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Ausgabe:

1972

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 8

618

gehalten wurden und um eine sachliche, von konfessionellen
Vorurteilen freie Klärung von Problemen der Dürer
-Forschung bemüht sind.

Der Herausgeber, Herbert Schade SJ, schrieb dazu eine
Einleitung unter dem Thema „Zwischen den Zeiten"
(S.9-16), die die Aktualität einer Beschäftigung mit
Dürer betont: „Die Sorge einer zum Problem gewordenen
Gegenwart erkannte im Werk und in der Persönlichkeit
Albrecht Dürers ein Modell, das den Umbruch der Geschichte
begreifbar machte und ihm Gestalt geben konnte"

Karl Bosls Beitrag „Gesellschaftliche Anpassung und
persönliches Engagement. Kirche, Welt, und Individuum
'm Reformationszeitalter [1420-1530]" (S. 17-37) zeigt
die Voraussetzungen, Möglichkeiten und Folgen der Reformation
in ihrem politischen, gesellschaftlichen und
kirchengeschichtlichen Kontext auf und sucht so ihrem
Anliegen gerecht zu werden.

Auf S. 38-55 analysiert Bernhard Rupprecht („Malerei
und Realität. Der Bildanspruch der Vor-Dürerzeit [1460
bis 1500]") an einigen hervorragenden Schöpfungen der
oberdeutschen Malerei des 15. Jh.s das Verhältnis von
Maturwiedergabe und ikonologischer Aussage. Er weist
nach, wie einerseits das erweiterte sinnliche Bewußtsein
auch die Malerei mitbestimmt, andererseits aber den heiligen
Gestalten eine eigene, nicht in den zeitgenössischen
Wirklichkeitsbezügen aufgehende Dimension einräumt.

Karl Adolf Knappe fragt nach „Tradition und Neu-
Bchöpfung im religiösen Werk Albrecht Dürers" (S.56 bis
83). Die christliche Bildtradition wird zwar beibehalten,
aber nicht mehr an der zentralen Aufgabe der Spätgotik,
dem Flügelaltar, orientiert, sondern vorzüglich in der
Druckgraphik entfaltet. Die Bevorzugung dieser Kunstgattung
und das neuartige Ausschöpfen ihrer Möglichkeiten
offenbaren den Kern von Dürers Kunstwollen,
den Knappe als durchgängigen „anthropozentrischen Ansatz
in Dürers Schaffen" bezeichnet.

„Die Bedeutung des Porträts bei Albrecht Dürer" behandelt
Peter Strieder (S.84-100). Ausgehend von den
Voraussetzungen des religiös orientierten spätmittelalterlichen
Stifterbiklnisses gelangt Dürer unter der Einwirkung
von Renaissance und Humanismus zum profanen
Bildnis, das dem Bedürfnis nach bleibendem irdischen
Ruhm des Individuums entspricht. Eine Schlüsselstellung
in dieser Entwicklung kommt dem Selbstbildnis von 1500
zu. Neue Einsichten in die mit Beischriften versehenen,
zum bleibenden Gedächtnis bestimmten Porträtholzschnitte
gewinnt Strieder durch Vergleiche mit der auf die
Antike zurückgehenden Denkmalauffassung der Renaissance
. „Die Bedeutung des gedruckten Bildes bei Albrecht
Dürer" ist Untersuchungsgegenstand von Hermann
Bauer (S. 101-122). Er fragt, wie es zu der überragenden
künstlerischen Bedeutung von Dürers Druckgraphik
kommt und erkennt sie darin, daß Dürer alle
Möglichkeiten des jeweiligen graphischen Mediums (Holzschnitt
, Eisenradierung, Kupferstich) ausschöpft und so
zu der der jeweiligen Technik entsprechenden künstlerischen
Gestaltung findet und damit die vollkommene
Deckung von Inhalt, Aussage und künstlerischem Mittel
erreicht.

Die Aufsatzsammlung schließt mit der Erörterung eines
Hauptproblems der Dürer-Forschung, der Frage nach dem
Verhältnis Dürers zur Reformation. Wolfgang Braunfels
(„Die reformatorische Bewegung im Spiegel von Dürers
Spätwerk", S. 123-143) schließt sich zunächst in der
Deutung der Quellen weitgehend den Ergebnissen von
H.Lutz an, „daß man drei Phasen in Dürers Verhältnis
zu der reformatorischen Bewegung unterscheiden müsse,
eine erste von 1518 bis Ende 1521, in der wir den Maler
ganz erfüllt von Luthers Lehren sehen, eine zweite, die die
Jahre 1522, 1523 und 1524 umfaßt, in der er sich als ein

Glied einer Bürgergemeinschaft empfindet, die im Begriff
ist, aus diesen Lehren auch die äußeren Konsequenzen
zu ziehen, und einem dritten Zeitraum seit Ende 1524 bis
zu seinem Tode im April 1528, in dem ein Befremdeu über
aufkeimende Mißstände, die die Reformation zur Folge
hat, ihm eine gewisse Zurückhaltung auferlegt" (S. 123f.).
Braunfels deutet behutsam die vorhandenen Quellen
(„Dürers Bekenntnisse", S. 124-130), wobei auch er nicht
um die Schwierigkeit herumkommt, daß es für die Zeit
1525/28 als persönliches Bekenntnis letztlich nur die
Unterschriften unter den Aposteltafeln gibt. Diese sind,
abgesehen von der Präambel, interpretationsbedürftige
Bibelstellen, die tatsächlich verschiedene Konkretisierungen
zulassen. Die eigentliche Absicht von Braunfels besteht
darin, nach Untersuchung der Texte nun auch das
Spätwerk Dürers nach der Bedeutung der Reformation
für den Künstler zu befragen. Als einhelliger Ausdruck
reformatorischer Haltung bleiben die auch als Holzschnitt
publizierte Abendmahlsdarstellung von 1523 (S. 132f.)
und die Gemälde der „Vier Apostel" von 1526. Was Braunfels
über diese Gemälde sagt, müßte m.E. auch den dazugehörigen
Texten gelten: „Sein Anliegen war ein zeitlos
Unbedingtes" (S.135, vgl dagegen S.i30). Abschließend
deutet Braunfels die „Vier Apostel" als letztes, nun von
der Reformation geprägtes Glied einer Reihe hervorragender
Kunstwerke (Sebaldusgrab von Peter Vischer, Kreuzwegstationen
von Adam Kraft, „Englischer Gruß" von
Veit Stoß), die in einer spezifisch nürnbergischen Laienfrömmigkeit
des 15. Jh.s wurzeln. Die Aposteltafeln sind
danach Ausdruck jener tiefen Frömmigkeit Albrecht
Dürers, die sich in der 1525 niedergeschriebenen Familienchronik
ausspricht.

Leipzig Hartmut Mai

Stylianos, Metropolitos Miletoypolis: Pori tö pröblema tes
didaktikes avthentfas en te Ekklesia (Kleronomia 2, 1970
S. 95-110).

Wagner, Georg: Der eine Bischof und sein Presbyterium in der
Sicht der Theologie des orthodoxen Ostens (Conoilium 8,
1972 S.9-13).

Walz, P. Angelus, O. P.: Dominikanische Leitbilder. Meitin-
gen-Freising: Kyrios-Verlag [1971]. 172 S. kl. 8°. Kart,
DM 14,—.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Mario, Rene: Was bleibt noch? Kritische Überlegungen zur
Theologie heute, übers, v. W.Neuwöhner. Paderborn: Boni-
facius-Druckeroi [19711. 216 S. 8°. Kart. DM 15,80.

Rene Marie ist bei uns kein Unbekannter. Seine aus dem
Französischen übersetzten Bücher über R. Bultmann,
über D.Bonhoeffer und über das theologische Problem
der Hermeneutik fanden hierzulande Beachtung. Auch
mit diesem neuen Buch stellt sich M. als der engagierte
katholische Gesprächspartner vor allem einer kritischen
evangelischen Theologie vor, obgleich er es nicht versäumt
, die durch das Vaticanum II möglich gewordenen
Wandlungen katholischen Selbstverständnisses positiv
aufzugreifen. Der französische Originaltitel (La singula-
rite chr6tienne) gibt die Absicht des Buches deutlicher
wieder als der journalistisch aufgemachte deutsche Titel.
Der Vf. fragt nach der Einzigartigkeit des Christentums,
weil die Verunsicherung in diesem Punkt seiner Meinung
nach die Ursache für die Identitätskrise der Christen auf
allen Ebenen ihrer persönlichen und gesellschaftlichen
Wirklichkeit ist (7). In der Tat: Wenn der christliche
Glaube vor der Welt nicht Zeugnis von etwas Besonderem,
Ursprünglichem zu geben hat, „was nur für ihn gilt und