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Ausgabe:

1972

Spalte:

718-720

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Strunk, Reiner

Titel/Untertitel:

Politische Ekklesiologie 1972

Rezensent:

Strunk, Reiner

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 9

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ann in der Predigt dargestellt, aber nur in begrenztem sehen praktischen Theologie steht Tillich vor allem Otto

a0 auch vollzogen werden. Wegen der Vorordnung des Haendler nahe.

eins vor dem Handeln tritt die explizite Paränese in den Teil F — Anhang: Tillichs Frühpredigten. Hier werden

intergrund. Für die politische Predigt, welche die politisch- die unveröffentlichten, im Paul-Tillich-Archiv zu Göttingen

Zlalen Verwirklichungen stärker akzentuiert, werden eini- gesammelten frühen Predigten Tillichs analysiert. Schon in

^ Gesichtspunkte aufgestellt. Insgesamt ergibt sich als Auf- seinen Vikariatspredigten aus den Jahren 1909 bis 1913 (19.

^e e der Predigt die Interpretation der Situation im Licht Vikariatspredigten) deutet sich Tillichs spätere homiletische

er Botschaft (13. Die religiöse Interpretation der Wirklich- und systematische Konzeption an, und vor allem wird hier

die 1*>'e ^neo'°9'e dagegen interpretiert die Botschaft, und seine lutherische Prägung sehr deutlich. In den Predigten

systematische Theologie interpretiert sie im Licht der aus dem ersten Weltkrieg (20. Weltkriegspredigten) werden

ation. Tillich stellt eine Alternative auf zu der These, die die Probleme exemplarisch deutlich, die sich aus dem Pro-

'3t habe biblische Texte zu interpretieren. gramm einer religiösen Interpretation der Wirklichkeit er-

Teil n _ 7:0i j r> a- 4. »/r j- j ■ ^-u geben. Tillichs damaliges Schwanken zwischen einer religi-

c- , u Ziel der Predigt: Medium des Wortes Gottes. „ _, ..... , . ..... XT , „ ,

sPrachnhilnc,,„i,- „u . osen Bestätigung und einer religiösen Negation des Beste-

^'Pmiosophischc und -theologische Erwägungen fuhren , . 2 v j t» m 7 »i. j j i j

zur Bestimm,,™ a ,„ , „, , , f ... . henden wurde nach dem Weltkrieg uberwunden durch den

"cbummung des Wesens bzw. Ziels der Predigt. In _ c , ,. ... . .... , .

Vilichs Snra^n, tt a c u i.» a- c Entwurf der „religiösen Verwirklichung' bzw. „protestanti-

,;> Sprachtheorie (14. Die Sprache) geht es um die fun- , „ _____ 3 ^

^arnem-ai- ^ , . , , , „ , sehen Gestaltung .

rat' anthropologische Bedeutung der Sprache, ihren

tat' en und sozialen Aspekt, ihren expressiven und deno- _

fi^lVen pol und ihr Verhältnis zur Wirklichkeit. Das Spezi-

Um der religiösen Sprache (15. Die religiöse Sprache) liegt c, , D . _ .... , , . . . _ , ....

m ihrer Rn,^„ u , V , • 5,., . . , Strunk, Reiner: Politische Ekklesiologie. Revolutionskritik

»<-i ßezogcnheit auf die Ticfendimension. Gibt sie den , . , „. , . , . 3 , .„ „ ,

"orizont Hpc u„k a- i • • u -«vi, u i und Theorie der Kirche m der ersten Hälfte des 19. Jahr-

t„v. u aes Unbedingten an, so ist sie begrifflich, charak- . . „• . „ _ . ,

frisiert sif> ti u a- i • . m- u • : • u v i hunderts. Diss. Tübingen 1970. 251 S., 118 S. Anhang.

Q «i sie das Unbedingte inhaltlich, so ist sie symbolisch. 3

Wahrheitskriterium der religiösen Symbole ist selbst Die Untersuchung fragt nach den Voraussetzungen, den

imbolisch. Der Rückbezug der Predigt auf die Bibel (16. Inhalten und den Tendenzen der Ekklesiologie, die im 19.

, edl9t und Bibel - Hermeneutik) setzt die allgemeinen Jahrhundert erstmalig in den Mittelpunkt der theologischen

«meneutischen Grundsätze voraus. Die Bibel ist für die Reflexion treten konnte. Der theologiegeschichtliche Faktor

, ecll9t unentbehrlich wegen der Gegenwärtigkeit der in den des nachaufklärerischen Konfessionalismus reicht als Er-

ohschen Texten ausgedrückten religiösen Erfahrung. Gärung offenbar nicht aus. Denn das Thema Kirche wurde

nr>»gemä5heit der Predigt bedeutet aber nur Bindung an damals wcit über eine innertheologische Diskussion hinaus

<;n Grundgehalt des biblischen Glaubens, nicht notwendi- auch von namhaften Staatsrechtlern und politischen Litera-

isr h e'Se Zu9rundelegung einzelner Bibeltexte. Schließlich ten eingehend erörtert. Es läßt sich zeigen, daß hinter der

fl7 n Predi9t als Medium des Wortes Gottes zu verstehen aufkommenden Beschäftigung mit dem Wesen und Auftrag

} Predigt und Wort Gottes), aber „Wort Gottes" als Vor- der Kirche ein allgemeines politisches Problembewußtsein

l "9 des Angesprochenseins durch Gott kann sich der ver- steckt- das durch dlc überwältigende Wirkung der Revo-

wiedensten Medien bedienen, die alle unter dem Vorbehalt lutionen von 1789, 1830 und 1848 veranlaßt wurde. Die

dH Freiheit Gottes stehen. Die Predigt ist insgesamt folgen- anscheinend globale revolutionäre Erschütterung der staats-

ermaßen 2U definieren: Predigt ist eine religiöse Rede (d. h. tragenden, gesellschaftlichen und kulturellen Grundlagen

dne,Rede aus religiöser Ergriffenheit), in der die Situation provozierte die Frage nach einer ganz anderen, von diesen

e; Angeredeten im Licht der Botschaft interpretiert wird. neuen Entwicklungen uneinholbaren Lebensgrundlage, die

as nicht zu garantierende Ziel dieser Rede besteht darin, man in der besonderen Wirklichkeit der Kirche zu finden

7?c.s «nter anderen Medien des Wortes Gottes zu werden hoffte. Insofern erfolgte die damalige ekklcs.ologische

W" h' ^ religiöser Ergriffenheit zu führen). Theoriebildung im Zuge einer kritischen Auseinanderset-

T zung mit der Revolution, so daß die bis dahin unbekannte,

sein E ~ Sch'uß = 18. Systematische Gesichtspunkte. In auffallend starke Thematisierung der Kirche als konkreter

q ?r Homiletik und insgesamt in seinem theologischen Impuls und dann in der Entfaltung als geistiges Produkt

logi *D ist Ti"ieh Repräsentant einer „neuen liberalen Theo- der herrschenden geschichtlichen Umwälzungsprozesse zu

m^J, ' sfeht also in der Tradition des „freien Protestantis- gelten hat. Die Ekklesiologie des 19. Jahrhunderts stellt

ist Gerust seines Systems, die Korrelationsmethode, sich darum als ein Stück systematisch durchgeführter, poli-

hejtZU prazisiercn als Differenz und gegenseitige Bezogen- tischer Theologie dar. Sie ist die politisch-theologische

kre*V°n unmittelbarer Gewißheit des Unbedingten und kon- Praxis in einer revolutionären Welt; sie liefert also nicht

Off" ^ G'aubenswagnis, von Transzendenzbewußtsein und mehr im Sinne der klassischen politischen Theologie den

arungscrfahrung, von Selbsttranszendierung des Men- unmittelbaren theologischen Rechtfertigungsgrund für be-

Sche v!"^ paradoxcr Manifestation Gottes. Tillichs spezifi- stehende Staats- und Herrschaftsverhältnisse, sondern sucht

^he l °9ische Basis ist die Dialektik von „negativer den spezifischen politischen Ort und Auftrag der Kirche

Und °"IC ('m s'nn der Unbedingtheit des Unbedingten) in der revolutionären Gesellschaft zu bestimmen. Die er-

mol "^'^Pfungstheologie" (im Sinn der Einheit von Kos- kennbar antirevolutionäre Vorentscheidung, die bei der

Das°9le und Soteriologie) bzw. von „Abgrund" und „Grund". Entwicklung des ekklesiologischen Denkens leitend war,

(d j^ent.sprechende Denkmodell des „gläubigen Realismus" führte freilich mit wachsender Intensität in die ideologische

der n die eine Wirklichkeit ist zu unterscheiden hinsichtlich Partnerschaft mit der politischen Restaurationsbewegung,

aller p"116"^01^0 des Bedingten und der unbedingten Tiefe wie sie unter Friedrich Wilhelm IV. in Preußen beherr-

]en . "Pensionen) hebt sich scharf ab von den Denkmodel- sehend wurde.

k0ns CS SuPranaturalismus und Naturalismus. Gewisse In- Der innere Zusammenhang von theologischer Revo-

sich lquen2en und terminologische Unklarheiten ergeben lutionskritik und Theorie der Kirche hat sich schrittweise

mer 61 Tillich daraus, daß er seinem Grundansatz nicht im- herausgebildet, wobei eine Fülle zeitgenössischer Vorstel-

tura).9anz treu geblieben ist, sondern gelegentlich zum Na- lungen aus Philosophie, Poesie, Rechtswissenschaft und

tend'SrnUS' d' "•' zu einer -totalen natürlichen Theologie" Theologie aufgenommen, abgewandelt und kombiniert wur-

in d'ert hat. Tillichs Theologie ist eine „Geisttheologie", den. Die Arbeit versucht, diesen Komplex zu analysieren,

s0n[Jer Slcl1 die Erfahrungstheologie des Liberalismus, be- indem sie eine repräsentative Auswahl von Autoren trifft,

matiofS Schleierrnachers, mit der Worttheologie der Refor- denen jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet wird; an ihnen

n- besonders Luthers, verbindet. In der zeitgenössi- werden beispielhafte Modelle einer revolutionskritischen.