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Ausgabe:

1972

Spalte:

660-661

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Hruby, Kurt

Titel/Untertitel:

Die Synagoge 1972

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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659

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 9

660

Stadt Makedoniens hat. 66: Wer ist Ptolemäus Fisco? Ist der
Spitzname Physkon gemeint? 127: Daß das Partherheer „gewöhnlich
nur aus Sklaven bestand", stammt aus einer mißverstandenen
Trogus-Notiz. 145: Soll wohl Taurus heißen?
150: Hier handelt es sich vielmehr um einen ganz allgemeinen
Topos, der vielleicht auf Polybios zurückgeht, jedenfalls
von ihm abhängig ist. 182: Agrippa als „großen Feldherrn
und Freund der Wissenschaft (!)" zu rubrizieren, ist
doch reichlich naiv. — Buch 2 Anm. 54: Was bei dieser Reihe
von Appositionen an semitische Nominalsätze erinnern soll,
weiß ich nicht. 2111 Wie läßt sich der Satz beweisen, die
Verleihung des römischen Bürgerrechts habe für die Juden
die Erlaubnis enthalten, sich Makedonen zu nennen? Meinen
die Herausgeber, die Juden hätten sich in Alexandria
in das Koinon der Makedonen einschreiben dürfen? Oder
was sonst? Das Ganze erscheint mir unmöglich, es handelt
sich wohl um eine der üblichen Tendenzfälschungcn. Buch 3
Anm. 7 u. ö.: Die Tyche gehört seit Polybios zum notwendigen
Requisit der Historiker, darf also auch bei Jos. nicht
anders angesehen werden. — Die gesamte Kommentierung
der Belagerung von Iotapata nimmt zu wenig Rücksicht darauf
, daß Jos. auf weite Strecken nur Poliorketika ausschreibt.
Es wäre eine schöne Aufgabe einer Dissertation, festzustellen
, welche. Dabei würde sich auch für die anderen Belagerungsschilderungen
des Jos. noch manches Wertvolle ergeben
. Buch 4 Anm. 7: C. Licinius Mucanus brauchte doch den
Einfluß des Titus nicht. 32: Die „allgemeine Freiheit" ist bestimmt
keine griech. Wiedergabe einer semitischen Genitivverbindung
, sondern ganz normales Griechisch; die Sache
selbst stammt wieder aus Polybios. 40: Das negative Urteil
über den Bauern ist nicht charakteristisch für „hellenistisches
Empfinden". Bukolika und Georgika oder die Rolle des
Bauern im Epigramm und in der neuen Komödie hätten
vor solchen falschen und summarischen Urteilen warnen
sollen. — Überhaupt ist der unpräzise Gebrauch von „hellenistisch
" zu bedauern. Die „hellenistischen" Bauten von Anm.
150 sind in Wirklichkeit römisch, die hellenistische „Rhetorik
" in Wirklichkeit Novellistik usw. 221: Domitian ist kaum
in Priesterkleidung geflohen — er war gar kein Isispriester
—, sondern hat sich unter einer tönernen Anubismaske
versteckt. Buch 5 Anm. 20: Caesar ist keine Erfindung des
Jos., sondern die offizielle Bezeichnung des Thronfolgers im
Unterschied zum Augustus. 23: Teichee bezeichnet nicht „drei
Mauern" oder „eine Gegenfestung", sondern drei befestigte
Lager (vgl. Hdt. 3,14,91). 64: „Spontane Tötung durch das
Volk" hätten die Römer niemals genehmigt. Zum mindesten
hätte die Tempelpolizei eingeschaltet werden müssen. 82:
Der „Raub" des Leuchters ist eine Tendenzlüge des 1. Makk.
182: Die Stellen sind zu willkürlich ausgewählt. Zum mindesten
hätte dann die bekannte Xen. Ephes.-Schilderung genannt
werden müssen. Buch 6 Anm. 13: Neupythagoreisch
stimmt nicht. Das Ganze ist mittelplatonisch-stoisch, sicher
nicht ohne Poseidonios entstanden. 67: Kaum stoische Sympathielehre
, sondern Tituspropaganda. 86: athemitos ist doch
nicht hellenistisch, sondern seit den Kyklopen der Odyssee
beste griechische Redeweise. 91: Was heißt hier „hellenistische
Funktion"? Buch 7 Anm. 32: Keine hellenistische Agora
liegt im Zentrum der Stadt, Axialsymmetrie ist römisch. 38:
Der Akklamationsbegriff ist unscharf. „Einfache" Akklamation
und Rechtsakt müssen unterschieden werden. 175 versetzt
anscheinend das Philopappos-Crabmal nach Rom. Es
steht aber in Athen. — Die Eleasarreden enthalten nichts als
stoisches Allgemeingut. Warum das chokmatisch sein soll,
ist unbegreiflich. Von einem Chokmatismus der Seelenrede
zu sprechen, ist völlig abwegig, das Ganze ist mittelplato-
nisch-poseidonianisch. Mit dem abgegriffenen, noch dazu
sehr problematisch ergänzten Euripideszitat hat die Rede
überhaupt nichts zu tun (Anm. 169.177). 183: Metropolis
heißt kaum genetisch Mutterstadt, sondern ist Titel der Kultmittelpunkte
, also Kultmittelpunkt des gesamten Judentums.
219f: Die Polemik gegen Hölscher ist nicht gerechtfertigt.

Das sind nur einige Beispiele. Sie sollen aber keineswegs
den großen Fleiß der Herausgeber in irgendeiner Weise verkleinern
.

4. Im letzten Band wird die viel zu knappe historisch-literarische
Einleitung des ersten Bandes ergänzt, vor allem
das bereits in der früheren Besprechung mit Verwunderung
bemerkte Verschweigen Schlatters aufgehoben. Leider vermißt
man wenigstens eine Erwähnung der von Hans Petersen
, Litcrary prospects of Josephus (Am.Journ.Phil. 79, 1958
S. 259—274) am schärfsten gesehenen literarhistorischen Probleme
, die für die gesamte Josephusforschung entscheidend
sind. Umfangreiche von T. Hirth bearbeitete deutsche Register
und eine Kartenskizze der von Josephus genannten
Orte in Palästina tragen zur Brauchbarkeit der Ausgabe
nicht unwesentlich bei.

Speyer a. Rh. Carl Schneider

Hruby, Kurt: Die Synagoge. Geschichtliche Entwicklung einer
Institution. Zürich: Theologischer Verlag (1971). 117 S.
8" = Schriften zur Judentumskunde, hrsg. im Auftrag der
Schweizer Evang. Judenmission von K. Hruby u. L. Schäp-
pi, 3. sfr. 16,80.

In enger Verbindung mit der Zeitschrift Judaica, die sich
unter Leitung von Lic. Robert Brunner in mehr als 25 Jahren
als Forum der Begegnung zwischen christlicher Theologie
und jüdischer Geisteswelt große Verdienste erworben hat,
erscheint seit kurzem eine neue Buchreihe, Schriften zur
Judentumskunde. Erstmalig stellt sich in ihr der neue Herausgeber
von Zeitschrift und Reihe, Prof. Kurt Hruby, einem
größeren Publikum im deutschsprachigen Raum vor. Er behandelt
die Geschichte der Synagoge als Institution unter
weitgehendem Verzicht auf die synagogale Liturgie, die einer
eigenen Darstellung vorbehalten ist.

Ein kurzer Abriß, der über die Anfänge und die nachcxili-
sche Entwicklung informiert (S. 9—19), weist auf zwei Erscheinungen
hin, in denen der Vf. die Wurzeln der synagogalcn
Versammlungen sieht: die Liturgie der öffentlichen Fasttage
und die die Tätigkeit der Standmannschaften im Tempel
(ma'amadot) begleitenden gottesdienstlichen Zusammenkünfte
außerhalb Jerusalems. Bei entschiedener Glcichset-
zung von Synagoge und Proseuche wendet er sich gegen die
Annahme einer ursprünglichen Symbiose von Bethaus und
Lehrhaus. Besonders lehrreich ist in diesem Zusammenhang
der dargebotene Überblick über die verschiedenen neueren
Theorien zur Entstehung der Synagoge und die in hebräischaramäischen
und griechischen Quellen verwendeten Termini
zu ihrer Bezeichnung (S. 19—26)'.

Für den Autor als gründlichen Kenner von Mischna und
Talmud lag es nahe, sich auch bei den Ausführungen über
Bestimmung, Orientierung, Lage und Innenausstattung der
Synagoge (S. 27—46) von den literarischen Zeugnissen führen
zu lassen. Ein abgerundetes Bild ist jedoch wohl erst zu gewinnen
, wenn auch die archäologische Forschung von S.
Krauß über Sukenik bis A. S. Hiram herangezogen wird.
Auch die kurzen Abschnitte über die Synagogenbeamten
(S. 46—49) und die Beteiligung der Frauen (S. 50—55) wären
durch Berücksichtigung des in CIJ I. II. gesammelten in"
schriftlichen Materials um wichtige Elemente bereichert
worden. Dem einführenden Zweck des Buches hätte es entsprochen
, wenn die für die synagogale Versammlung konstitutive
Vorschrift des Minjan ausführlicher behandelt und
nicht nur am Rande erwähnt (vgl. S. 76 unter Bezugnahme
auf b.Ber. 74b) worden wäre. Daß die Bedeutung der Synagogeninstitution
(S. 56—66) vorwiegend unter dem Aspekt
des NT und der frühchristlichen Misionsgeschichte gesehen
wird, mag sich aus der besonderen Zielsetzung der Publikation
erklären.

Wo die Synagoge, wie es hier geschieht, primär als kultische
Einrichtung betrachtet wird, stellt sich die Frage nach