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Ausgabe:

1972

Spalte:

664-666

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Aland, Kurt

Titel/Untertitel:

Taufe und Kindertaufe 1972

Rezensent:

Forck, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 9

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Die Aufgabe bleibt... streng darauf bezogen, einen Beitrag
zum Verständnis des Neuen Testaments zu leisten" (S. 6).
Entsprechend dieser Aufgabenstellung wird am Schluß jedes
einzelnen Unterabschnitts die Relevanz des behandelten
Stoffes für das Neue Testament deutlich gemacht. Da sich
das Buch an einen weiteren Leserkreis wendet, ist es bewußt
in leicht verständlicher Form geschrieben — unter Verzicht
auf Anmerkungen. Ein Literaturverzeichnis am Schluß (S.
207—213) weist auf die wichtigste Spezialliteratur zu den
einzelnen Abschnitten und auf die gängigen Textausgaben
und die deutschen Übersetzungen hin, eine Zeittafel (S. 214
bis 216) gewährt eine gute Übersicht, während die Namens-,
Sach- und Stellenregister (S. 217—221), die beiden Karten
und die beiden Stammbäume der Hasmonäcr und des Hero-
des (Anhang) die Benutzung und das Verstehen der Darstellung
erleichtern. Der Aufbau des Buches entspricht dem üblichen
, sachlich wohlbegründeten Schema: Im ersten Teil
kommt das Judentum in der Zeit des Neuen Testaments zur
Sprache (S. 7—144), in einem zweiten, wesentlich kürzeren
Teil wird die hellenistisch-römische Umwelt des Neuen Testaments
behandelt (S. 145—205), an den ein knapper Schlufj
(S. 205—206) angehängt ist.

Der 1. Teil beginnt mit der politischen Geschichte des Judentums
in der hellenistischen Zeit und schildert knapp und
zutreffend die Entwicklung vom babylonischen Exil bis zum
Bar-Kochba-Aufstand (S. 7—36). Allerdings fällt auf, daß L.
oft unkritisch dem Josephus folgt (vgl. seine Schilderung der
Zeloten S. 31—34 und seine Überschätzung des Einflusses
der Pharisäer S. 26) und die Problematik der zeitlichen An-
setzung Jesu zu wenig erkennen läßt (vgl. S. 26.28). Der
Abschnitt über die „religiösen Bewegungen und geistigen
Strömungen im Judentum zur Zeit des Neuen Testaments"
(S. 37—105) ist der umfangreichste des ganzen Buches. An
erster Stelle steht hier die Apokalyptik, deren „dualistische
Grundstruktur" als Folge einer Verbindung iranischer Vorstellungen
mit dem jüdischen Bekenntnis zum Gott Israels
als dem Herrn der Welt erklärt wird (vgl. S. 43). Eine apokalyptische
Beeinflussung Jesu und des Urchristentums
gibt L. zu, sieht aber den grundlegenden Unterschied zur
Apokalyptik bei Jesus in dessen Freiheit von jeglicher Gesetzlichkeit
und beim Urchristentum in dessen Umprägung
apokalyptischer Vorstellungen durch die Christologie. Daß
das rabbinische Judentum die apokalyptischen Bücher nur
aus dem Grund abgestoßen haben soll, „um sich von den
Christen klar abgrenzen zu können" (S. 45), dürfte doch wohl
zu einseitig gesehen sein. Erst nach der Darlegung der
„Grundstruktur der Apokalyptik" geht L. auf „das apokalyptische
Schrifttum" ein (S. 45—51) — eine Anordnung, die
nicht recht überzeugen will; denn die literarische Frage
sollte doch wohl der systematischen vorangehen, zumal im
Blick auf erstere der Konsens der Forschung sehr viel grösser
ist als im Blick auf letztere. Den Zielpunkt der apokalyptischen
Schriften erblickt L. in der „Ermahnung der frommen
Gemeinde und dem Anruf zu treuem Beharren" (S. 51). Ein
weiterer Unterabschnitt befaßt sich mit „Gruppen und Gemeinschaften
im palästinischen Judentum" (S. 51—86). Bezeichnend
für L.s Einschätzung der Gruppen ist der Umfang
der Einzeldarstellungen: für die Zeloten wird 1 Seite, für die
Sadduzäer werden 2 1/2 Seiten, für die Pharisäer 5 Seiten,
für die Essener 3 Seiten und für die als essenisch angesehene
Gemeinde von Ctumran 20 Seiten benötigt, wozu noch die
halbe Seite über die „als ein Seitenzweig der essenischen Bewegung
" bezeichneten Therapeuten zu rechnen ist. Dadurch
wird der Eindruck erweckt, den Essenern käme die größte
Bedeutung für das Verständnis des Neuen Testaments zu.
Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daß bei der
Schilderung der Zeloten, Sadduzäer und Pharisäer nur mit
wenigen Sätzen die Bedeutung dieser Gruppen für das Neue
Testament angedeutet wird, während ein selbständiger Unterabschnitt
auf „die Texte aus Ctumran und das Neue Testament
" (S. 79—82) eingeht. Der Abschnitt über die Gemeinde

von Ctumran informiert zwar ausgezeichnet über die mit den
Handschriftenfunden am Toten Meer verbundenen Fragen
und Probleme, aber er ist im Verhältnis zu den anderen Abschnitten
zu breit geraten und enthält zu viele und zu lange
Zitate. Unbefriedigend wirkt demgegenüber die recht dürftige
und die Problematik dieser Gruppe nicht berücksichtigende
Darstellung der Zeloten. In dem Pharisäerabschnitt
vermißt man vor allem eine kritische Sicht der neutesta-
mentlichen Pharisäeraussagen; denn ein Satz wie folgender:
„Die Pharisäer beschlossen, gegen Jesus vorzugehen, weil
er das Gesetz übertrat, und ihn zu beseitigen" (S. 57), dürfte
kaum den historischen Tatbestand zutreffend wiedergeben.
Die in dem Pharisäerabschnitt nicht berücksichtigten Schulen
tauchen in dem Abschnitt über die Schriftgelehrten (S. 82
bis 86) auf. In dem Unterabschnitt: „Das Judentum in der
Diaspora" (S. 86—105) erläutert L. den Unterschied zum Judentum
Palästinas besonders an Hand des 4. Makkabäer-
buches. Nur sehr kurz und schematisch geht L. auf die Sep-
tuaginta (S. 92-96), Philo (S. 97-101) und Josephus (S. 101
bis 105) ein. Ein weiterer Abschnitt ist dem jüdischen Leben
und Glauben gewidmet (S. 106—144), wobei L. in erstaunlicher
Kürze einen guten Einblick in die sozialen Verhältnisse
, den Tempelkult mit den großen Festen, die Synagoge
mit ihrem Gottesdienst, in die Kanonsbildung, die Entstehung
des Talmud und in der Theologie und Eschatologic des
Judentums gibt.

Der sich mit der hellenistisch-römischen Umwelt des Neuen
Testaments befassende 2. Teil ist noch straffer und knapper
gehalten, indem nur das zum Verständnis des Neuen
Testaments unbedingt Erforderlich aus diesem Bereich gebracht
wird. Die von L. getroffene Auswahl aus der Fülle
des Materials ist gut. Allerdings wäre man manchmal für
Zeitangaben hinsichtlich des Aufkommens bestimmter Bräuche
(z. B. der Taurobolien, S. 177) dankbar gewesen. Die relativ
ausführlichste Darstellung hat in diesem 2. Teil die
Gnosis gefunden (S. 187—205), deren wesentliches Kennzeichen
L. in einem dualistischen Daseinsverständnis sieht. Der
vorchristliche Ursprung dieser Bewegung wird anerkannt,
jedoch zur Behutsamkeit gemahnt, „weil es nur sehr wenige
literarische Zeugnisse vorchristlicher Gnosis gibt und deshalb
ihre Anfänge nur mit größter Vorsicht erschlossen bzw.
rekonstruiert werden können" (S. 188). Der Unterschied
zwischen Mysterienreligionen und Gnosis wird im Anschluß
an Hegermann formuliert. Ein Unterabschnitt geht auf das
Corpus Hermeticum „als Zeugnis vorchristlicher Gnosis"
(S. 194—198) ein, wobei allerdings zu fragen ist, ob der 13-
Traktat nicht stärker auf die Mysterienreligionen als auf die
Gnosis, wie L. es einseitig annimmt, weist. Die Aufnahme
gnostischer Motive im Neuen Testament gibt L. zu, hebt
aber zugleich die Unterschiede zwischen beiden deutlich
hervor. In dem kurzen Schlußteil (S. 205f) kommt L. an
Hand von 1. Kor l,22f zu dem Ergebnis, daß es „für die
Menschen der alten Welt um nichts leichter war als für die
Menschen unserer Tage, die Botschaft vom gekreuzigten
Christus als die Wahrheit anzunehmen" (S. 206).

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß L. ein gut lesbares,
knapp und zuverlässig informierendes und besonders für
den Nichttheologen außerordentlich nützliches Buch geschaffen
hat.

Berlin Günther Baumbach

Aland, Kurt: Taufe und Kindertaufe. 40 Sätze zur Aussage
des Neuen Testaments und dem historischen Befund, zur
modernen Debatte darüber und den Folgerungen daraus
für die kirchliche Praxis — zugleich eine Auseinandersetzung
mit Karl Barths Lehre von der Taufe. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn (1971). 87 S. 8".
Kart. DM 12,80.

Die Stärke des vorliegenden Buches liegt in den Bemerkungen
zur Aussage des Neuen Testaments und dem histo-