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Ausgabe:

1972

Spalte:

653-656

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Crenshaw, James Lee

Titel/Untertitel:

Prophetic conflict 1972

Rezensent:

Bič, Miloš

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 9

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auch nur wenige der dort aufbrechenden wichtigen theologi- berechtigt ist bzw. durch welche Merkmale sich beide Crup-

schen Probleme kennt, fragt sich sofort, wie der Vf. hier pen untereinander unterscheiden. Kann man überhaupt von

verfahren will und kann. Die Einleitung skizziert (zu) zwei Prophetentypen reden? Konnte nicht gelegentlich ein

knapp die frömmigkeitsgeschichtliche Lage der Zeit des Prophet Jahwes zum Lügenpropheten werden und umge-

Exüs und des Neuanfangs danach, nennt einige literarische kehrt (14)? Wußte er selbst, worum es in seiner Botschaft

Fragen und geht auf die politischen Verhältnisse in Palä- ging? Die Worte eines Jona gegen Nimve gingen nicht in

stina vor und nach dem Exil ein. Dann folgt die Auslegung Erfüllung, und doch kann man ihn nicht als Lugenpropne-

der einzelnen Kapitel unter den zusammenfassenden Über- ten bezeichnen.

Schriften „Heimkehr Israels und Tempelbau" (Esra 1-6), Crenshaw bemüht sich, in diese Problematik ein wenig
»Das Wirken des Priesters Esra" (Esra 7-10 und Nehemia Licht zu bringen. Sein Buch ist nicht zu umfangreich, bietet
8-10), „Das Wirken Nehemias" (Nehemia 1-7,5 und 11-13). auch keine staunenerregenden Entdeckungen, aber es ist
Esra 1 wird dabei z B auf gut zwei. Esra 3 auf einer Druck- solid fundiert und weist eine hervorragende Literaturseite
verhandelt. Am Ende des Bandes findet man dann noch kenntnis auf. Nach XIV Seiten Vorwort-Inhalt-Abkurzun-
Betrachtungen über die Gebetsrufe Nehemias im Zusam- gen folgen 111 Seiten des eigentlichen Textes dazu S 112
Anhang alttestamentlichen Betens und im Licht des Neuen bis 123 zwei ausführliche Exkurse über falsche Prophetie
Testaments, über Esra und Nehemia im späteren Urteil (ge- im neutestamentlichen Zeitalter und über das Problem der
meint ist vor allem in Jesus Sirach und 4. Esra) und über Autorität in der Weisheits- und prophetischen Literatur Die
die Botschaft der Bücher Esra und Nehemia. Dergleichen reichlichen Fußnoten enthalten eine Fülle an Belegmaterial
Weiterführen wollende Betrachtungen sind der Reihe meist und gute Diskussionsbeiträge. Lobenswert ist die am Ende
eigen des Buches hinzugefügte Bibliographie in Auswahl und die
Die Auslegung versucht zunächst die Texte historisch auf- drei Register (Autoren - Bibelstellen - Hebräische Wörter),
^schlüsseln indem der Leser über die Hintergründe, Mo- Ein solcher Anhang sollte bei keiner wissenschaftlichen Ar-
Üve, den Verlauf die Probleme der damaligen Ereignisse beit fehlen. - Versehentlich kommen im Text Ungenauig-
knapp informiert wird. Historische Schwierigkeiten, For- keiten vor: z. B. ist Jer 19,21-23 statt 29,21-23 zu lesen
schungsprobleme werden jeweils (wenn überhaupt) nur (S. 95 und Register). Störender wirkt, daß in den Zitationen
k«rz genannt und meist harmonisierend und etwas apolo- die Verse nicht nach der Numerierung der B.bha hebraica,
Setisch gemeistert. Nicht selten wird die Auslegung morali- sondern der englischen Bibel angegeben werden. z_ B. Gen
sierend (etwa S. 29; 59; 82), auch unnötig wertend (etwa 32,24-30 statt 32,25-31 (78) oder Hos1213 statt 12.14 (93)
S- 60 „ergreifend" oder S. 137 über die größere „Leuchtkraft" während bei der zitierten Literatur z. B. Halpcrn Hos 2 1-3
Nehemias gegenüber der Esras usw.). Christusbezogene Aus- nach der Numerierung in der BH angeführt ist (21, Anm.
sagen wirken angehängt (S. 42 und 140). Daß theologisch 65).

nicht tief genug gefragt wird bzw. werden kann, zeigt sich Die eigentliche Abhandlung ist in fünf Kapitel aufgelegt

besonders an zwei Stellen, einmal bei der Bewertung der die in je zwei Unterteile sich Wolter gliedern, I. The Unfold-

Mischehenfrage (S. 64-66) und vor allem bei der ungenü- ing Drama of Research (5-22), II. The Cnsis of Faith 23

Senden Einordnung der Gesamtauslegung in die theologi- bis 38) III Prophecy's Inability to Face the Challenge (39

sehe Problematik der nachexilischen Gemeinde überhaupt, bis 61), IV. The Inevitabihty of False Prophecy (62-90),

deren Crundproblemc dem Leser zu wenig aufgeschlossen, V. Israel Sceks a Solution (91-109).

deren Spannungen in ihrem Ursprung und Wesen dem Leser I. Im ersten Kapitel versucht der Vf. den Verlauf der bis-
"icht genügend deutlich gemacht werden (können). Die so herigen Forschung aufzuzeichnen, indem er zunächst über
wesentlichen und auch (nicht nur historisch!) interessanten die Prophetie allgemein und dann über die .falsche' Proben
nach dem Selbstverständnis der nachexilischen Ge- phetie speziell berichtet. Ungezählte Forscher werden na-
meinde nach den verschiedenen theologischen Strömungen mentlich angeführt und ihre Theorien über die Propheten
>n ihr. nach deren Wurzeln und Auswirkungen usw. kommen als Menschen sowie über ihre Botschaft kurz besprochen,
kaum in den Blick Schließlich bleibt auch unklar und unge- Drei Etappen lassen sich da unterscheiden: für die Zeit vor
klärt, warum der Untertitel des Buchs von Esra und Nehe- Wellhausen waren die Propheten vor allem Verkundiger
mia als von „Propheten" spricht. des Gesetzes, ab Wellhausen Genien der Menschheit, die die

Als störende Druckfehler fielen auf: S. 49 lies „Sofer" (lei- Religion durch ihre neuen Ideen bereicherten, und ungefähr

d«r auch unübersetzt) statt „sofern"; S. 77 Mitte muß es seit dem zweiten Weltkrieg werden die Propheten vor al-

wohl „könnte" statt „konnte" heißen. lem auf Initiative von angelsachsischen und skandinavi-

Viele der hier genannten Desiderata hätten in einer weni- sehen Gelehrten m engere Verbindung mit dem Kultus ge-
9er knappen Auslegung zumindest angesprochen werden bracht. Diese Aufteilung ist begreiflicherweise zu schemakönnen
. Daß zu summarisch verfahren und wirklich nicht tisch, um der Mannigfaltigkeit der wissenschaftlichen Theoausreichend
erklärt" wird, ist leider der Hauptfehler dieses rien gerecht zu werden

an sich so notwendigen Buchs. Mit der Auffassung der Propheten hängt auch die Auf-
G.. . Horst Dietrich Preuß fassung ihrer Botschaft zusammen. Die Meinungsverschiedenheit
der Forscher ist da nicht geringer. Darum ist auch
die Frage nach der Eigenart der .Lügenpropheten' so gut
wie unlösbar. Liegt der Anlaß zur verkündigten Unwahr-
Crertshaw, James L.: Prophetie Conflict. Its Effect Upon heit beim Menschen oder bei Gott? Nach welchem Maßstab
Tsraelite Religion. Berlin—New York: de Gruyter (1971). sollte man die Wahrhaftigkeit erkennen? War ein Heils-
XIV, 134 s. gr. 8° = Beiheft zur Zeitschrift für die alt- prophet unbedingt schon ein Lügenprophet? Nur diese we-
testamentliche Wissenschaft, hrsg. v. Georg Fohrer, 124. nigen Fragen seien als Beispiele angeführt.
Lw. DM 54,—. II. Der Volksglaube entsprach weitgehend dem, was eben
Während das Hebräische für alle Kategorien von Prophe- Lügenpropheten zu verkündigen pflegten. Das will jedoch
fen nur eine gemeinsame Bezeichnung näbi' hat, unterschei- nicht besagen, daß gegebenenfalls auch die wahren Prophe-
det die Septuaginta in zehn Fällen (9 x in Jer, 1 x in Sach) ten Jahwes nicht dieselben Hoffnungen haben konnten. Als
unter ihnen gewisse pseudoprophetai. In anderen Ausgangspunkt ist das Vertrauen auf Gottes Treue anzufallen
prangert sie zwar das Verhalten bestimmter Prophe- nehmen. Sein Gericht kann nur die Feinde treffen, den Seiten
als lügnerisch an, ohne sie jedoch als ,Lügenpropheten' nen kommt er in Not zur Hilfe. Wer etwas anderes verkün-
^ bezeichnen. Das führt notwendigerweise zur Frage, ob digt, wird zum Schweigen gebracht. Wenn dann aber wirkliche
Trennung in ,wahre' Propheten und ,Lügenpropheten' che Niederlagen eintreffen, verfällt das Volk einer Mutlosig-