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Ausgabe:

1972

Spalte:

610-611

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Theologisches Jahrbuch 1970 1972

Rezensent:

Schott, Erdmann

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609 Theologische Literaturzeitung 97. Jahrgang 1972 Nr. 8

Grundfragen etwa seit Genf 1966 über Kircbe und Gesellschaft
oder im Zusammenhang mit dem Anti-Rassis-
uius-Programm des ökumenischen Rates der Kirchen.
Das Buch versteht sich als Rückblick, der für die Standortbestimmung
heute von Gewinn sein könnte. Ob es gehingen
ist, mit der historischen Darstellung hilfreich zu
sein für den angelsächsisch-mitteleuropäischen Dialog, erscheint
mir zumindest an einigen Stellen fraglich. Wird
nicht doch manchmal zu viel mit der deutschen Elle gemessen
, als daß man versuchte, als Berichterstatter aus
dem zeitlichen Abstand von mehr als 30 Jahren einen
verständnisvollen Standpunkt für beide Partner des Dialogs
einzunehmen, was für uns heute erst lehrreich sein
würde? Die den Kapiteln vorangestellten Zeitanalysen
gnd ganz interessant und haben auf knappein Raum viele
takten geistvoll zusammengesehen. Aber es bleibt dem
Leser überlassen, den Zusammenhang zu der dann folgenden
Einzeldarstellung herzustellen. Vielleicht wäre bei
dem Bemühen, dies in den Text einzuarbeiten, manches
-Motiv für manchen Standpunkt noch deutlicher gewor
den. Ist doch Glaube und Kirchenverfassung nicht nur
em Austausch, Zusammenspiel oder Wettkampf von
theologischen Gedanken, sondern auch eine lebendige
Bewegung, an der Menschen beteiligt sind. Die Frage
nach den Motiven der deutschen Beteiligung an der geschilderten
Diskussion darf man nicht nur mit einer
Untersuchung des Kontaktes ökumenischer Stellen zu
den Kirchen im damabgen Deutschland beantworten.
Die Mitarbeit wurde vornehmlich von Männern getragen,
die ohne offizielle Delegierung engagiert waren. Das
^rd herausgearbeitet. Hätte man nicht aber - etwa auf
S.33 - noch etwas weiter fragen müssen, warum
Männer wie Siegmund-Schultze u.a. zum spiritus rector
iür die Sache wurden. Die Wurzel ihres ökumenischen
Denkens und Einsatzes war doch eben nicht nur die zitierte
Definition von Glaube und Kirchenverfassung, sondern
ebenso Versöhnung und Friede unter den Völkern.

Nicht nur, daß der hier vorliegende Unterschied zwischen
der nur zögernden Mitarbeit der offiziellen Kirchen
und der tragenden Gruppe der meisten Pioniere klarer
hätte nachgezeichnet werden können - was sicher die Farben
des Bildes leuchtender gemacht hätte -, auch von dem
m der Einleitung ausgesprochenen Hinweis her, daß
Glaube und Kirchenverfassung in gewisser Weise eine
innerkirchliche Entsprechung des damals wachsenden
..Weltbewußtseins" darstellte, hätte man nun die Darstellung
der Zusammenhänge zwischen der Bewegung für
Praktisches Christentum und der für Glaube und Kirchenverfassung
erwartet. Jedenfalls bei Siegmund-Schultze,
aber auch an anderen Stellen wäre das wohl angebracht
gewesen.

Das hätte dann übrigens auch die Anklänge oder Parallelen
zur gegenwärtigen Einheitsdiskussion in Glaube und
Kirchenverfassung, auf die im Vorwort angespielt wird,
besser zum Tragen gebracht. In dieser Hinsicht wird die
Arbeit auch dem Leser überlassen. Das ist schade. Denn
das Buch hätte dadurch sehr an Aktualität und Spannung
gewonnen. Jetzt vermittelt es bei allem Fleiß und aller
Akribie nur historische Fakten. Die Studie, die zur Zeit
unter dem Thema „Einheit der Kirche - Einheit der
Menschheit" betrieben wird, geht von den Interdepen-
denztrends der Entwicklungen im wissenschaftlich-technischen
Zeitalter aus. Bei manchen Gesprächspartnern
nat man den Eindruck, daß erneut Anleihen beim liberalen
Fortschrittsglauben gemacht werden, um Einheit der
Kirche zu beschreiben. Und doch ist wohl deutlich, daß
sich heute nicht einfach die Gesprächslage der zwanziger
•uid dreißiger Jahre wiederholt. Um so mehr wäre eine
Befragung des Materials unter dieser Thematik sinnvoll
gewesen, zumal sie eigentlich angekündigt wird.

Eine Dissertation muß immer stark auswählen. Diese

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hier hat vor allem Material aufgearbeitet. Das ist wichtig
und nützlich. Wenn mit meinen kritischen Überlegungen
auf offene Perspektiven dieses aufgeschlossenen Diskussionsfeldes
hingewiesen wurde, so vor allem auch, um
zur Benutzung des Buches anzuregen.

Berlin Johannen Althausen

Balzer, Friedrich-Martin: Zur Geschichte der religiös-sozialistischen
Strömungen in der Weimarer Republik (Internationale
Dialog Zeitschrift 5, 1972 S. 37-41).

Crofts, Richard A.: The Defense of the Elizabethan Church:
Jewel, Hooker, and James I (AThR 54, 1972 S. 20-31).

Fagerheim, Erling: Lars Levi Laestadius' teologiske studier
(NTT 73, 1972 S. 35-50).

Hersche, Peter: Die österreichischen Jansenisten und die
Unionsverhandlungen der Utrechter Kirche mit Rom (ZKG
82, 1971 S. 314-343).

Jedin, Hubert: Gustav Hohenlohe und Augustin Theiner
1850-1870 (RQ 66, 1971 S. 171-186).

-: Kirchenhistorikerbriefe an Augustin Theiner (RQ 66, 1971
S. 187-231).

Klemm, Hans G.: Heiliges Epos und evangelische Rhapsoden.

Oralität und Literalität in Herders Evangelientheorie (ZThK

69, 1972 S. 1-33).
Livet, Georges: Prise de conscience et conscience nationale en

Franoe pendant la seconde moitie du XVIe siücle (RHPhR

52, 1972 S.99-104).
Peter, Rodolphe: Jean Calvins predicateur (RHPhR 52, 1972

8.111-117).

Beinhardt, Rudolf: Der Nachlaß des Kirchenhistorikers und
Bischofs Karl Josef v. Hefele (1809-1893) (ZKG 82, 1972
S. 361-372).

Welch, Claude: The Problem of a History of Nineteenth-
Century Theology (JR 52, 1972 S. 1-21).

KIRCHEN- UND
KONFESSIONSKUNDE

Theologische« Jahrbuch 1970, hrsg. v. A.Dänhardt. Leipzig:
St. Benno-Verlag 1970. 514 S. gr. 8°.

Das Theologische Jahrbuch 1970 enthält 33 Beiträge
fast ausschließlich katholischer Autoren. K. Rahner ist
zweimal vertreten. W. Grundmann ist, soviel ich sehe, diesmal
der einzige evangelische Mitarbeiter. Nur vier Aufsätze
sind Erstveröffentlichungen. Von den andern 29
sind die Fundorte angegeben, und zwar zwölfmal Conci-
lium, Internationale Zeitschrift für Theologie, Jg. 4 (1968)
oder Jg. 5 (1969), viermal Theologische Akademie, dreimal
Theologie und Glaube, dreimal Ecclesia et ius, Festgabe
für Audomar Scheuermann, 1968, siebenmal verschiedene
Quellen. Man muß dem Herausgeber dankbar
sein, daß er so weit verstreutes und daher schwer zugängliches
Material in einem Sammelbande vorlegt. Behandelt
werden diesmal folgende Themen: Glaube - Offenbarung
Heilsgeschichte (S.9-80), Entmythologisierung - Verkündigung
(S. 81-164), Eucharistie - Messe - Opfer (S. 165
bis 220), Kirche - Amt - Priester - Laien (S. 221-404),
Liturgie (S. 405-458), Gehorsam - Buße (S. 459-483) und
drei Gestalten der Kirchengeschichte, nämlich Cyrill
und Method, deren Papsttreue hervorgehoben wird, und
Ignatius von Loyola als Prophet (S.484-510).

Auf einige den evangelischen Theologen besonders aufhorchen
lassende Aussagen sei kurz eingegangen. K. Rahner
untersucht „UnVeränderlichkeit und Wandel im
Glaubensverständnis in der Zeit des Konzils'1 und unterscheidet
dabei „Dogma" und „nur authentische, aber an
sich reformable Lehre" (S.22). Das Dogma ist unwiderruflich
und unveränderlich, nicht so die „nur authentische
Lehre". Beide aber muß der katholische Christ gehorsam
annehmen. Dadurch gerät er in eine doppelte Not; denn