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Ausgabe: | 1972 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Mittelalter |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 1
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schaft gebildet hat, erhalten ist. Aus dieser Einsicht ergeben
sich neue Möglichkeiten der Forschung" (S. 431). Der zuletzt
zitierte Satz darf als Schlußurteil über dem ganzen
ersten Band der „Frühmittelalterlichen Studien" stehen,
denen man weitere Bände gleicher Qualität wünschen
möchte.
Rostock Gert Haendler
Erler, Adalbert: Aegidius Albornoz als Gesetzgeber des
Kirchenstaates. Berlin: Erich Schmidt [1970]. 130 S., 2Taf.
gr. 8°. Lw. DM 29,-.
Mit dem Namen des Kardinals Albornoz verbindet sich
vor allem die historische Erinnerung an die Wiederherstellung
und Reorganisation des römischen Kirchenstaates
während des avignonesischen Exils der Päpste, wodurch
diesen überhaupt erst die Heimkehr nach Rom ermöglicht
wurde. Wenigstens den ersten Versuch einer RückÜbersiedlung
der Kurie aus Frankreich nach Italien durfte
der 1367 verstorbene Kardinal gerade noch erleben. Bedeutender
als dessen militärische oder diplomatische Leistungen
bei der Niederringung kleinerer oder größerer Potentaten
im alten Patrimonium Petri und bei der Durchsetzung
päpstlicher Hoheitsansprüche erscheinen aber die Konstitutionen
des Albornoz, die bis in die Anfänge des vorigen
Jahrhunderts Gültigkeit behielten. Daher ist das Interesse
gerade eines Rechtshistorikers an der Persönlichkeit des
Kardinals verständlich, doch kommt bei der Lektüre des
anzuzeigenden Büchleins auch der Historiker auf seine
Rechnung und wird für diese seit rund achtzig Jahren
erste deutsche Publikation zum Thema dankbar sein, zumal
auch spanische und italienische Darstellungen nicht gerade
zahlreich und jedenfalls nicht ohne weiteres zugänglich
sind.
In einer bewundernswert leichten, aber - wie der
Anmerkungsapparat zeigt - gleichwohl tief fundierter
wissenschaftlicher Kenntnis beruhenden Art wird in einem
ersten Teil (S. 9-26) das Leben des Albornoz skizziert.
Dieser hat nach seinem Rechtsstudium in Toulouse als
Erzbischof von Toledo und als Kanzler des kastilischen
Königs eine auch rechtsgeschichtlich bedeutende Rolle zunächst
in seiner spanischen Heimat gespielt, ehe er infolge
eines Regierungswechsels 1350 nach Avignon fliehen mußte,
wo er Kardinal und Großpönitentiär wurde, bis ihn der
Papst 1353 als seinen Legaten nach Italien schickte. Die
Konstitutionen des Albornoz stammen schon aus der ersten
Zeit seiner Wirksamkeit im Kirchenstaat, als dieser noch
keineswegs befriedet war, und wurden im April 1357 in
Fano publiziert, knapp vor der zeitweiligen Abberufung
des Kardinallegaten, dessen Verhältnis zu seinem päpstlichen
Herrn keineswegs konfliktlos geblieben war. Ein
Exkurs über die Kaiserkrönung Karls IV. und die vom
Autor auf Grund der zeitgenössischen Quellen mit Recht
verneinte Beteiligung des Albornoz an ihr beschließt diesen
biographischen Teil der Untersuchung, der durch eine Zeittafel
am Ende des Werkes (S. 123 f.) noch einmal zusammengefaßt
wird.
Ein zweiter, umfangreicherer Abschnitt (S. 27-88) gilt
den Konstitutionen, ihrem Zustandekommen und ihrer
weiteren Geschichte, ihrer Überlieferung und späteren
Bearbeitung sowie vor allem ihrem bisher noch kaum
systematisch erforschtem Inhalt. Den Ausführungen wird
die freilich in mancher Beziehung zu berichtigende oder zu
ergänzende Edition der Konstitutionen von Pietro Sella
aus dem Jahre 1912 zugrunde gelegt. Der Autor untermauert
die Verwandtschaft des Gesetzgebungswerkes mit
italienischen Lokalstaruten. Er befaßt sich mit der Frage
der Abhängigkeit von älteren Kodifikationen, unter anderen
auch mit den friderizianischen Konstitutionen von
Melfi, und überhaupt des Verhältnisses zum kanonischen
und römischen Recht. In einem eigenen Kapitel wird untersucht
, ob das ägidianische Werk als Zeugnis absolutistischer
Herrschaftsgesinnung gedeutet werden darf und
diese Meinung mit Recht als Anachronismus abgelehnt. Als
Absicht des Kardinals muß vielmehr die im Interesse der
Neuordnung stehende Zusammenfassung des vorhandenen
Rechtsstoffes in einer neuen Kodifikation gelten und können
diesbezügliche Selbstzeugnisse des Werkes nicht als
bloßer Topos verstanden werden. Daraus erklärt sich aber
das starke Eingehen auf traditionelle Rechtsgewohnheiten,
die durch das römische Recht kaum und nur wenig selbst
durch das kanonische Recht reglementiert werden, so daß
auch hier die Hochschätzung des guten alten Rechtes zur
Geltung kommt. Zuletzt wird die aus der politischen Lage
resultierende Notwendigkeit als Motiv und die Milde als
Charakteristikum des Gesetzgebungswerkes herausgearbeitet
. Das geschieht alles auf der Grundlage nicht nur des
Textes, sondern auch rechtsphilosophischer Überlegungen.
Im Anhang (S. 90-122) finden sich zur Illustration der
voranstehenden Darlegungen kommentierte Textauszüge
vor allem aus den Konstitutionen, die sich auch für rechtshistorische
Übungen eignen. Die beiden Bildtafeln zeigen
Albornoz in einer Miniatur des 14. Jahrhunderts bei der
Entgegennahme der Schlüssel unterworfener Städte des
Kirchenstaates und das Faksimile einer wichtigen, erst nach
Sellas Edition entdeckten Handschrift. Daß im Anhang
weder Literaturverzeichnis noch Register fehlen, braucht
nur nebenbei bemerkt zu werden.
Erlers knappe Darlegungen können natürlich das
ägidianische Gesetzgebungswerk in seiner historischen und
juridischen Bedeutung nicht ausschöpfen. Sie haben aber
dieses auch dem deutschsprechenden Publikum neuerlich
nahe gebracht und werden sicherlich zu einer näheren
Beschäftigung mit ihm anregen.
Saarbrücken Harald Zimmermann
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