Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1972

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

637

Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 8

638

Klein, Günter: Predigten. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn [1971]. 148 S. 8°. Kart. DM 12,80.

Die vorliegenden Predigten sind nach dem Vorwort des
t- mich deshalb veröffentlicht worden, um der „Denunziation
" Rudolf Bohrens (in: Predigt und Gemeinde S.86)
eme erneute Abfuhr zu erteilen, daß nämlich die Neu-
»estamentler mit ihrer existentialen Interpretation zum
mindestens sehr zurückhaltend seien, mit ihren Predigten
das Licht einer weiteren Öffentlichkeit zu suchen, was auf
mangelnde Nötigung zur Predigt bei ihnen schließen lasse
(S.9).

Kl. weist in seinen Predigten entsprechend nach, daß
die historisch-kritische Methode den Text keineswegs „beerdigt
", wie Bohren das in seinem genannten Buch (S.93)
behauptet hatte, sondern im Gegenteil der Predigt zu
ihrer besonderen Aktualität helfen kann. Er tut das gelegentlich
so, daß er direkt auf den Beitrag der historisch-
Kritischen Forsch ung zum Verständnis eines Wortes oder
Textzusammenhangs verweist (so z. B. S.64, 90, 110, 134),
und durchgängig so, daß auch den Nichttheologen unter
den Lesern der indirekte Riickbezug auf die Forschung
deutlich wird.

Kl. ist dabei bemüht, seine Hörer und Leser aus einer
Frontstellung herauszuführen, die in der Übernahme oder
Ablehnung des biblischen Weltbildes verursacht ist. So
sagt er einmal zu der in verschiedenen Predigten aufgegriffenen
Wunderfrage nach einer überzeugenden Auslegung
des Textes: „Das bedeutet für uns: die Auseinandersetzung
um die Wunderfrage schleunigst zu beenden
. In diesem Streit haben beide unrecht: die Verfechter
des Wunders und die Bestreiter. Ihr gemeinsamer
Uttum liegt darin, daß sie die Streitfrage überhaupt für
wichtig halten. Sie ist aber völlig belanglos. Denn es
handelt sich um eine reine Frage der Weltanschauung.
W us für eine Weltanschauung einer hat, interessiert Jesus
aber nicht. Man kann mit der traditionellen Weltanschauung
, die Wunder für möglich hält, Jesus ganz fern
stehen und mit aufgeklärter Weltanschauung, die Wunder
nicht für möglich hält, ihm nahe sein - natürlich auch
umgekehrt. Jemand, der Wunder für möglich hält, hat es
im Glauben nicht einen Deut leichter als der andere, der
sie nicht für möglich hält" (S.128).

An anderer Stelle greift er die hitzige Debatte um die
Himmelfahrt Christi auf, in der „mit Eifer" von Christus
geredet wird, „ohne zugleich von uns zu reden", und legt
m Auslegung von Kolosser 3,1-4 dar: „Unser Text macht
von Himmelfahrt einen völlig anderen Gebrauch: ,Wenn
ihr nun mit Christus auferweckt seid, so suchet, was droben
ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes!' Hier ist
vom zum Himmel Erhöhen die Rede aus keinem anderen
Grunde, als weil vom Glauben die Rede sein soll. Darum
spielt die eigentliche Fahrt in den Himmel nicht die geringste
Rolle. Nicht die Auffahrt, die als solche ja nicht
ohne weiteres mit den Menschen zu tun hat, ist wichtig,
sondern ihr Ergebnis, Christi gegenwärtige machtvolle
Stellung zu Gottes Seiten, die sehr viel mit dem Menschen
zu tun hat" (S.100). Er folgert dann aus der Tatsache,
daß der Text seine Bilder und Vorstellungen „souverän"
aus verschiedenen Weltbildern der Spätantike nimmt (vgl.
8.101): „Wir können uns also nicht mehr darauf hinausreden
, daß unser Weltbild uns am Glauben hindert. Glaube
, auch Glaube an die Himmelfahrt Christi, ist keine
Frage des Weltbildes. Noch ehe moderne Theologen darangingen
, das Neue Testament zu entmythologisieren,
war das Urchristentum selbst dabei, die Selbstgenügsamkeit
des Mythos zu stören, geschlossene Weltbilder
aufzubrechen und Unruhe in alle geistigen Heimaten zu
tragen, die von ererbter Sprache gestiftet waren. Wer die
christliche Botschaft, und sei es die Botschaft der Himmelfahrt
, in Angriff oder Verteidigung als Problem des

Weltbildes verhandelt, der mag eine Attraktion sein für
Podiumsdiskussionen und Kamingespräehe- gemessen am
Neuen Testament ist er hoffnungslos veraltet" (S. 102).
Nicht ganz so überzeugend ist dem Vf. der Abbau der
Frontstellungen in der Frage der Enderwartung gelungen.
In dieser Frage ist er selber zu sehr Partei. Zwar möchte
er das „Der Herr ist nahe" von Philipper 4,5 als unauf-
gebbar festhalten, aber der „Einbruch des Herrn" geschieht
nach Kl. ganz offensichtlich nur in der uns tröstenden
und ermutigenden Begegnung mit seinem Wort (vgl.
S.24ff.). So erläutert Kl. in einer Predigt über Matthäus
10,34-39: ,,,Wer nicht sein Kreuz nimmt und mir nachfolgert
, ist meiner nicht wert' - diesem Wort gehorsam,
erwartet man das Heil von keinem Menschen - nicht in
der Gegenwart und nicht in der Zukunft—, ja, man erwartet
es eigentlich überhaupt nicht mehr, weil es
nämlich schon beschafft ist und sich durchsetzt in der
Zusage: Dir sind deine Sünden vergeben!" (S. 139). Und an
anderer Stelle kann er die neue Welt gegen „Hinterwäldler
und Fortschrittsfanatiker, Orthodoxie und Utopie
" als „längst bereitetes Werk Gottes" bezeichnen
(S. 148). Man wird fragen dürfen, ob bei dieser Auslegung
neutestamentlicher Eschatologie die Erwägungen von
Ernst Käsemann genügend bedacht sind, die er in seinem
Aufsatz „Zum Thema der urchristlichen Apokalyptik"
veröffentlicht hat. An das Ergebnis dieser Überlegungen
sei liier noch einmal erinnert: „Präsentische Eschatologie
allein und nicht von der futuristischen umfangen - das
wäre auch beim Christen nichts anderes als die Hybris des
Fleisches, wäre Illusion und nicht Realität. Gerade die
Apokalyptik des Apostels (Paulus) gibt der Wirklichkeit,
was ihr gebührt, und widersteht der frommen Illusion.
Christliche Gemeinde hat die Realität der Kindschaft
nur in der Freiheit der Angefochtenen, welche auf die
Auferstehung der Toten als die Wahrheit und Vollendung
des regnum Christi vorausweist" (Exegetische Versuche
und Besinnungen. Zweiter Band. S. 130).

Abgesehen von diesen zuletzt genannten Bedenken
bieten die Predigten von Klein viel Anregungen für ein
exegetisch besseres Verständnis der von ihm interpretierten
und bezeugten Texte und sind zugleich ein Beweis für
die Bedeutung sorgfältiger Exegese für eine aktuelle Verkündigung
. Man wird im Blick auf diese Predigten dankbar
sein können, daß die „Denunziation" Rudolf Bohrens
ein so positives Ergebnis gehabt hat, und ihm schon deshalb
seine Herausforderung an die Neutestamentier nicht
allzu sehr verargen.

Berlin Gottfried Forok

Angermeyer, Helmut: Selbstverständnis der Seelsorge heute

im Blick auf die Seelsorge an alten Menschen (Die Innere

Mission 62, 1972 S.3-13).
Behrends, Hanna: Der alte Mensch im Mittelpunkt. Gedanken

über Menschen und Einrichtungen in der Altenhilfe (Die

Innere Mission 62, 1972 S. 39-45).
Daur, Rudolf: Predigt über 1. Korinther 15,19-28 (Freies

Christentum 24, 1972 Sp. 49-54).
Delhaye, Philippe: Retrospective et proapective des ministeres

feminins dans l'ßglise. Reflexions ä propos d'une livre de

M. Gryson (Revue Theologique de Louvain 3, 1972 S.55 bis

75).

Gelke, Ursula: Die Seelsorge an psychisch Kranken - ein
Getto (Die Innere Mission 62, 1972 S. 19-24).

Hasselbach, Ulrich von: Eine Konfirmation, die sich verantworten
läßt (Freies Christentum 23, 1971 Sp. 150-156).

Heinrieh, Michel: Telefonseelsorge und Gruppenarbeit (Wege
zum Menschen 24, 1972 S.57-67).

Herzog, Frederick: Ein neuer Kirchenkonflikt in den USA?
Dem Andenken von Karl Barth (1886-1968) und Ernst
Wolf (1902-1971) (EvTh 32, 1972 S. 161-185).

Hissa, Pentii I.: Die Fortbildung der Mitarbeiter in der Evangelisch
-Lutherischen Kirche Finnlands (Innere Mission 61,
1971 S. 407-410).