegenwart von Leib und
Blut Christi im Altarsakrament zu entwickeln weiß". 87
erfahren wir, daß Augustin den scholastischen Terminus
„corpus Christi mysticum" nicht gebraucht habe, aber 85
klingt es so, als ob Augustin ihn schon verwende. Zu
häufig unterstreicht Vf. wohl Luthers aktuales Abendmahlsverständnis
, obwohl ihm deutlich zu sein scheint, daß es
nicht einseitig aktualistisch war (auch vor 1520 nicht).
Stimmt es für Luther, daß die Kirche aktual neu entsteht:
„Diese Gemeinschaft ist nicht einfach, sondern sie wird
ständig im Worte Gottes" (95)? Meines Erachtens ist das
Augustin-Zitat (97) falsch umschrieben („Nos offerimus
sacrificium, vobis non licet" mit „war allein der geweihte
Priester fähig, das eucharistische Opfer zu vollziehen"). Ob
Rahners Bestimmung der Eucharistie als „Sakrament des
Wortes schlechthin", als „Absolutfall des Wortes" wirklich
hilfreich ist, wagt Rez. zu bezweifeln, da solche Aussagen
zu leicht zum Verlust des Sakramentes führen können
(Ebeling). Auffallend bleibt, daß Vf. den entscheidenden
Dissensus in der Abendmahlslehre in der Auffassung vom
geistlichen Amt sieht, wir würden ihn wohl in der Opferfrage
sehen.

Druckfehler fallen mehrfach auf (z. B. 14,16, 40,122,128,
141). Vf. unterscheidet nicht zwischen ZSTh und NZSTh
(13 f., 28).

Die Studie darf es für sich beanspruchen, daß man sie
in der theologischen Debatte ernst nimmt.

Schlettau (Erzgeb.) Karl-Hermann Kandier

Blaschke, Karlheinz: Sachsen im Zeitalter der Reformation.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn [1970).
136 S. 8° = Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte
, 185. Jg. 75 u. 76. Kart. DM 27,-.
Der Titel scheint auf ein nur den Lokalgeschichtler
interessierendes Buch hinzuweisen. Dem steht entgegen, daß
in Sachsen das Zentrum der lutherischen Reformation lag.
Die Geschehnisse, Erfahrungen und Entscheidungen in
Sachsen sind für andere Territorien prägend gewesen. Damit
haben auch die Umstände der Reformation in Wirtschaft
, Kultur und Wissenschaft über die Grenzen der
sächsischen Territorien in das Reich hinaus gewirkt. Sachsen
war ja in der Reformationszeit durch seinen Bergbau eines
der entwickeltsten Territorien des Deutschen Reiches. Da
der Verfasser ein gründlicher Kenner sächsischer Geschichte
ist, wird eine Schilderung der Zustände in Staat, Wirtschaft
und Kultur gegeben, die in modifizierter Form wohl für
viele Gebiete des Reiches Gültigkeit hat.

Das Buch will keinen Ablauf schildern, sondern ein Bild
einer Zeit geben, das sich aus einer ganzen Zahl einzelner
Szenen zusammensetzt, die vereint ein lebendiges und
überaus informierendes Ganzes geben. Es ist nur zu bedauern
, daß der Verein für Reformationsgeschichte diesem
vom Vf. überarbeiteten Nachdruck aus den „Sächsischen
Heimatblättern" (Wissenschaftliche Zeitschrift für die Bezirke
Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig 1967) nicht die
Bilder beigeben konnte, die dort zu finden sind. Sie