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Ausgabe:

1972

Spalte:

687-688

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Bainton, Roland Herbert

Titel/Untertitel:

Women of the reformation in Germany and Italy 1972

Rezensent:

Ludolphy, Ingetraut

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 9

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behandeln sehr zuverlässig zunächst das Reformationswerk
Martin Luthers bis zur Krisis des Jahres 1525, die erste Organisation
der evangelischen Gemeinden und die Ausbreitung
des Protestantismus in Deutschland in seiner Auseinandersetzung
und seinem Ausgleich mit dem Reich bis zum
Augsburger Frieden; die Reformation Zwingiis und die der
deutschsprachigen Schweiz überhaupt; das Lebenswerk Calvins
, die Reformation in Frankreich, in Großbritannien, die
Ausstrahlung des Luthertums und des Calvinismus in den
Niederlanden, in Skandinavien und Osteuropa, in Italien
und auf der Iberischen Halbinsel. Ein letztes Kapitel geht
der Geschichte des Täufertums, der Antitrinitarier und der
mystisch-spekulativen Strömungen des Reformationszeitalters
nach. Nicht weniger als 65 Seiten umfaßt die besonnen
ausgewählte Bibliographie (S. 397 bis 462). Das ausgiebige
Namenregister wurde von Marcella Ravä sorgfältig angefertigt
.

Die Botschaft von der Freiheit, zu der uns Christus befreite
, die der Vf. als reformatorisches Hauptanliegen erkannt
und zur Darstellung gebracht hat, wurde hier durchgehend
verfolgt in ihrer historischen Problematik und in
ihrer Gefährdung von seiten der Nationalismen, der ökonomischen
Interessen und der Humanismen, Mißdeutungen
zu verfallen. Vinay ist es des öfteren geglückt, zu zeigen,
wo und wie die geschichtliche Wirklichkeit die großen Reformatoren
überforderte und wie sie die Bildung von Staatskirchen
nicht zu vermeiden imstande waren. In dieser Hinsicht
war der linke Flügel der Reformation bemüht, die
evangelische Freiheitspredigt doch weiterzuführen, ohne
allerdings einer Relativierung derselben entgehen zu können
. Der Toleranzgedanke, der vom Evangelium her hätte
proklamiert werden sollen, war so erst eine Folge der allgemeinen
Müdigkeit, die die langwierigen konfessionellen
Streitigkeiten herbeigeführt hatten. Man darf fragen, ob
die vom Vf. hervorgehobene Tatsache, daß die Reformatoren
„nicht immun waren gegenüber dem inquisitorischen
Zeitgeist" (S. 392) und bei den radikalen Strömungen ein
theologisch nicht unproblematisches Korrektiv gefunden hätten
, nicht auch dadurch bedingt gewesen ist, daß das bereits
begonnene Gespräch zwischen der waldensisch-hussitischen
und der klassischen Reformation (man denke an die Wal-
densersynoden von Chanforan und Prali von 1532 und 1533
oder an den Briefwechsel zwischen den Böhmischen Brüdern
und Martin Bucer 1540—1542) vorzeitig abgebrochen
wurde.

Praha Amedeo Molnär

Hintergründe der Reformation in Europa geschildert werden
. Das ist ihm in anschaulicher, durchsichtiger und spannender
Weise gelungen. Da sich die Lebenskreise der dargestellten
Frauen berührten bzw. überschnitten, ergaben
sich Möglichkeiten für Querverweise, die noch häufiger
hätten genutzt werden können.

Zusammengestellt wurden — soweit sie uns bekannt
sind — die Lebensbeschreibungen von Katharina von Bora,
Ursula von Münsterberg, Katharina Zell, Wibrandis Rosenblatt
, Argula von Grumbach, Elisabeth von Brandenburg,
Elisabeth von Braunschweig. Zwei Skizzen gehen auf Katharina
Melanchthon und Anna Zwingli ein. Frauen aus dem
Täufertum konnte nur ein gemeinsames Kapitel gewidmet
werden, da uns über diese relativ wenig bekannt ist. Die
Frauen aus Italien, unter ihnen auch eine französischer Abkunft
, sind Giulia Gonzaga, Catarina Cibo, Vittoria Colonna,
Isabella Brescgna, Renata von Ferrara und Olympia Morata.

Es fesselt den Leser in hohem Maße, die Variationen w
den Schicksalen und den Einstellungen dieser Frauen zu
verfolgen, die alle Kinder des Reformationsjahrhunderts
waren und der damaligen katholischen Kirche mindestens
kritisch gegenüberstanden. Dabei ist es natürlich zu bedauern
, daß das meiste, was wir wissen, von Männern überliefert
wurde. Die wirklichen Tatbestände sowie das, was die
Frauen selbst dachten und empfanden, lassen sich deshalb
nicht immer erfassen. Mitunter mußten wohl selbst bei der
Darstellung wenige Mosaiksteinchen kühn zu einem Bild
vereinigt werden. Um so dankbarer sind wir, daß Bainton,
wo es nur möglich war, Quellen sprechen läßt.

Jeder Einzeldarstellung ist eine wertende Bibliographie
beigefügt, die die wichtigsten Angaben auch neuester, selbstverständlich
internationaler Literatur enthält. Diese Werke
wurden für die Anmerkungen reichlich verwendet.

Wie Bainton es schätzt, ist sein Werk reich illustriert. Es
bringt Abbildungen der dargestellten Frauen, ihrer Zeitgenossen
sowie von Werken und Szenen der Zeit. Auch Karten
sind beigefügt und eine genealogische Tafel der Habsburger
. Dankbar benutzt der Leser den Index.

Die Haltung Luthers auf dem Marburger Religionsgespräch
dürfte mindestens mißverständlich dargestellt sein
(S. 64).

Bei einer Neuauflage müßten einige Unstimmigkeiten un«
eine Anzahl von Druckfehlern ausgemerzt werden, die vor
allem bei Eigennamen stören.

Leipzig Ingetraut LudolphV

Seebaß, Gottfried: Bibliographia Osiandrica. Bibliographie
Bainton, Roland H.: Women of the Reformation in Germany der gedruckten Schriften Andreas Oslanders d. Ä. (149Ö
and Italy. Minneapolis, Minn.: Augsburg Publishing bis 1552). Im Auftrag der Reformationsgeschichtlichen
House (1971). 279 S. m. Abb. u. Taf. 8". Forschungsstelle an der Friedrich-Alexander-Universität
Vf. möchte mit seinem neuen reformationsgeschichtlichen zu Erlangen-Nürnberg bearbeitet. Nieuwkoop: B- de
Werk auf diejenigen eingehen, die sonst bei einer Darstel- Graaf 1971. XXIII, 243 S. m. 58 Taf. gr. 8°.
lung des 16. Jh.s zu wenig Beachtung finden und doch etwa Das Bemühen um die literarische Hinterlassenschaft el"
die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, auf die Frauen. nes der Outsiders der Reformationsgeschichte ist in Bayern
Charmanterweise widmete er sein Werk über „Frauen der in diesen Jahren besonders rege. Seit etwa 1969 läuft der
Reformationszeit in Deutschland und Italien" den fünf Plan, sämtliche Werke Andreas Oslanders, des Reforrna-
Schwiegermüttern seiner Kinder. tors von Nürnberg, herauszugeben. Es wird mit etwa aen'
Genausowenig, wie in dem damaligen Bestseller „Here I Bänden gerechnet. Gottfried Seebaß hat dazu bereits gestand
" das Leben Luthers isoliert von der Zeit dargestellt sentliche Vorarbeiten geleistet. Im Rahmen seiner Disser
ist, stehen hier die Frauen aus dem 16. Jh. im luftleeren tation (1965) legte er 1967 einen Forschungsbericht, ein
Raum. Im Gegenteil, vor unseren Augen wird das politische, Verzeichnis der Werke Oslanders mit Erläuterungen un
kulturelle und das den Verfasser besonders interessierende Studien über historische und sachliche Zusammenhänge ■
soziale Leben der Zeit entfaltet. Dabei hat Bainton nicht bezug auf die Quellen vor (s. dazu die Rezension in TnL
etwa aus der Not eine Tugend gemacht und mit dem zeit- 1969, Sp. 682f).

geschichtlichen Rahmen die großen Lücken ausgefüllt, die Die jetzt von Seebaß bearbeitete Bibliographie geht einen

die Quellen in bezug auf Frauenschicksale des 16. Jh.s of- weiteren Schritt auf die große wissenschaftliche Aufgabe zu.

fenlassen. Vielmehr liegt ihm offensichtlich daran, ein Ge- Das weit verstreute Material ist gewissenhaft festgestel

mälde der Zeit zu geben, in dem Einzelheiten ausführlich und verzeichnet worden. Die Quellensituation im 16. Jahr

behandelt, aber auch die vielfältige Verflochtenheit der hundert macht es auch in diesem Zusammenhang unme-g